Viele NC-Flüchtlinge führt es nach Ungarn, wo das Medizinstudium leichter zu bekommen, dafür aber auch teuer ist. An deutschen Unis haben sie oftmals den Ruf, sich Studium und Abschlüsse erkauft zu haben. Wir zeigen, wie es an ungarischen Unis wirklich zugeht.
Gründe für ein Medizinstudium im Ausland gibt es viele. Während einige auf diese Weise die Welt erkunden wollen, sind ausländische Fakultäten für viele sogenannte "NC-Flüchtlinge" die einzige Chance zum Erlernen des Arztberufes. So erging es auch Steffen Heller, der mit seiner Abiturnote von 2,4 rund 10 Semester auf einen Studienplätz in Deutschland hätte warten müssen.
Die Wahl auf Ungarn fiel dann eher zufällig, da Steffen jemanden kannte, der bereits dort studierte und ihm einiges erzählen konnte. Nachdem der Entschluss für eine Bewerbung getroffen war, ging alles ganz schnell: „Man schickt eine schriftliche Bewerbung an die Uni. Für die Bewerbung zahlt man 200 €. Sollte es mit dem Studienplatz klappen, zahlt man noch einmal denselben Betrag für die Immatrikulation“, berichtet Steffen. Für alle zukünftigen Bewerber hat er noch ein paar Tipps, wie sich die Chancen auf eine Zulassung in Ungarn erhöhen lassen: So können gute Abiturnoten in naturwissenschaftlichen Fächern, ein naturwissenschaftliches Studium oder auch Tätigkeiten im Gesundheitswesen eine gute Basis schaffen. „Außerdem werden Bewerber, die von jetzigen oder ehemaligen Studenten empfohlen werden, positiv beurteilt“, fügt er noch hinzu.
Gruppenarbeit und Anzugpflicht
Stellt man die Studienbedingungen in Ungarn den entsprechenden deutschen gegenüber, scheint das Mengenverhältnis von Betreuern gegenüber den Studenten ein entscheidender Punkt zu sein. „Ich habe das Studium in Ungarn als sehr gut empfunden, weil man relativ kleine Gruppen hat“, lobt Steffen die recht übersichtliche Anzahl von nur 100 Studierenden pro Semester. „Ich kannte schnell alle Kommilitonen mit Namen, da findet man schnell Freunde.“ Auch die überwiegend Deutsch sprechenden Dozenten haben Steffen den Start in Szeged erleichtert.
Geschenke werden allerdings auch an ungarischen Universitäten nicht verteilt. „In allen Fächern stehen regelmäßige Tests an. Man ist gezwungen, stetig zu lernen“, beschreibt er seinen Lernalltag. Viele Prüfungen liefen mündlich ab und man habe zuvor nur etwa eine halbe Stunde Zeit, um sich für ein ausgelostes Thema Notizen zu machen. Der Prüfungsablauf klingt dann recht ähnlich wie es an deutschen Unis üblich ist: „Nach der Vorbereitung fängt man an, über sein Thema zu referieren. Der Dozent fragt dann eventuell noch etwas genauer nach.“ Eine kleine Besonderheit sollte hier allerdings auf keinen Fall unerwähnt bleiben: Zu Prüfungen ist es üblich, im Anzug zu erscheinen.
Hohe Studiengebühr, billiges Bier
Auf die Frage nach seinen Ausgaben, nennt Steffen zunächst die erschreckend hohen Studiengebühren: „Wir haben damals 5400 € pro Semester gezahlt, inzwischen sind sie bei 5900 € angekommen.“ Im Gegensatz zu diesen Summen seien die Mieten und die Kosten für Lebensmittel vergleichsweise günstig. „Man kann abends gut und reichlich Essen gehen und gibt inklusive Getränke etwa 8 € aus.“ Allerdings hätte es in letzter Zeit auch allgemeine Preiserhöhungen gegeben. So kostete ein Bier früher unglaubliche 80 Cent im Biergarten, während er heute schon einen ganzen Euro auf den Tisch legen muss. Obgleich das in deutschen Ohren extrem billig klingt, sind die Gesamtkosten durch die Studiengebühren sicher kein Zuckerschlecken. Denn ohne Nebenjobs oder ein Stipendium ist das kaum zu schaffen. Steffen hingegen hatte Glück und konnte auf familiäre Unterstützung durch seine Eltern bauen.
Keine Probleme mit der Anerkennung
Nach jedem Auslandsstudium stellt sich die Frage nach der Anerkennung von Studienleistungen an den deutschen Universitäten - viele Studierende versuchen nämlich im Laufe des Studiums nach Deutschland zu wechseln. Da die Curricula nicht immer komplett vergleichbar sind, kann es schnell passieren, dass im Ausland erworbene Scheine in der Heimat nicht anerkannt werden. Für alle Ungarn-Fans kann Steffen hierbei aber gleich Entwarnung geben: „Das Studium wird problemlos anerkannt, wenn man nach dem Physikum in Ungarn zurück nach Deutschland wechseln möchte.“ So hätten ungarische Universitäten den Studienplan extra so ausgelegt, dass es besonders bei den deutschen Universitäten keine Anerkennungsschwierigkeiten gibt. Es gäbe sogar keine Probleme oder Zusatzprüfungen, wenn er sein Studium komplett in Ungarn absolviert hätte. Etwas anders ist die Situation hingegen, wenn Medizinstudenten bereits vor dem Physikum nach Deutschland wechseln möchte. Dann könnte es laut Steffen zu Problemen kommen, was aber von der jeweiligen Uni abhängig sei.
Ein ganz anderer Punkt ist die Anerkennung der Studienleistungen bei den deutschen Kommilitonen. „Leider stolpert man immer wieder über die Meinung, dass man das Physikum in Ungarn einfach erkauft hätte“, erzählt Steffen von seinen Erfahrungen nach dem Wechsel. „Klar, man zahlt verdammt viel Geld für das Studium in Ungarn. Aber geschenkt bekommt man nichts!“ Die negative Ansicht mancher Studienkollegen erklärt er sich vor allem mit der großen Anzahl mündlicher Prüfungen, die im Vergleich mit den deutschen Multiple-Choice-Klausuren fälschlicherweise oft als leichter bewertet werden.
Dass in Ungarn jeder durchkomme, würde aber absolut nicht stimmen. Schließlich muss Steffen aber etwas resigniert feststellen, dass diese Meinung wohl niemals ganz aus einigen Köpfen verschwinden werde.