Notärzte haben täglich die verschiedensten Einsätze: von der allergischen Reaktion über den Herzinfarkt bis hin zum Autounfall. Wie sich das anfühlt, testet man am Besten selbst.
Die größten Lerneffekte hatte ich eigentlich immer im Rahmen von praktischen Erfahrungen. Um jetzt im Bereich Notfallmedizin neben theoretischen Vorträgen und Selbststudium einen tieferen Einblick in die Notfallmedizin zu bekommen, habe ich für ein paar Stunden den Notarzt auf dem NEF der MHH begleitet. Das Kürzel NEF steht hierbei für Notarzteinsatzfahrzeug und bezeichnet einen PKW, in dem ein Rettungsassistent und ein Notarzt nach Anforderung zu ihrem Einsatzort fahren. Dort treffen sie sich dann mit einem Rettungswagen und 2 weiteren Rettungsassistenten bzw. Rettungssanitätern. Ich sollte also an diesem Abend neben Patienten viele Leute kennenlernen und schließlich mit ihnen zusammenarbeiten. An sich schon eine sehr aufregende neue Situation, vor allem, weil ja alles auf Anhieb klappen muss!
Jede Sekunde zählt
Nachdem ich in vielen Lehrbüchern schon so einiges über präklinische Notfälle und deren Behandlungsprinzipien gelesen hatte, wollte ich die Arbeitsschritte eines Notarztes einmal genauer unter die Lupe nehmen und fragte ihm erstmal ein paar Löcher in den Bauch. In den ersten Dienststunden ohne Einsatz erzählte er mir allerhand spannende Geschichten aus seinem Berufsalltag. So viel vielleicht vorweg: Da insbesondere bei bewusstlosen Patienten und bei Blutungen "jede Sekunde zählt" und alles blitzschnell durchgeführt und entschieden werden muss, kann selbst das provisorische 4-Kanal-EKG zur echten Herausforderung werden.
Gefahr aus dem Kühlschrank
Als mein Pieper sich an diesem Abend zum ersten Male mit schrillen Tönen aus meiner Kitteltasche meldete, lautete das Einsatzstichwort "allergische Reaktion". Wie mir der Notarzt auf der Fahrt berichtete, sind ähnlich Fälle gerade in der warmen Jahreszeit gar nicht so selten. In den Sommermonaten haben süße Früchte nämlich Hochsaison und aufgrund von Allergenen sind allergische Reaktionen vom Hautausschlag bis zur akuten Atemnot in der Bevölkerung heute relativ weit verbreitet. Der Wohnort der Patientin war nur wenige Straßen von der MHH entfernt und so waren wir schneller vor Ort als der Rettungswagen.
Wir schnappten uns als erstes den Medikamentenkoffer (Ampullarium), das mobile EKG, den Beatmungsapparat sowie die Dokumentationspapiere und spurteten in den vierten Stock eines Mehrfamilienhauses. Die betagte Patientin war bei vollem Bewusstsein, hatte schon viele Vorerkrankungen zu berichten. Sie klagte über Hautauschlag am Hals mit begleitender Rötung, leichte Atemnot und subjektiv erlebte Panik. Ich stellte ein paar Fragen und schaute mir Ausschlag, Mund- sowie Rachenraum einmal genauer an. Danach erfasste ich unter Anleitung des Notarztes die Vitalparameter und stellte die Verdachtsdiagnose einer allergischen Reaktion nach dem Verzehr von Erdbeeren. Die Patienten erhielt zur schnellen Behandlung der Symptome ein Kortison-Präparat und wurde vom RTW aufgrund ihrer Vorerkrankungen zum weiteren "Check-Up" in ein nahegelegenes Krankenhaus gefahren. Schnelles Handeln beim Herzinfarkt
Der zweite Einsatz an diesem Abend führte uns zu einem älteren Herrn mit akutem Brustschmerz und einer schweren Herzerkrankung in der Vorgeschichte. Nach einem kurzen Briefing mit der besorgten Ehefrau ordnete der Notarzt sofort ein 12-Kanal-EKG an. Ich half aufgeregt bei der Befestigung der Elektroden mit und konnte hinterher sogar eine ST-Hebung auf dem EKG-Streifen erkennen. Da diese pathologische EKG-Veränderung zu den Zeichen eines frischen Herzinfarktes zählt, wurde der Patient umgehend mit Blaulicht und Martinshorn in die Klinik gefahren. Während der Fahrt hatte ich die Aufgabe, in regelmäßigen Abständen palpatorisch den Blutdruck zu messen und hin und wieder einen Blick auf die Sauerstoffsättigung zu werfen. Und das bei hoher Geschwindigkeit und im Stehen: gar nicht mal so einfach! Als wir den Patienten in der Klinik an den Dienst habenden Internisten übergeben hatten, war dieser zweite Einsatz abgeschlossen und das NEF fuhr wieder Richtung Uniklinik.
Viele Eindrücke in wenigen Stunden
Im Rückblick auf diese kurze Hospitation kann ich nur bestätigen, dass die praktische Notfallmedizin ein spannendes Fachgebiet ist, bei dem an den Notarzt viele Fächer übergreifenden Anforderungen gestellt werden. So trägt er die Verantwortung für die nachfolgende Behandlungstaktik und muss sich unter Zeitdruck und teils schwierigen örtlichen Bedingungen immer blitzschnell entscheiden können. Oftmals geht es ja auch tatsächlich um "Leben und Tod" – kein Wunder, dass klinische Erfahrungen in diesem Berufszweig eine wichtige Rolle spielen.
Mein Fazit
Obwohl ich nur zwei Einsätze miterlebt habe, konnte ich viele Eindrücke mit nach Hause nehmen. Ich habe schnell gesehen, wir schwer es sein kann, unter Stress akkurate Entscheidungen zu treffen und habe großen Respekt vor allen Notfallmedizinern. Ein solches Mini-Praktikum kann ich nur empfehlen!