Ob in Farben und Lacken oder als UV-Blocker in Sonnenschutzmitteln: Nanopartikel sind allgegenwärtig. Ihre Auswirkungen auf die Gesundheit allerdings weitgehend unerforscht. Jetzt fanden Forscher heraus, dass Nanopartikel die Herzfunktion beeinflussen.
Künstliche Nanopartikel sind in der Medizin und Industrie immer gefragter. Millionen Tonnen von Stoffen wie Titandioxid werden jährlich eingesetzt, etwa um Farben reiner und brillanter wirken zu lassen. In der Medizin dienen Nanopartikel als Transportvehikel, um Wirkstoffe an ihren Bestimmungsort im Körper, z.B. einen Tumor, zu bringen. Die kleine Größe der Teilchen mit nur 14 Nanometern Durchmesser und die große Oberfläche machen die Stoffe attraktiv und vielseitig einsetzbar. Beispiel:
Bekannt ist bereits, dass kleinste Partikel in Feinstaub die Gefäße und das Herzkreislaufsystem schädigen, auch bei Mengen, die unterhalb akzeptierter Werte liegen. Doch auch Nanopartikel beeinflussen das Herz, ergab nun eine Studie von Professor Reinhard Nießner und Mitarbeitern der Technischen Universität und des Helmholtz Zentrums in München. Anhand eines Modells, dem Langendorff Herz – ein von Nagetieren isoliertes, schlagendes Herz, das mit einer Nährlösung anstatt von Blut durchspült wird – konnten sie erstmals Reaktionen des Herzens auf verschiedene Nanopartikel zeigen.
Noradrenalin bringt Herz in Aufruhr
Flammrußpartikel, funkengenerierter Kohlenstoff, Titandioxid und Siliziumdioxid ließen die Herzfrequenz um bis zu 15 Prozent ansteigen, wenn die Partikel das Herz durchflossen. Herzrhythmusstörungen, die Elektrokardiographien (EKG) aufzeigten, verschwanden auch nach der Exposition mit den Nanopartikeln nicht. Die Herzreaktionen waren sowohl vom Material als auch von der Dosis der Nanopartikel abhängig.
Den Ursachen der Reaktionen sind die Forscher auf der Spur. Ein erweiterter Versuchsaufbau ermöglichte die Analyse von Stoffen oder Botenstoffen, die das Herz nach Zurückfließen der Spüllösung in den Kreislauf ausschüttet, also nach der Herzpassage. Zugrundeliegende Reaktionen ließen sich auf diese Art rekonstruieren. Die Forscher vermuten, dass der Neurotransmitter Noradrenalin für die Wirkung am Herzen verantwortlich ist. Der Nervenüberträgerstoff wird ja normalerweise ausgeschüttet, wenn eine erhöhte Leistungsbereitschaft des Herzens verlangt ist oder bei Stress. Da Noradrenalin auch im zentralen Nervensystem wirkt, lässt eine vermehrte Ausschüttung bei Kontakt mit Nanopartikeln vermuten, dass die Stoffe nicht nur das Herz potentiell schädigen können.
Keine Risikobewertung möglich
Die ungewissen Wirkungen auf den Menschen und die Umwelt hindern leider nicht am Vorantreiben der Nanotechnologie und dem jährlich zunehmenden Einsatz von Stoffen, über die man zu wenig weiß. Auch das Bundesumweltamt stellt fest, dass über die Risiken wenig bekannt ist und sieht seine Aufgabe in der Klärung dieser. Gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beurteilte das Amt letztes Jahr etwa ein mögliches Krebsrisiko durch Nanopartikel. Demnach gibt es Hinweise vor allem aus Tierversuchen auf eine krebserregende Wirkung inhalierter einzelner Substanzen wie Titandioxid, doch ist die Datenlage bislang nicht ausreichend, um eine Risikoeinschätzung vornehmen können. Auch zur Freisetzung von Nanopartikeln aus Produkten und damit zur Exposition sind keine zuverlässigen Aussagen möglich. Ebenso fehlt eine zuverlässige Messtechnik.
Insofern ist die Untersuchung am Herzmodell ein großer Fortschritt, denn es lassen sich nun die Auswirkungen von Nanopartikel an einem ganzen, isolierten, funktionsfähigen Organ untersuchen, ohne dass andere Organsysteme stören, so die Forscher. Dabei ist das Organ Herz besonders gut geeignet, denn es hat einen eigenen Impulsgenerator und kann unabhängig vom Körper einige Stunden funktionieren. Herzfrequenz und EKG zeigen zuverlässig Veränderungen der Herzfunktion an. Warum einige Nanopartikel das Herz beeinflussen und andere nicht soll Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. So könnte etwa der Herstellungsprozess eine bedeutende Rolle spielen.
„Trotz der Unsicherheiten sind die bisherigen Befunde zum karzinogenen Potential von Nanomaterialien ernst zu nehmen, und Maßnahmen zur Expositionsminimierung sollten mit einer umfassenden und aussagekräftigen toxikologischen Methodenentwicklung und Prüfung nanostrukturierter Materialien unter Berücksichtigung aller in Frage kommender Expositionspfade Hand in Hand gehen“, heißt es in der Stellungnahme des BfR und Umweltbundesamtes.