Cannabis auf Rezept, das ist keine Zukunftsmusik mehr. Die eigens dafür gegründete Agentur am BfArM nimmt gerade ihre Arbeit auf und erlebt dabei Überraschendes. Anscheinend will sich keine Firma für die Anbaulizenzen bewerben.
Im März gab die Bundesregierung grünes Licht für Cannabisblüten auf Rezept. Zuvor hatten rund 1.000 Patienten von Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Sonderlizenz erhalten. Experten erwarten steigende Zahlen, können den Bedarf derzeit aber nur schwer abschätzen.
Diese Problematik zeigt sich bei der eigens gegründeten Cannabisagentur am BfArM. Sie will ab 2019 Marihuana in Deutschland anbauen lassen und sucht seit April nach interessierten Firmen mit Expertise. Kürzlich wurde die erste Ausschreibungsrunde beendet. Ziel ist, nach der Anlaufphase in 2021 und 2022 zirka 2.000 Kilogramm Cannabis zu ernten. Rechnet man mit einem Tagesbedarf von einem Gramm Blüten pro Patient und Tag, könnten knapp 5.500 Patienten versorgt werden. Angesichts mehrerer Rückzieher könnte es aber knapp werden.
Entgegen früheren Aussagen wird sich Bionorica nicht an der aktuellen Ausschreibung beteiligen. Noch im Mai erklärte der Vorstandsvorsitzende Professor Dr. Michael Popp gegenüber der Wirtschaftswoche: „Wir haben Interesse daran, Medizinalhanf in pharmazeutischer Qualität in Deutschland anzubauen.“ Jetzt rudert er zurück. Die aktuelle BfArM-Ausschreibung für eine Anbaulizenz habe Cannabisblüten zum Ziel, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. „Die Verschreibung von Cannabisblüten lehnen wir ausdrücklich ab, da deren Dosierung für den Patienten nicht reproduzierbar möglich und für den Arzt nicht steuerbar ist“, heißt es in der Meldung. „Uns ist wichtig, die therapeutische Nutzung deutlich von jedem Freizeitkonsum abzugrenzen.“ Deswegen bewerbe man sich auch nicht um eine Anbaulizenz. Bionorica setzt wie gewohnt auf Dronabinol und hätte deshalb gerne selbst Medizinalhanf angebaut. „Diese Möglichkeit sehen wir jedoch bei der Ausgestaltung der aktuellen Ausschreibung für eine Anbaulizenz nicht“, teilte ein Sprecher mit. Aktuell werde Medizinalhanf von der staatlichen Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) in Wien bezogen. Auf diese Quelle muss Bionorica auch künftig zugreifen.
Ähnliche Signale kommen aus Kanada. „Wir haben uns entschieden, uns nicht auf die Ausschreibung zum Anbau von Medizinal-Cannabis in Deutschland zu bewerben“, sagt Marla Luther, Deutschlandchefin von Tilray, dem Handelsblatt. Ihr Konzern gehört zu den Marktführern weltweit. Luther weiter: „Wir wollen unseren in Kanada angebauten Cannabis nach Deutschland importieren.“ Ab wann Deutschland seinen Bedarf komplett aus heimischem Anbau decken wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen.