In einem Laden im Süddeutschen wurden erneut scheinbar harmlose Potenzpillen sichergestellt, die Behördenangaben zufolge gefährliche Inhaltsstoffe enthielten. Die Gesundheitsministerien warnen, können sonst aber nur wenig tun.
Schon die Namen sollten eigentlich misstrauisch machen. Wer in einer Drogerie oder einem Fitnessstudio pflanzliche Potenzmittelchen angeboten bekommt, die „POWER tabs“ oder „iErect“ heißen, der ist in Zeiten von Viagra, Cialis und Co. eigentlich selbst schuld, wenn er sie schluckt. Dass es sich dabei möglicherweise nicht um rein pflanzliche Präparate handelt, auch wenn das so ausgewiesen ist, auf diese Idee könnte man zumindest kommen.
Wo Pflanze drauf steht ist nicht (nur) Pflanze drin
Einigen Lebensmittelüberwachungsbeamten in Bayern jedenfalls kamen die beiden Potenzfliegen spanisch vor. Sie beschlagnahmten die Präparate bei Routinekontrollen in einem nicht näher bezeichneten Laden und ließen sie analysieren. Tatsächlich fanden sie dabei eine ganze Menge pflanzlicher Inhaltsstoffe. Was sie aber auch fanden, waren nicht deklarierte Inhaltsstoffe, die mit Pflanzen nun nicht so viel zu tun haben, nämlich Thioaildenafil und Dithio-desmethylcarbodenafil in den „POWER tabs“ und Thiosildenafil in „iErect“. Wie das pharmazeutisch geschulte Ohr anhand des „denafil“ am Ende schon vermutet haben dürfte, sind das Substanzen, die unter Umständen tatsächlich potenzsteigernde Effekte haben könnten. Es handelt sich um Verwandte jener Phosphodiesterase-5-Hemmer, die in den diversen behördlich zugelassen Präparaten gegen erektile Dysfunktion zum Einsatz kommen.
Anders als bei Viagra, Cialis und Co. gibt es zur genauen Wirksamkeit dieser „dreckigen“ PDE 5-Hemmer aber genauso wenig solide Daten wie zur Verträglichkeit und zu möglichen unerwünschten Wirkungen. Nachdem die chemische Struktur der gefundenen Substanzen den PDE 5-Hemmern ähnelt, liegt es nahe, zu vermuten, dass auch die unerwünschten Wirkungen denen ähneln, die bei den zugelassenen PDE 5-Hemmern auftreten können. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) listet in seiner Warnung unter anderem Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schwindel, Hautrötungen, Verdauungsstörungen und Mundtrockenheit auf. „Vor allem bei Patienten, die zugleich Arzneimittel gegen Bluthochdruck oder Herzkrankheit nehmen, besteht erhöhte Gefahr“, so die Behörde.
Nach der Analyse folgt die Versandung
Der Punkt ist natürlich, dass niemand genau sagen kann, in welcher Dosierung die Substanzen in den einzelnen Packungen enthalten sind und ob sich das Wirkprofil nicht graduell von dem der zugelassenen PDE 5-Hemmern unterscheidet. Mit anderen Worten: Wer sich bei Erektionsstörungen zugelassene PDE 5-Hemmer verordnen lässt und sie aus der Apotheke holt, kann sich darauf verlassen, dass das Profil an Wirkungen und unerwünschten Wirkungen genau bekannt ist, und dass Nutzen und Risiko bei der Zulassung abgewogen wurden. Wer „POWER tabs“ oder „iErect“ schluckt, erzielt möglicherweise tatsächlich die gewünschte Wirkung. Er weiß aber nicht, was er sich damit sonst noch erkauft.
Das unbefriedigende an der Episode ist, dass sie über den betroffenen Laden hinaus voraussichtlich keine größeren Konsequenzen haben wird. „Wir analysieren die Inhaltsstoffe im Labor, der Vollzug geschieht dann aber vor Ort. Wie es weitergeht, darüber haben wir im LGL keinen Überblick mehr“, sagte eine Sprecherin der Behörde auf Nachfrage von DocCheck. Das übliche Vorgehen sei, dass die Lebensmittelüberwachungsbeamten zu dem betreffenden Laden gehen und den Besitzer bitten, die Produkte zu entfernen. Mitunter werde noch nachgefragt, ob der Ladenbesitzer Kenntnis darüber habe, dass die Produkte auch an anderer Stelle verkauft werden. Das war es dann aber auch schon. „Die Information wird außerdem weitergegeben an die Arzneimittelüberwachungsbehörden und an andere Lebensmittelüberwachungsbehörden“, so die Sprecherin. Das erklärt die diversen Warnungen aus unterschiedlichen Bundesländern, die in den letzten Tagen öffentlich wurden.
Unkraut vergeht nicht
Tun kann aber niemand etwas, solange die Hersteller nicht zu fassen sind. Und das ist oft der Fall. Bei den „POWER tabs“ nutzt ein (Hersteller?-)Unternehmen namens viamax eine portugiesische Domain. Das müsse aber nichts heißen, denn oft seien das einfach nur Briefkastenadressen, so die Behördensprecherin. Für „iErect“ findet sich zumindest auf Anhieb kein offensichtlicher Hersteller im Internet, wohl aber diverse Bezugsquellen. Im Ergebnis dürften die beiden Präparate demnach über kurz oder lang wieder in Regalen oder unter Ladentheken auftauchen. Im Netz können sie ohnehin bezogen werden. Bei den „POWER tabs“ gab es schon vor drei Jahren eine Analyse der Schweizer Behörden und vor zwei Jahren eine Analyse aus Österreich, die ähnliche Ergebnisse wie die aktuelle Analyse aus Bayern erbrachten. „Was wir zeigen konnten ist, dass die Zusammensetzung etwas anders ist und die Inhaltsstoffe leicht modifiziert wurden“, so die Behördensprecherin. Das allein lässt schon zweifeln, ob irgendwelche Herstellungsstandards beachtet werden. Fazit: Potenz ist und bleibt Sache des Apothekers.