Patienten mit Schizophrenie haben eine fast vierfach höhere standardisierte Mortalitätsrate als der Bevölkerungsdurchschnitt. Vermehrte Suizide sind nur ein Teil der Wahrheit. Eine Analyse zeigt, dass nicht nur das Diabetesrisiko erhöht ist. Sie sterben auch häufiger an anderen Erkrankungen.
Gelingt es Ärzten, Patienten mit Schizophrenie per Pharmakotherapie richtig einzustellen und Suizide zu verhindern, haben Betroffene eine normale Lebenserwartung. Diese Vermutung hat sich jahrelang gehalten. Forscher zeigen jetzt, dass unterschiedliche Grunderkrankungen, bei Personen mit Schizophrenie, zu einer überdurchschnittlich hohen Mortalitätsrate führen. Patienten mit Schizophrenie sterben deutlich früher als Menschen ohne die Erkrankung. Patienten mit Schizophrenie sterben deutlich früher als Menschen ohne die Erkrankung.
Bislang war bekannt, dass Schizophrenie zu einem erhöhten Risiko von Typ-2-Diabetes führt. Toby Pillinger, Wisenschaftler am Institute of Psychiatry, Psychology, and Neuroscience, King’s College London, wollte wissen, ob eher die psychiatrische Grunderkrankung oder Lebensstil-Einflüsse von Bedeutung sind. Es wird angenommen, dass Schizophrenie-Patienten sich weniger bewegen, häufiger rauchen und seltener ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Bei Recherchen fand Pillinger 14 Fall-Kontroll-Studien mit 1.345 Teilnehmern. Darunter waren 731 Schizophrenie-Patienten zu Erkrankungsbeginn und 614 Kontrollen. Beide Gruppen waren mit Ausnahme der psychiatrischen Grunderkrankung vergleichbar. Um die praktische Relevanz statistisch signifikanter Ergebnisse darzustellen, gab Pillinger bei seinen Auswertungen immer die sogenannte Effektstärke an. Dabei zeigte sich, dass der Nüchternglukosewert bei den Patienten signifikant höher war als in der Kontrollgruppe. Die Effektstärke blieb jedoch gering. Blutglukosespiegel nach einem oralen Glukosetoleranztest waren bei mittlerer Effektstärke signifikant höher. Außerdem fanden Forscher höhere Nüchtern-Insulinspiegel im Blutplasma sowie eine höhere Insulinresistenz, jedoch bei geringer Effektstärke. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Glukose-Homöostase bei Schizophrenie verändert wird, was darauf hinweist, dass die Patienten ein erhöhtes Risiko für Diabetes haben“, fasst Pillinger zusammen. Er fordert, Patienten auch hinsichtlich ihres Stoffwechsels als Risikogruppe zu betrachten und regelmäßig zu untersuchen. Frühe Einflüsse des Lebensstils kann der Forscher nicht ausschließen. Trotzdem formuliert er als Hypothese für weitere Arbeiten, nach genetischen Ursachen zu suchen.
Diabetes ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Mark Olfson, Forscher am College of Physicians and Surgeons der Columbia University in New York, hat umfangreiche Daten ausgewertet. Seine Kohorte umfasste mehr als 1,1 Millionen Patienten, 4,8 Millionen Lebensjahre und 65.500 Todesfälle mit bekannter Ursache. Er fand heraus, dass die standardisierte Mortalitätsrate (SMR) bei Patienten mit Schizophrenie 3,7-fach höher war als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Zu den wichtigsten Faktoren gehörten unter anderem kardiovaskuläre Erkrankungen. Olfson ermittelte 403 Todesfälle auf 100.000 Personenjahre. Die SMR war 3,6-fach höher. Als weitere Risikofaktoren identifizierten die Forscher Lungenkrebs (75 Todesfälle auf 100.000 Personenjahre; SMR 2,4-fach höher) und COPD (96 Todesfälle auf Todesfälle auf 100.000 Personenjahre; SMR 9,9-fach erhöht) sowie Influenza und Pneumonien (33 Todesfälle pro Todesfälle auf 100.000 Personenjahre; SMR 7,0-fach erhöht). Zum Vergleich führt Olfson Unfälle mit tödlichen Ausgang (SMR 3,2-fach erhöht; 120 Todesfälle auf 100.000 Personenjahre) und Suizide (SMR 3,9-fach erhöht; 120 Todesfälle auf 100.000 Personenjahre) an. Ein ungesunder Lebensstil dürfte zwar einen gewissen Einfluss auf die hohen Mortalitätsraten haben, die auffälligen Unterschiede zum Bevölkerungsdurchschnitt lassen sich damit aber nicht vollständig erklären. Psychiater vermuten, dass es dafür noch andere Gründe gibt, heißt es in einem Artikel. Kardiovaskuläre Erkrankungen und Tumore würden bei Schizophreniekranken häufig später entdeckt werden. „Zum einen sind sich die Patienten der Symptome weniger bewusst und gehen nicht zum Arzt. Zum anderen ist auch die Unterdiagnose vonseiten der Ärzte exorbitant“, so der Psychiater Alkomiet Hasan von der LMU München zur „ÄrzteZeitung“. Für Ärzte sei es bei Patienten mit Schizophrenie daher wichtig, sich nicht nur auf die psychiatrische Grunderkrankung zu fokussieren, schlussfolgert Olfson aus seinen Studienergebnissen.