Trotz Fortschritten in der Apparatemedizin gehört die Sepsis immer noch zu den Erkrankungen mit schlechter Prognose. Da bei ihrer Diagnose zu viel Zeit vergeht, stirbt jeder dritte Patient daran. Forscher wollen mit neuem Verfahren die Sepsis-Diagnose beschleunigen.
Der septische Schock ist ein alltägliches Szenario in deutschen Kliniken: Jeden Tag erliegen in Deutschland rund 150 Menschen an dieser schweren Form von Blutvergiftung. Am Anfang der Erkrankung steht eine meist relativ harmlose Infektion. Bakterien oder Pilze dringen in den Körper ein und setzen sich dort fest. Nicht immer gelingt es den körpereigenen Abwehrtruppen, die feindlichen Keime zu vernichten. Dann breiten sich deren Giftstoffe über den ganzen Körper aus und eine Sepsis entsteht. Das geschieht häufig, wenn die Abwehrkräfte ohnehin geschwächt sind: bei älteren Menschen oder nach einer schweren Operation. Zudem verstreicht meist zu viel wertvolle Zeit, bis die Erreger und deren Resistenzen gegen Medikamente identifiziert werden, entsprechend hoch ist die Sterberate der Sepsis-Patienten.
Wissenschaftler der Universität Jena haben nun eine neue Methode entwickelt, mit deren Hilfe Ärzte zukünftig die Ursache für eine Sepsis schneller als bisher feststellen könnten. „Momentan bekommen Ärzte die Information, um welchen Erreger es sich handelt, häufig viel zu spät“, berichtet Professor Michael Bauer, Sprecher des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums „Sepsis und Sepsisfolgen“ am Jenaer Uniklinikum. Für Sepsis-Patienten hat das fatale Folgen: Denn, so Bauer, jede Stunde, die verstreiche, ohne dass die zugrunde liegende Infektion adäquat behandelt werde, erhöhe das Sterberisiko bei Sepsis-Patienten um sieben bis zehn Prozent.
Gezielter Angriff verhindert Resistenzbildung
Auch die derzeit gängige Praxis, bei Verdacht auf eine Sepsis auf Nummer sicher zu gehen und sofort Breitspektrum-Antibiotika zu verabreichen, stößt an ihre Grenzen: „Immer mehr Erreger sind gegen viele Standardpräparate resistent“, sagt Bauer. „Wir brauchen deshalb unbedingt diagnostische Verfahren, die es uns gestatten, mit spezifisch wirksamen Medikamenten rasch gegen den jeweiligen Keim vorzugehen und ihn gezielt zu vernichten, um der Entwicklung von Resistenzen vorzubeugen.“
Um dieses ehrgeizige Vorhaben verwirklichen zu können, arbeitet Bauer seit einiger Zeit mit Forschern um Professor Jürgen Popp vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Jena zusammen. Nun trägt die Kooperation ihre ersten Früchte. Mit einem aus mehreren Modulen aufgebauten Analysegerät ist es den Jenaer Wissenschaftlern gelungen, binnen kurzer Zeit einzelne pathogene Keime zu identifizieren, die aus dem Blut von Sepsis-Patienten stammen. Die Untersuchung erfordert nur wenige Handgriffe: Zuerst müssen die Forscher die Blutproben verdünnen und so auf spezielle Teststreifen auftragen, dass die Keime einzeln auf dem Trägermaterial vorliegen.
Laser trifft auf Keime
Der Streifen wird dann in das tragbare Gerät eingelegt und dort mittels der so genannten Raman-Spektroskopie untersucht. Ein Mikroskop bestimmt dabei die genaue Position der Keime auf dem Teststreifen. Anschließend werden die Keime nacheinander von einem Laser bestrahlt. Dessen Licht tritt in Wechselwirkung mit den Molekülen, aus denen jeder einzelne Erreger aufgebaut ist, und wird in alle Richtungen gestreut. Mit einem Spektrometer lässt sich das Streulicht analysieren. „Es enthält neben der Hauptspektrallinie, die vom eingestrahlten Licht selbst stammt, weitere Banden mit einer größeren Wellenlänge“, sagt Popp, der Lehrstuhlinhaber am Institut für Physikalische Chemie ist.
Die Banden entstehen, wenn die Photonen auf die Moleküle des Erregers treffen und diese in Schwingung versetzen, indem ein Teil ihrer Energie auf die Moleküle übertragen wird. Die gestreuten Lichtquanten sind dann um diesen Energiebetrag ärmer und entsprechend langwelliger. Der Vorgang ist unabhängig von der Wellenlänge des eingestrahlten Lichts und charakteristisch für den betreffenden Keim. Das Raman-Spektrum, so Popp, stelle somit eine Art optischer Fingerabdruck des Keims dar und erlaube durch einen Abgleich mit einer speziellen Datenbank dessen genaue Identifizierung.
Einfache Handhabung
Noch befindet sich das Gerät in der Erprobungsphase: „Mittlerweile können wir anhand der Spektren schon unterschiedliche Stämme einer Bakterienart voneinander unterscheiden“, sagt Popp. „Im nächsten Schritt wollen wir unsere Methoden so verfeinern, dass wir mit ihrer Hilfe auch Antibiotikaresistenzen erkennen.“ Das Gerät sei so aufgebaut, dass es auch von nicht molekularbiologisch geschultem Personal bedient werden könne, was im Notfall ebenfalls zur Beschleunigung der Sepsis-Diagnose beitrage. Popp hofft, dass der neue Sepsis-Test in fünf bis acht Jahren in Krankenhäusern zum Einsatz kommen kann.