Die gesetzliche Altersvorsorge reicht für einen sorgenlosen Ruhestand nicht mehr aus. Ab dem 1. Januar 2012 soll sich das ändern: In den meisten Kammerbezirken greift dann ein Tarifvertrag, der Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) bei einer Entgeltumwandlung vorsieht. Doch Nordrheins Arbeitgebervertretung lehnt die tarifliche Regelung ab.
Arm im Alter: Laut Rentenversicherungsbericht erhalten Ruheständler bis 2020 lediglich 47 Prozent des durchschnittlichen Netto-Lohns, in 2009 gab es immerhin noch 52 Prozent. Nun hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgerechnet, dass bei geringen Einkommen die Taschen am Ende der beruflichen Phase bei vielen Angestellten recht leer sind. Versicherungsmathematiker verwenden dazu so genannte Entgeltpunkte: Neben dem Gehalt gehen hier auch etwaige Erziehungszeiten mit ein. Für einen dieser begehrten Punkte war 2009 ein Bruttojahresgehalt von mindestens 30.625 Euro erforderlich. Um nach Ende der beruflichen Phase 684 Euro pro Monat zu erhalten, das entspricht der Grundsicherung, braucht es 29 Entgeltpunkte. Damit wäre bei einer Tätigkeit mit 38,5 Stunden pro Woche ein Stundenlohn von etwa zehn Euro notwendig.
Arme Apothekenangestellte
Betroffen sind im Apothekenbereich vor allem Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte: Sie verdienen laut Tarifvertrag maximal 1.973 Euro brutto pro Monat, also 25.649 Euro bei 13 Gehältern – ein Wert, der deutlich unter dem Sockelbetrag liegt. Aber auch Pharmazeutisch-technische Assistenten bis zum 14. Berufsjahr kommen auf ein niedrigeres Salär. Und natürlich haben die vielen Teilzeitkräfte ihre liebe Not, ausreichend Entgeltpunkte anzusammeln. Private Altersvorsorge ist erforderlich – vorausgesetzt, man kann Geld auf die hohe Kante legen.
„Diese Betrachtung vernachlässigt allerdings die zusätzliche Altersvorsorge zum Beispiel über einen Riester-Vertrag, mit der eine deutlich höhere Gesamtversorgung erzielt werden kann“, schreibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einer Stellungnahme. Wirklich eine Option für alle Angestellten? „Ich bezweifle stark, dass Kolleginnen und Kollegen, die sich zeitlebens am Existenzminimum befinden, viel Geld in Riester-Produkte oder ähnliches stecken können“, so Tanja Kratt, Zweite Vorsitzende von ADEXA. Auch für eine vom Mitarbeiter selbst bezahlte betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung bleibe oft wenig oder gar nichts übrig.
Zuschuss vom Chef
Das soll sich bald ändern: Ab dem 1. Januar 2012 greift in allen Kammerbezirken außer Nordrhein und Sachsen ein neuer Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge. Theo Hasse, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA) sowie die ADEXA-Vorsitzenden Barbara Neusetzer und Tanja Kratt bewerteten den Abschluss als „zukunftsweisend in Anbetracht des demographischen Wandels und der Zukunftsängste vieler Mitarbeiter“. Neben der schon länger bekannten steuerlich begünstigten Entgeltumwandlung durch Arbeitnehmer sieht die tarifliche Vereinbarung erstmals einen Arbeitgeberbeitrag vor. In den Genuss kommen alle Angestellten, außer Pharmazeuten im Praktikum und PTA-Schülern. PKA-Auszubildende erhalten den Bonus nach Ende ihrer Probezeit von maximal vier Monaten. Einzige Voraussetzung für den Anspruch: Arbeitgeber müssen im ADA und Angestellte bei ADEXA organisiert sein. Diese tarifgebundenen Arbeitnehmer erhalten je nach Arbeitszeit vom Apothekenleiter folgenden Betrag:
• bei mehr als 30 Stunden pro Woche 27,50 Euro monatlich, • bei mehr als 20 Stunden pro Woche 22,50 Euro monatlich, • bei mehr als 10 Stunden pro Woche 15,00 Euro monatlich, • bei maximal 10 Stunden pro Woche 10,00 Euro monatlich. • PKA-Azubis bekommen 10,00 Euro monatlich.
Hinzu kommt ein 20-prozentiger Zuschuss der Apothekenleitung, wenn ein Mitarbeiter Teile seines Gehalts umwandeln will. Dazu gibt es auf dem Kapitalmarkt entsprechende Lebensversicherungen, die Apothekenleiter zugunsten der Arbeitnehmer abschließen. Keine Sorge vor Bankenpleiten oder Börsencrashs: Alle vertraglich vereinbarten Leistungen werden vom gesetzlichen Sicherungsfonds garantiert, lediglich eine mögliche Beteiligung an Überschüssen ist unverbindlich.
Zahlen – Daten – Fakten
Wandeln Arbeitnehmer beispielsweise 100 Euro vom Bruttolohn um, erhalten sie 20 Prozent, also 20 Euro Zuschuss vom Chef – dies entspricht den eingesparten Sozialabgaben. Der festgelegte Arbeitgeber-Betrag je nach Arbeitszeit kommt noch hinzu. Das macht bei mehr als 30 Stunden pro Woche 27,50 Euro aus. Für Arbeitnehmer liegt der Nettoaufwand durch die eingesparten Steuern und Sozialabgaben nur bei rund 50 Euro. In Summe wandern aber 147,50 Euro in die Direktversicherung. Wird ein entsprechender Vertrag etwa im Alter von 30 Jahren abgeschlossen, erhalten die Versicherten mit 67 Jahren eine garantierte, lebenslange Monatsrente von 335 Euro oder eine garantierte Kapitalabfindung von 92.933 Euro. Erfahrungsgemäß fallen die Werte aufgrund der Überschussbeteiligung deutlich höher aus. Trotz der tariflichen Regelungen ist jedoch niemand gezwungen, Gehaltsumwandlung zu betreiben; man kann auch lediglich den Arbeitgeberbeitrag in einen Vorsorgevertrag investieren.
„Bevormundung der Arbeitgeber“
Das ganze Thema stößt der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter (TGL) in Nordrhein sauer auf: „Durch ADEXA und Heerscharen von Versicherungsvertretern wird uns suggeriert, die betriebliche Altersversorgung sei etwas Neues“, heißt es in einer Stellungnahme. Bereits 2002 hat der Staat eine Umwandlung von Teilen des Entgelts ermöglicht, und Arbeitgeber könnten die eingesparte Sozialversicherung als Zuschuss gewähren. Man drohe mit Klage, warne vor Haftungsrisiken und unterstelle Apothekenleitern mangelnde Fürsorge für ihre Mitarbeiter. Jedoch beziehe sich das zu Grunde liegende Urteil des Bundesarbeitsgerichts lediglich auf falsche Auskünfte eines Arbeitgebers. Vielmehr müssten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Beginn des Arbeitsverhältnisses erst eine Vereinbarung treffen, betont die TGL-Vorsitzende Dr. Heidrun Hoch. Bis dahin sei der Apothekenleiter zu nichts verpflichtet.
Hoch lehnt eine betriebliche Altersvorsorge nicht generell ab, wehrt sich jedoch gegen eine „Bevormundung der Arbeitgeber“. Vielmehr mache sich die TGL schon lange für Entgeltumwandlungen oder Leistungszuschläge nach dem Motto „Mehr Netto vom Brutto“ stark. „Wir empfehlen unseren Mitgliedern im konkreten Fall, die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung entstehende Ersparnis an Sozialversicherungsbeiträgen, das heißt die eigene Entlastung an die Mitarbeiter weiterzugeben beziehungsweise auszuzahlen, gleichgültig, ob es sich um tarifliche oder übertarifliche Gehälter handelt. So profitieren alle davon.“
Tanja Kratt hält dagegen: „Gerade der Arbeitgeberbeitrag sorgt dafür, dass Mitarbeiter eine zusätzliche Altersabsicherung realisieren können, auch wenn das Gehalt nicht für die Entgeltumwandlung ausreicht.“ So zeigen Zahlen der Treuhand, dass derzeit noch nicht einmal jeder fünfte Apothekenangestellte über eine betriebliche Altersvorsorge verfügt – der Bedarf wäre also da. Ein weiteres Problem: „Viele Frauen arbeiten in Teilzeit und erreichen nie und nimmer die erforderlichen Rentenpunkte, um zumindest eine Grundsicherung zu bekommen“, so Kratt.