Colon-Hydrotherapien werden in der Alternativmedizin angeboten. Massen an Wasser oder andere Produkte sollen den Darm reinigen und der Regeneration des Darms dienen. Forscher warnen: Anwender steigern nicht ihr Wohlbefinden, sondern schaden sich selbst.
„Zusammen mit Ihrem Therapeuten haben Sie Ihre Lebensweise umgestellt und eine Hydrocolon-Therapie zur Regeneration und Entschlackung sowie zum Training des Darms durchgeführt“, heißt es auf der Internetpräsenz einer Ärztin, die nicht nur Leistungen der Allgemeinchirurgie anbietet, sondern auch in allerlei alternativen Heilmethoden sowie ästhetischen Operationen und Maßnahmen firm ist. Eine interessante Mischung. Zu den Nebenwirkungen der Behandlung heißt es „Nebenwirkungen sind gut beherrschbar und nicht gefährlich…“
Darmreinigung: Kein Nutzen, möglicher Schaden
Weniger verharmlosend beschreiben das die Autoren einer Reviewarbeit mit Prüfung von 20 Studien der vergangenen zehn Jahre und Fallbeschreibungen im Journal of Family Practice. Sie meinen, Anwender des Verfahrens sollten nicht glauben, sie verbesserten mit der Maßnahme ihren Gesundheitszustand oder ihr Wohlbefinden, sondern sie müssten mit Nebenwirkungen rechnen, die sogar nachhaltige Konsequenzen haben könnten. Im Übrigen sei der Nutzen dieser Behandlung nicht bewiesen.
Anhand von zwei Fällen beschreiben Ranit Mishori und Kollegen der Georgetown University School of Medicine in Washington mehr oder weniger schwere Nebenwirkungen nach Darmreinigungsmaßnahmen. Zugegeben, zu 100 Prozent auf Deutschland übertragen lassen sich die Fälle vielleicht nicht. Denn in den USA gibt es der Mode folgend sogenannte „Cleansing Center“ zur Darmreinigung, die sicher nicht immer über die nötigen medizinischen Voraussetzungen und Kenntnisse verfügen - und auch nicht kontrolliert werden.
Fall 1: Junge Frau mit Morbus Crohn
Eine 31-jährige Frau mit bekanntem Morbus Crohn, bei der seriöse Anbieter eher von der Prozedur absehen würden, stellte sich in einer Notfallabteilung vor. Sie litt seit einer Darmreinigung vor zwei Tagen unter Übelkeit, Erbrechen und wässrigen Diarrhoen. Vor fünf Jahren war eine partielle Kolonektomie durchgeführt worden. Die Darmreinigung musste aufgrund von Krämpfen bereits nach 15 Minuten abgebrochen werden.
Der Serum-Kaliumwert war mit 2,9 mEq/l erniedrigt, der Harnstoff-Stickstoff leicht erhöht, der Kreatininwert mit 1,9 mg/dl erhöht. Bei afebriler Körpertemperatur betrug der Blutdruck 135/75 mmHg, die Herzfrequenz 113 pro Minute. Nach der Verabreichung von zwei Litern Kochsalz und 90 mEq Kaliumchlorid fühlte sich die Patientin besser und wurde entlassen. Drei Tage später bestanden noch immer Stuhlunregelmäßigkeiten und Bauchkrämpfe. Vitalzeichen und körperliche Untersuchung ergaben aber keine Auffälligkeiten. Bei einer normalen Ernährung nach Verträglichkeit und erhöhter Trinkmenge verschwanden die Beschwerden nach vier Tagen.
Fall 2: 49-jähriger gesunder Mann
Der Mann afroamerikanischer Herkunft litt seit vier Tagen unter Erbrechen, wässrigen Diarrhoen und Bauchkrämpfen. Er glaubte sich mit einem umfangreichen Fastfood-Frühstück und folgenden Mittagessen den Magen verdorben zu haben. Einige Tage zuvor hatte er sich einer Darmreinigung unterzogen. Der Mann hatte in zehn Tagen zwölf Pfund Gewicht verloren. Serumwerte für Kalium waren wie in erstem Fall erniedrigt, der Kreatininwert mit 2,1 mg/dl erhöht. Das Abdomen-CT offenbarte eine milde bis mäßige Dilatation vieler kleiner Darmschlingen mit Luft-Flüssigkeitsspiegeln, verdächtig auf frühe und kleine Darmobstruktionen. Chirurgische Maßnahmen waren nicht nötig. Nach zwei Tagen konnte der Patient entlassen werden, stellte sich jedoch weitere drei Tage später mit ähnlichen Symptomen, dazu starker Schwäche und Schwindel, erneut vor.
Jetzt betrug der Kaliumwert nur noch 2,4 mEq/l, der Kreatiininwert 4,0 mg/dl. Die Aspartat-Aminotransferase betrug 29 U/l, die Alanin-Aminotransferase 80 U/l. Lipase und Amylase waren mit 418 und 94 U/l ebenfalls stark erhöht. Die Kolonoskopie mit Biopsie ergab akute und chronische Entzündungen. Der Gastroenterologe diagnostizierte eine Vergiftung mit pflanzlichen Wirkstoffen. Nach Rehydrierung und Elektrolytersatz konnte die Nahrung langsam aufgebaut und der Patient nach fünf Tagen entlassen werden.
AMA: Warnung bereits im Jahr 1919
Potentielle Nebenwirkungen von Darmreinigungsprozeduren sind demnach Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Schwindel und Dehydratation. Seltener, aber wesentlich schlimmer, sind Elektrolytstörungen, akute Niereninsuffizienz und -versagen, Pankreatitis, Darmperforationen, Herzversagen und Infektionen. Einige pflanzliche Produkte sind mit dem Auftreten von aplastischer Anämie und Lebertoxizität assoziiert.
Die American Medical Association verurteilte die zugrundeliegende Theorie der „Autointoxikation“ und die verschiedenen Methoden der Darmreinigung bereits 1919. Eine Modewelle ebbte ab. Doch in den letzten Jahren feiert die Darmreinigung ein gefährliches Comeback. Neben verschiedenen Präparaten zur Selbstreinigung zuhause gibt es in den USA immer mehr „Hydrotherapeuten“ und Services, die sich ganz auf den sauberen Darm spezialisiert haben. Die Food and Drug Administration (FDA) verlangt zwar eine Kennzeichnung der Produkte als Nahrungsergänzungsmittel und dass Geräte zur Darmreinigung verschiedene Bedingungen erfüllen müssen – geprüft und anerkannt wurde davon jedoch nichts.
Infos vor der Reinigung
Damit Darmreinigungsinteressierte aber nicht ganz blauäugig zu Maßnahmen greifen, die sie später vielleicht bereuen, listen die Autoren des Berichts vier Dinge, die man wissen sollte:
Die Meinung von Mishori: Wohlbefinden ist mit anderen Maßnahmen wesentlich besser erreichbar: Bewegung, ausreichender Schlaf, eine gesunde Ernährung etwa mit einer bilanzierten Diät sowie regelmäßige Arztbesuche.