Verschließen sich Blutgefäße in Richtung Knochen, ist ein Infarkt unausweichlich. Lebendes Gewebe stirbt ab, und Patienten leiden unter starken Schmerzen. Doch Hilfe naht: Orthopäden orientieren ihre Therapie am Ausmaß der Schädigung – das Skalpell kann im Schrank bleiben.
Einer der prominentesten Patienten lebte vor mehr als 3.300 Jahren: Tutenchamun, sagenumwobener ägyptischer Pharao, hatte laut modernster Diagnostik eine aseptische Knochennekrose im zweiten und dritten Mittelfußknochen und war vermutlich ganz unköniglich in seinen Bewegungen eingeschränkt. Osteonekrosen sind aber kein Problem des Fußes allein: Theoretisch kann es jeden Knochen treffen, Studien zeigen, dass besonders oft die Gelenke von Knie, Schultern und Hüfte in Mitleidenschaft gezogen werden. Für den Oberschenkel geben Veröffentlichungen aus den USA zwischen 10.000 und 20.000 Fälle pro Jahr an. Das beginnt meist mit starken Schmerzen – Unfallfolgen, Knochentumoren oder septische Nekrosen lassen sich differentialdiagnostisch schnell ausschließen. Klarheit bringt das Röntgenbild sowie die MRT mit charakteristischen Zerfallserscheinungen des Knochens. Jetzt ist schnelles Eingreifen gefragt, um einerseits weitere Schäden zu verhindern. Andererseits besteht gerade bei älteren Patienten die Gefahr der Immobilisierung mit allen bekannten Folgen. Meist sind Patienten aber eher zwischen 30 und 50 Jahre alt, dennoch: Auch Pädiater kennen das Thema.
Ursache unbekannt
Die genauen Pathomechanismen der Krankheit liegen trotz zahlreicher Forschungsansätze nach wie vor im Dunklen. Soviel steht dennoch fest: Als Risikofaktoren gelten Chemotherapien, Strahlenexpositionen, Alkohol und diverse Gefäßerkrankungen. Und Berufsgruppen wie Taucher bzw. Arbeiter im Brückenbau, die lange Zeit hohem Druck ausgesetzt sind, scheinen besonders oft zu erkranken. Daneben trifft es überdurchschnittlich oft Patienten mit Sichelzellanämie oder Lupus erythematodes.
Arzneimittel können ebenfalls zu einer aseptischen Knochennekrose führen. Bei Bisphosphonaten existiert im Gegensatz zu Steroiden mittlerweile eine recht solide Datenbasis. So fanden australische Kollegen unter den Wirkstoffen Alendronat, Etidronat sowie Risedronat signifikant mehr Knochennekrosen, vor allem im Kiefer. Der humane monoklonale Antikörper Denosumab zeigte ähnliche unerwünschte Effekte. Als Grund vermuten Kollegen eine Störung des Knochenumbaus und der Blutversorgung. Das Fatale: Seit Jahren werden immer mehr Bisphosphonate verschrieben, nicht nur zur Behandlung der Osteoporose, sondern auch bei Onkologie-Patienten, die an Knochenmetastasen leiden. Damit häufen sich auch Fälle von Knochennekrosen im Bereich des Kiefers. Um diese systematisch zu erfassen, wurde bereits 2004 das Elsbeth-Bonhoff-Register eingerichtet. Jetzt liegen knapp 1.000 Meldungen vor. Für Osteoporosepatienten unter Bisphosphonaten konnte das Risiko mit eins zu 13.500 angegeben werden, bei Krebspatienten liegt der Wert jedoch zwischen eins zu 100 und eins zu 50.
Abgedreht und abgestorben
Doch was passiert bei einer Osteonekrose genau? Auf zellulärer Ebene führt die Unterbrechung der Blutversorgung eines Knochens zum Absterben funktionaler Strukturen. Wissenschaftler fanden heraus, dass Blutstammzellen hier besonders empfindlich sind – nach 12 Stunden ohne ausreichende Sauerstoffversorgung geben sie den Geist auf. Osteozyten, Osteoblasten und Osteoklasten überleben maximal 48 Stunden, und Retikulumzellen sind nach fünf Tagen hinüber. Auch der umgekehrte Weg ist denkbar, etwa nach einer erfolgreichen Therapie: Werden Knochen wieder hinreichend versorgt, kommt es zur Neubildung feinster Kapillaren. Undifferenzierte mesenchymale Stammzellen wandern dann von benachbartem, intaktem Knochengewebe in die tote Materie ein. Durch ihr hohes Proliferations- und Differenzierungsvermögen ersetzen sie abgestorbene Strukturen, neue Osteoblasten oder Fibroblasten entstehen. Auch Makrophagen kommen zum Zuge – sie entfernen abgestorbene Zellen. Schließlich bildet sich am noch vorhandenen, anorganischen Hydroxylapatit-Gerüst wieder ein lebender Knochen.
Ersatzteile aus dem eigenen Körper
Forscher setzen diese Regenerationsprozesse mittlerweile gezielt zur Therapie ein. So gelang es französischen Chirurgen, nekrotische Knochen durch Material aus dem Beckenkamm zu ersetzen. Besonders erfolgreich waren so genannte vaskularisierte Transplantate, bei denen die Blutversorgung mikrochirurgisch am neuen Ort wieder hergestellt wurde. Eine Untersuchung bewertete die Methode bei 60 Patienten mit durchschnittlichen Nachbeobachtungszeiten von 18 Jahren – die Ergebnisse waren bei rund 52 Prozent der Patienten mehr als zufriedenstellend. Und Kollegen aus den USA erforschten in einer doppelblinden Studie Zelltransplantationen bei Osteonekrosen im Hüftgelenk. Patienten der Kontrollgruppe erhielten lediglich eine Dekompression in Form von Pride-Bohrungen. Alle anderen bekamen mononukleäre Zellen aus dem Knochenmark – und hatten nach 24 Monaten deutlich weniger Schmerzen als die Vergleichsgruppe. Auch verschlimmerten sich die Läsionen deutlich seltener. Unerwünschte Effekte hingegen fielen kaum ins Gewicht.
OP – nicht immer…
Doch nicht immer muss zum Skalpell gegriffen werden. Kindern bzw. bei jungen Patienten mit wenig ausgeprägten Läsionen hilft schon eine Ruhigstellung im Gips über acht bis zwölf Wochen. Bei sehr großen bzw. gelenksnahen Defekten sind Eingriffe dennoch unumgänglich. Pride-Bohrungen entlasten hier den Knochen, ansonsten helfen meist nur Endoprothesen. Sind speziell die Oberflächen von Gelenkköpfen abgestorben, können auch Alloarthoplastiken zum Zug kommen. Dabei ersetzen Kollegen die Gelenkflächen ganz oder teilweise durch Metall- bzw. Kunststoffimplantate. Aus orthopädischer Sicht haben britische Kollegen speziell mit so genannten Metall-Metall-Gleitpaarungen („Metal-on-metal-Resurfacing“) gute Erfahrungen gemacht. Dennoch berichten neuere Untersuchungen von Problemen: Chrom- und Cobalt-Ionen aus der Legierung gelangen teilweise in den Körper und fördern möglicherweise das Tumorwachstum. Grund genug für die britische Arzneimittelzulassungsbehörde, rund 40.000 Patienten mit entsprechenden Implantaten untersuchen zu lassen.
Ein Hormon für den Kiefer
Speziell bei Osteonekrosen des Kiefers könnte Teriparatid helfen, ein gentechnisch hergestelltes Teilstück des Parathormons aus den Nebenschilddrüsen. In den USA und in Deutschland wird dieses Eiweiß bereits bei Patientinnen mit Osteoporose eingesetzt. Jetzt berichten Wissenschaftler von einer 88-jährigen Frau, bei der sich aufgrund langjähriger Alendronat-Behandlung nach zahnärztlicher Behandlung eine Nekrose im Unterkiefer entwickelte. Nach acht Wochen Teriparatid kam es zur vollständigen Abheilung. Die klassische Entfernung abgestorbener Regionen inklusive Antibiotikagabe hatte nichts gebracht.
Osteonekrose einfach weggedrückt
Doch es geht auch einfacher – vor allem in den Anfangsstadien profitieren viele Patienten von der hyperbaren Sauerstofftherapie. In einer Überdruckkammer erhalten sie eine Stunde lang reinen Sauerstoff, 2,5 bar, erforderlich sind mindestens 15 Sitzungen. Speziell für Nekrosen des Kniegelenks liegen nun Daten von etlichen Patienten vor – 66 Prozent waren nach Behandlungsende völlig beschwerdefrei und 44 Prozent hatten bei der MRT-Kontrolle eine nahezu vollständige Rückbildung der Nekrose. Dies sei, so die Autoren, auf die rund 20-fache Menge an Sauerstoff zurückzuführen, der sich unter entsprechenden Bedingungen im Blut finde. Im Bereich der Kapillaren erhöhe sich die Diffusion des Gases damit deutlich. Einziger Wermutstropfen: Weder die ambulante noch die stationäre hyperbare Sauerstofftherapie wird hier von den Kassen übernommen.