Die endoskopische Submukosadissektion erlaubt es, Magentumore komplett in einem Stück zu entfernen. Diese en-bloc-Entnahme bietet klare Vorteile: Sie senkt das Risiko für Rezidive und lässt genauere Rückschlüsse über weitere Risiken zu.
Obwohl die Inzidenz von Karzinomen des Magens in den letzten drei Jahrzehnten stetig rückläufig ist, gehören sie immer noch zu den häufigsten Tumorerkrankungen: Nach Angaben des epidemiologischen Krebsregister des Robert-Koch-Instituts (RKI) erkrankten 2006 bundesweit 10.620 Männer und 7.230 Frauen an Magenkrebs. Damit steht dieser unter den Krebsneuerkrankungen in Deutschland an fünfter Stelle bei Männern und an achter Stelle bei Frauen. Letztere erkranken im Mittel erst mit 75, Männer hingegen mit siebzig Jahren an einem Karzinom des Magens. Die relativen 5-Jahres-Überlebensraten von dreißig Prozent sind im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen laut RKI "weiterhin eher ungünstig".
Die überwiegende Mehrheit der Magenkarzinome geht vom Drüsengewebe der Magenschleimhaut aus, die so genannten Adenokarzinome. Weitaus seltener treten bösartige Tumore des lymphatischen Magengewebes, so genannte MALT-Lymphome, auf. Eine Infektion mit Helicobacter pylori hat unter den auf den Lebensstil bezogenen Risikofaktoren die größte ätiologische Bedeutung für Magenkarzinome. Als weitere Risikofaktoren gelten Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum sowie der häufige Genuss stark gesalzener, gegrillter, geräucherter und gepökelter Speisen.
Mängel beim bisherigen Therapiestandard
Die vergleichsweise schlechten Prognosen von Adenokarzinomen sind vor allem darauf zurück zu führen, dass diese häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt und entsprechend spät therapiert werden. Eine möglichst frühzeitige Diagnose und Therapie ist jedoch entscheidend für den weiteren Verlauf: Je früher ein Tumor in der Magenwand erkannt und entfernt wird, desto besser sind die Heilungsaussichten.
Die hierzulande als Therapiestandard etablierte endoskopische Mukosaresektion (EMR) bei Magenkarzinomen im frühen Stadium, erweist sich hierzu allerdings nur bedingt geeignet. Das minimal-invasive Verfahren, bei dem die erkrankte Schleimhaut mittels Drahtschlinge abgetragen wird, ist zwar einfach und wenig zeitaufwendig – indessen jedoch mit einer Reihe von Nachteilen behaftet. Denn mit der EMR ist die Komplettresektion auf Tumore mit einem Durchmesser von weniger als zwanzig Millimeter beschränkt, wobei selbst bei diesen eine RO-Resektion oftmals nicht zu erreichen ist. Größere Geschwüre müssen stückweise entfernt werden. Was zum Einen die Gefahr von Rezidiven erhöht, da sich aus den im Körper verbleibenden Krebszellen erneut Tumoren entwickeln können. Zum Anderen erschwert der Einsatz der EMR die histologische Beurteilung des entnommenen Karzinoms und in Folge eine exakte Abschätzung des jeweiligen Patientenrisikos. Probleme, die mit der so genannten endoskopischen Submukosadissektion, kurz ESD, komplett beseitigt werden – im wahrsten Wortsinn.
Aussichtsreicher Import aus Fernost
Die in Japan und anderen fernöstlichen Ländern bereits seit längerem etablierte ESD erfolgt ebenso wie eine Magenspiegelung mithilfe eines flexiblen Endoskops über den Mund des Patienten. Über dieses wird die Mukosa im Bereich des Tumors mit Kochsalzlösung unterspült. Diese hebt sich dadurch von den unterliegenden Gewebsschichten ab. Anschließend umschneidet der Operateur großflächig den erkrankten Bereich und durchtrennt die Submukosa. Auf diese Weise ermöglicht es die ESD, auch großflächigere Magentumore mit einem Durchmesser von mehr als zwanzig Millimetern in einem Stück zu entfernen.
Für die en bloc-Resektion sprechen eine Reihe guter Argumente. Wie schlagkräftig diese sind, zeigte auch eine Studie am Klinikum Augsburg – die erste und größte, die bislang in einem westlichen Land zur ESD durchgeführt wurde. Sie basiert auf den Daten von 96 Patienten, die im Zeitraum zwischen Dezember 2003 und März 2010 zur ESD in die Abteilung für Gastroenterologie in das Klinikum Augsburg eingewiesen worden waren. In diesem Patientengut konnten insgesamt 91 Resektionen mit der ESD vorgenommen werden, so Prof. Dr. Helmut Messmann, einer der Studienleiter und Direktor der III. Medizinischen Klinik des Klinikums Augsburg.
Eine "viel versprechende Technik"
Die in Augsburg gesammelten Erfahrungen zeigen, dass die ESD den Therapieerfolg erheblich steigert. Denn sie hat hohe Resektionsraten und senkt das Risiko von Rezidiven signifikant: Laut Prof. Messmann kam es bei Patienten, die mit dem neuen endoskopischen Verfahren behandelt wurden, "deutlich seltener zu Rückfällen". Während die Rezidiv-Rate bei der stückweisen Resektion mittels EMR fünfzig Prozent betrug, lag sie mit der ESD bei 1,5 Prozent – ein hoch signifikanter Unterschied (p = 0,017) und laut Prof. Messmann ein "klarer Benefit für die Patienten". Diese profitieren darüber hinaus davon, dass die histologische Analyse bei komplett entnommenen Tumoren eine höhere Aussagekraft besitzt: "Die Resektion mittels ESD lässt genauere Rückschlüsse über weitere Risiken zu", so Prof. Mettmanns Teamkollege Dr. Andreas Probst. Was in Folge dem Patienten damit auch weitere, möglicherweise erforderliche Eingriffe erspart.
Auf Grund ihrer Befunde, unter anderem auch der geringen Komplikationen und des guten Sicherheitsprofils, bewerten die Augsburger Gastroenterologen die ESD als eine "Erfolg versprechende Technik". Sie sollte zukünftig als Therapie der Wahl bei Magenkarzinomen im Frühstadium eingesetzt werden. Das sieht die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) ebenso und empfiehlt die Etablierung der neuen Technik in Deutschland: "Ist eine en bloc-Resektion mit anderen endoskopischen Verfahren nicht machbar, ist die ESD das Mittel der Wahl", bestätigt auch PD Dr. Siegbert Faiss, Vorsitzender der Sektion Endoskopie der DGVS und Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie an der Asklepios Klinik Hamburg Barmbek.
Beim Einsatz der ESD muss allerdings berücksichtigt werden – keine Rose ohne Dorne – dass "sie technisch sehr anspruchsvoll ist und viel Übung erfordert", gibt Prof. Messmann zu bedenken. Angesichts dessen sollte das Verfahren auch nur an speziellen Zentren mit ausreichender Erfahrung durchgeführt werden, so der Augsburger Gastroenterologe weiter. Dies und weitere Aspekte rund um die ESD, deren klinische Anwendung und therapeutischen Optionen, werden in Kürze auch auf der Fachtagung "Viszeralmedizin 2011" vom 14. bis 17. September in Leipzig erörtert.