In Irland ist alles ein bisschen anders: die Krankheiten, das Gesundheitssystem und die Arbeitskleidung. Famulieren in einem Land voll ungebändigter Natur, unbeständigem Wetter und ungebremsten Alkoholkonsum.
Die Vorbereitungen auf meine 1-monatige Famulatur in Dublin beginnen bereits 1 Woche vorher in Deutschland: beim Herrenausstatter. Genau wie im gesamten angelsächsischen Raum wird in irischen Krankenhäusern Hemd und Krawatte getragen. Ohne Kittel. Das Stethoskop lässig um den Hals, eine halbe Zettelwirtschaft in den Anzughosentaschen. Die Damen teilweise auf hohen Schuhen und mit Handtaschen, schließlich haben die Kleider und Röcke, die nicht so aussehen als würde man sie problemlos reinigen können, keine Taschen. Und so kommt es, dass ich mich bei meiner ersten Frühbesprechung in der Gastroenterologie fühle wie bei einem Opernbesuch. Auch meine vorherigen Befürchtungen, dass die Krawatte immer ins Krankenbett hängen würde, bestätigen sich.
Risikofaktoren wohin das Auge sieht
Genau wie bei meiner vorherigen Famulatur in Spanien, handelt es sich bei Irland um ein schwer von der Wirtschaftskrise gebeuteltes Land. Mit einer hohen Arbeitslosigkeit und damit schlechter wirtschaftlicher Stimmung. Kulturell, aber auch durch die derzeitige Situation bedingt, greifen die Iren gerne zur Flasche oder genauer zum Pint. Auch vor allen anderen erdenklichen Risikofaktoren wird nicht halt gemacht. Rauchen, Trinken und schweres ungesundes Essen sind elementare Bestandteile der Kultur. Hinzukommt ein relativ kleiner Genpool, der eine hohe Inzidenz an erblicher Hämochromatose, etwa einem Prozent, mit sich bringt. Fast alle sind mindestens heterozygot und trinken darauf noch ordentlich Alkohol. Neben den alkoholischen Zirrhosen, Fettlebern und Hepatitiden sind also auch Haemochromatosen und Primär-Billiäre-Zirrhosen an der Tagesordnung. Beides Erkrankungen, die ich dort zigfach sehen, und in Deutschland fast noch nie erleben durfte.
Land und Leute
Neben der Famulatur blieb aber auch noch genügend Zeit das Land zu erkunden. Irland ist genau wie man es sich vorstellt. Grüne Hügel, Klee, Schafe, raue Natur, wechselhaftes Wetter und gutes Bier und Whisky. Insgesamt aber sehr provinziell. In Irland leben lediglich 4 Millionen Menschen. 1 Million davon im Großraum Dublin, das trotz eines internationalen und künstlerischen Flairs, sehr überschaubar ist für eine Hauptstadt. Außerhalb von Dublin gibt es fast nur noch Dörfer und eine Hand voll Kleinstädte, weshalb die Iren für einen Krankenhausbesuch fast immer in die Großstadt kommen. Das Gesundheitssystem ist größtenteils staatlich finanziert. Zur Unterstützung des auf die Städte konzentrierten Krankenhaussystems gibt es tatsächlich sogenannte „Rolling Clinics“. Fast wie in Mittelamerika.
Ausgepräge Hierarchien
Die Hierarchien im Krankenhaus entsprechen in etwa dem in Großbritannien. An unterster Stufe stehen die Interns, praktisch so etwas wie PJler, die zwar schon Ärzte sind, aber frisch von der Uni kommen und die komplette Station schmeißen, den SHOs (Senior House Officers), so etwas wie Assistenzärzten, den Registrars, die etwa den Fachärzten entsprechen und an oberster Stellen den Consultants. Alle Mitglieder dieses Teams, außer den Consultants, rotieren einmal im Jahr auf eine andere Station, oft sogar in ein anderes Krankenhaus. Das passiert immer am gleichen Tag, wodurch das Chaos komplett ist. An einem einzigen Tag im Jahr wird praktisch das gesamte Team ausgetauscht und eine Schar von neuen Ärzten kommt auf die Stationen, die sich überhaupt nicht auskennen und teilweise noch nicht mal wissen wie man ein Röntgenbild anmeldet.
In der Rolle als Student in einem „Clinical Elective“ ist man in der Hierarchie nicht so viel wert. Famulaturen sind in Irland nicht obligatorisch, sämtliche Studenten, die man dort im Krankenhaus trifft, sind also rein freiwillig da. Deshalb wird einem meist geraten, früh nach Hause zu gehen und den Feierabend zu genießen. Teachings gibt es nur sehr selten und praktisch machen darf man fast nichts. Wirklich viel lernen kann man eigentlich nur in den Sprechstunden, bei denen die Ärzte auch mal Zeit haben, einem etwas zu erklären. Arbeitsbedingungen
Ganz im Gegensatz zu Spanien ist der Stationsalltag zeitlich intensiv und anstrengend. Regelhaft muss nach dem Nachtdienst noch ein Dienst bis Nachmittags gemacht werden. Der sogenannte post-call. Auffallend groß ist auch die Anzahl der irischen Ärzte, die zum Arbeiten ins Ausland, zum Beispiel nach Australien, gehen. Dort finden sie ein fast identisches System, aber dafür viel entspanntere Arbeitsbedingungen bei vergleichbarem Gehalt vor. Ärztemangel ist also auch in Irland ein Stichwort, dem viele Ärzte aus dem Ausland nachkommen. Vor allem aus Indien und Pakistan, aber auch aus Deutschland. Die Arbeitszeiten sind mit den deutschen vergleichbar, das Gehalt etwas besser und der Stationsalltag unbürokratischer.
Fazit
Eine Famulatur in Irland zu machen ist absolut zu empfehlen. Gerade auch um das englischsprachige System kennen zu lernen und seinen Horizont zu erweitern. Dazu kommt ein extrem lebenswertes Land mit wunderschöner Natur und vielen Freizeitmöglichkeiten. Der Standard der medizinischen Versorgung ist in den meisten Fällen mit dem deutschen zu vergleichen. Wenn man allerdings viel praktisch lernen möchte, ist man wohl in Deutschland besser aufgehoben.