Eine hohe Staubbelastung oder Zigarettenrauch galten bisher als Ursache der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Doch es wird deutlich, dass spezielle Immunzellen das Lungengewebe der Patienten angreifen und das Fortschreiten der Krankheit beschleunigen.
Husten, vermehrter Auswurf und Atemnot bei Belastung sind die wichtigsten Anfangssymptome der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es bei den Betroffenen zu einer Verengung der Bronchien und einer immer weiter fortschreitenden Schädigung des Lungengewebes. Dabei können sich die Lungenbläschen irreversibel überblähen und ein Emphysem entsteht. Die Krankheit, an der in Deutschland bis zu fünf Millionen Menschen leiden, ist eine der häufigsten Todesursachen und bisher besteht keine Möglichkeit, sie dauerhaft zu heilen.
Mittlerweile mehren sich die Hinweise, dass außer Kontrolle geratene Zellen des Immunsystems dafür verantwortlich sind, dass sich das Lungengewebe dauerhaft entzündet und die COPD ihren letztendlich tödlichen Verlauf nimmt. In einer aktuellen Studie gelang es Forschern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, die Rolle der zytotoxischen T-Zellen in diesem Prozess genauer zu beschreiben. Wie die Wissenschaftler um Privatdozentin Dunja Bruder im Journal of Immunology mitteilen, scheint es mehrere Mechanismen zu geben, die die zerstörerischen Immunzellen in Schach halten könnten.
Präsentation der Antigene aktiviert Immunzellen
„Rauchen oder eine starke Staubbelastung sind der erste Schritt, um ein entzündliches Umfeld in den Lungenbläschen zu schaffen, sagt Bruder. „Wenn die Entzündung fortschreitet, sterben immer mehr der beschädigten Zellen ab und setzen Antigene frei.“ Diese Antigene würden, so die Wissenschaftlerin, von speziellen Immunzellen eingefangen und in die benachbarten Lymphknoten transportiert. Dort kann die Präsentation der Antigene dazu führen, dass zytotoxische T-Zellen aktiviert werden und nach ihrer Vermehrung dann irrtümlicherweise das körpereigene Lungengewebe angreifen. Dieser Prozess, so Bruder, sei typisch für Autoimmunerkrankungen und laufe unabhängig von der Schadstoffexposition weiter ab.
Um das Verhalten der zytotoxischen T-Zellen genauer zu verstehen und in das fehlgeleitete Immunsystem eingreifen zu können, simulierten Bruder und ihre Mitarbeiter das Geschehen in Mäusen. Die genetisch veränderten Tiere tragen einen Baustein des Grippevirus auf der Oberfläche der Lungenbläschen. Zusätzlich besitzen sie zytotoxische T-Zellen, die das Virusmolekül spezifisch erkennen und die Lungenzellen angreifen. „Schon kurz nach der Geburt entwickelten die Tiere eine heftige Lungenentzündung, die durch diese Immunzellen ausgelöst wird“, berichtet Bruder. „Ihre Lungenfunktion war deutlich beeinträchtigt.“ Allerdings stabilisierte sich die Entzündung nach drei Wochen und der Zustand der Mäuse verschlechterte sich nicht weiter.
Nur wenige Immunzellen greifen Lungengewebe an
Aus den entzündeten Lungen isolierten die Forscher die zytotoxischen T-Zellen, um sie im Labor zu untersuchen. Das Ergebnis überraschte das Team um Bruder: Viele dieser Immunzellen im entzündeten Gewebe sind gar nicht an der Zerstörung der Lungenzellen beteiligt. „Es befinden sich kaum noch neu aktivierte zytotoxische T-Zellen im entzündeten Gewebe“, so die Wissenschaftlerin. Nur wenige Zellen haben eine Reaktion gezeigt – dafür aber umso heftiger und mit fatalen Folgen für das Lungengewebe. Bruder: „Solange das Immunsystem nach der Geburt noch nicht ausgreift ist, findet eine massive Rekrutierung von zytotoxischen T-Zellen statt.“ Dann stelle sich ein Gleichgewicht ein.
Welcher Kontrollmechanismus die fälschlich aktivierten Immunzellen zurückdrängt, ist noch unklar. Der Verdacht, dass regulatorische T-Zellen dafür verantwortlich sein könnten, bestätigte sich nur teilweise. Normalerweise haben diese Zellen die Aufgabe, andere übermäßig aktive Immunzellen Einhalt zu gebieten. „Wenn diese Kontrolle ausfällt, kann es passieren, dass das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen vorgeht und Autoimmunkrankheiten die Folge sind“, erklärt Bruder.
Infektionskrankheiten verschlimmern COPD
Zurzeit versuchen die Braunschweiger Forscher herauszufinden, welcher zusätzliche Mechanismus die Aktivierung weiterer zytotoxischer T-Zellen verhindert. Außerdem wollen sie untersuchen, welchen Einfluss Infektionskrankheiten auf das entzündete Lungengewebe ausüben. „Atemwegsinfektionen führen bei COPD-Patienten oft zu einer deutlichen Verschlechterung der Erkrankung“, sagt die Wissenschaftlerin. Auch wenn die Forscher mit ihren Experimenten schon einigen molekularen Details der Immunaktivierung auf die Schliche gekommen sind, sollte man nach Ansicht von Bruder die mit Mäusen erzielten Ergebnisse nicht eins zu eins auf COPD-Patienten übertragen: „Wir wissen noch nicht, wie groß der Anteil der zytotoxischen T-Zellen bei den Patienten ist. Außerdem findet bei diesen im Gegensatz zu den Mäusen eine permanente Aktivierung der Immunzellen statt, da sie sich immer wieder den toxischen Substanzen aussetzen.“
Andere Experten wie Professor Jan Buer, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Essen, überzeugt der tierexperimentelle Ansatz der Braunschweiger Arbeitsgruppe: „Es ist ein gutes Modell, um die Aktivierung der zytotoxischen T-Zellen zu untersuchen und wie man diese regulieren könnte“, sagt Buer. „Mit Hilfe solcher speziell gezüchteten Mäuse lassen sich neue Strategien zur Bekämpfung der COPD erproben.“ Denn je besser man die dieser Krankheit zugrunde liegenden Mechanismen verstehe, findet Buer, desto gezielter könne man in das Immunsystem der Patienten eingreifen und das zerstörerische Wirken der zytotoxischen T-Zellen unterdrücken.