Ein neuer in Japan aufgetretener Stamm von Gonokokken ist nun auch gegen Breitspektrum-Cephalosporine resistent, eine hierzulande als sicher geltende Therapieoption der Gonorrhoe. Der Keim wird es bis nach Europa schaffen, denn Gonokokken sind Überlebenskünstler.
Seit einer möglichen antibiotischen Behandlung der Gonorrhoe hat die Geschlechtskrankheit, die jahrhundertelang mit Siechtum, Schande und Verbannung verbunden war, den Schrecken verloren. Die Behandlung, früher mit Penicillin, heute aufgrund von zunehmenden Resistenzen vornehmlich mit Cephalosporinen der dritten Generation, gilt als einfach, sicher und kostengünstig. Früh erkannt hieß bislang meist früh gebannt. Mittel der Wahl sind z.B. Ceftriaxon und Cefixime, aber auch die Einmalgabe von Chinolonen und Makroliden verspricht oft Erfolg.
Immer neue Resistenzen
Doch – und warum sollte es bei dem Bakterium auch anders sein als bei anderen mit Antibiotika behandelten Krankheitserregern – die einfache Lösung gibt es nicht. Denn es blieb nicht bei Resistenzen gegen β-Lactam-Antibiotika, sondern Neisseria gonorrhoeae trotzt Tetrazyklinen und Flouroquinolonen. Und schließlich traten auch noch Resistenzen gegen Breitspektrum-Cephalosporine wie Cefixime hinzu, weshalb in Japan dieses Antibiotikum seit Jahren nicht mehr empfohlen wird. Mittel der ersten Wahl dort ist seither Ceftriaxon und Spectinomycin. Auch letzteres garantiert keinen Erfolg und gegen Ceftriaxon wurden bereits im Januar 2009 bei einer asymptomatischen Prostituierten in Kyoto im Rahmen einer Routineuntersuchung im Halsabstrich resistente Bakterien nachgewiesen.
Den Charakter und die genetischen Mutationen des für die hohe Resistenz bedeutsamen neuen Bakterienstammes mit dem Namen H041 bestimmten ein japanisch-schwedisches Forscherteam um Magnus Unemo näher. Eine molekulare Typisierung ergab, dass der neue Ceftriaxon-resistente Stamm von H041 eng verwandt mit dem bereits bekannten Cefixim-resistenten Stamm ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit aus diesem entstanden ist. Es fiel eine sehr hohe minimale Hemmkonzentration auf. Das sogenannte penA-Gen konnte als Träger der neuen Resistenz identifiziert werden.
N. gonorhoeae – Superkeim der Zukunft?
Mit der neuen Resistenz verschwindet die letzte verbleibende Option der empirischen Firstline-Therapie der Gonorrhoe, so die Forscher. Sie befürchten, die Krankheit könnte in naher Zukunft unbehandelbar werden. Die Prävention der Krankheit wird also an Bedeutung gewinnen – und das global. Denn eine Ausbreitung resistenter Gonokokken in die ganze Welt würde nicht zum ersten Mal aus dieser Region erfolgen.
Allerdings scheinen Präventions- und Kontrollmaßnahmen schon deshalb erschwert, da hierzulande Erkrankungsfälle seit dem Infektionsschutzgesetz aus 2001 nicht mehr gemeldet werden müssen, sodass die Anzahl der Erkrankten im Dunkeln liegt. Meldepflichtig sind lediglich Syphilis und HIV. Die epidemiologische Übersicht anderer Erkrankungen wie Chlamydieninfektionen und Gonnorrhoe soll seit 2002 ein Sentinel-Surveillance-System gewährleisten, an dem sich knapp 250 Institutionen beteiligen, so das Robert Koch Institut. Danach erkranken jährlich 25 bis 40 Personen pro 100.000 Einwohner. Auch gibt es keine aktuellen und keine flächendeckenden Untersuchungen von Resistenzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die milden oder fehlenden Beschwerden v.a. bei Frauen für eine Ausbreitung der Infektion sorgen, denn etwa die Hälfte dieser hat gar keine Symptome. Nur bei zwei bis fünf Prozent der Männer ist ein asymptomatischer Verlauf zu erwarten.
Optimale Überlebensstrategie
Der ernormen Anpassungsfähigkeit von Neisseria gonorrhoeae sind Hank Seifert der Northwestern University in Chicago und Mitarbeiter auf der Spur. Sie fanden heraus, dass menschliche DNA-Fragmente im Genom der Bakterien integriert sind. Gentransfer ist offenbar ein Prozess, mit dem sich das Bakterium im Unterschied zu anderen Keimen, auch zu anderen Neisserien, einen Überlebensvorteil verschafft. Gentransfer zwischen Bakterien ist bekannt, aber die Entdeckung eines Austausches zwischen Wirt und Bakterium ist neu und sichert dem Bakterium eine optimale Anpassung. Neue immer widerstandfähigere Stämme könnten so entstehen.
Wann der resistente Neisserienstamm, der sich in Japan entwickelte, nach Europa kommt, ist aber derzeit unklar. Zunehmend gefragt sind schon seit längerer Zeit gezielte Therapien nach Antibiogramm. In Frage können Antibiotika wie Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin, Amoxicillin, Doxycyclin oder Azithromycin kommen, heißt es in einem Artikel von Thomas Wichelhaus des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main. Denn ist sehr fraglich, dass neue Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, wenn diese benötigt werden.