Neue Daten zur ICD-Fernüberwachung vom Kardiologenkongress lassen aufhorchen: Die regelmäßige Fernabfrage ist nicht nur sicher, sondern führt auch dazu, dass weniger inadäquate Schocks ausgelöst werden. Schön für die Patienten – und für die Batterie.
Aus der Vogelperspektive ist die ICD-Fernabfrage (Implantierbare Cardioverter-Defibrillator) eine große Erfolgsgeschichte. Mussten früher Patienten mit ICD alle paar Monate zu ihrem Spezialisten, um die Funktionsdaten des Systems auslesen zu lassen, so können Kardiologen moderne ICD-Systeme heute per Fernabfrage kontrollieren. Das hat zwei Vorteile: Zum einen können die Funktionsdaten häufiger, täglich, übertragen werden. Eine beispielsweise durch Elektrodendyslokation verursachte Fehlfunktion der Geräte fällt dadurch deutlich früher auf. Zum anderen erspart es den Patienten unter Umständen lange und letztlich überflüssige Wege zum Rhythmusspezialisten. Denn fernüberwachte ICD-Systeme erlauben es, den Patienten dann – und nur dann – in die Praxis einzubestellen, wenn tatsächlich ein Problem vorliegt.
Krankenkassen treten auf die Bremse
Das ist, wie gesagt, die Vogelperspektive. Tatsächlich kämpfen die Fernabfrage-ICDs wie viele andere neuere Verfahren mit den Mühen der gesundheitspolitischen Ebene(n) in Deutschland. Zwar ist die Fernabfrage im Prinzip über den EBM abrechenbar. Das wird auch so praktiziert. Was die Kosten der Funkmodule und die Kosten der zugrundeliegenden Infrastruktur angeht, ist die Situation aber nicht so klar. Bisher ist dieser Posten komplett bei den Herstellern angesiedelt, die das wiederum in den Kosten ihrer Geräte berücksichtigen. In Krankenkassenkreisen gibt es allerdings durchaus Bestrebungen, hier zumindest teilweise einen Riegel vorzuschieben, beispielsweise durch eine etwas „selektivere“ Erstattungspolitik. Begründung: Höhere Kosten, kein (medizinischer) Zusatznutzen.
Beim europäischen Kardiologenkongress in Paris wurden jetzt Daten vorgestellt, die die ohnehin wenig überzeugende Position vieler Kostenträger noch einmal fragwürdiger macht. Die von dem Unternehmen Biotronik unterstützte, randomisiert-kontrollierte ECOST-Studie hat die Fernabfrage von ICD-Systemen über den ausgesprochen langen Zeitraum von 27 Monaten untersucht. Und die Ergebnisse sind frappierend. In der ECOST-Studie wurden die insgesamt 433 ICD-Patienten entweder per Fernabfrage („Home Monitoring“) versorgt oder aber konventionell. In der Fernabfragegruppe gab es einen festen Termin beim Rhythmusspezialisten pro Jahr. Ansonsten wurden die Patienten nur dann gezielt einbestellt, wenn die täglich übertragenen Funktionsdaten Auffälligkeiten zeigten beziehungsweise anderweitig Probleme auftraten. In der Vergleichsgruppe wurde wie üblich verfahren, sprich mit festen Terminen alle sechs Monate.
Weniger inadäquate Schocks
Die ECOST-Studie hat zunächst einmal bestätigt, was andere, kürzere Studien wie die TRUST-Studien und die COMPAS-Studie vorher auch schon gezeigt hatten: Das Home Monitoring hat keinen negativen Einfluss auf die Versorgungsqualität. Wenn die Patienten ihren Arzt nur einmal jährlich und bei Bedarf sehen, haben sie nicht mehr unerwünschte Ereignisse. So weit, so erwartet. Die ECOST-Studie geht aber deutlich darüber hinaus: Sie konnte nämlich außerdem demonstrieren, dass die Zahl der Patienten, die inadäquate Schocks erhalten hatten, um die Hälfte gesenkt werden konnte. In der Telemedizingruppe waren es elf Patienten, in der Kontrollgruppe 22. Die Zahl der Patienten, die wegen inadäquater Schocks ins Krankenhaus mussten, lag in der Fernabfragegruppe sogar um 72 Prozent niedriger als in der Vergleichsgruppe. Das Risiko, dass überhaupt Schocks ausgelöst wurden, lag patientenbezogen um 76 Prozent niedriger. Dass das den Patienten freut, liegt auf der Hand. Wer schon einmal dabei war, als ein ICD fälschlich ausgelöst hat, der möchte das nicht nochmal erleben. Die niedrigere Schockquote habe aber unabhängig davon auch einen messbar positiven Effekt auf die Batterielaufzeit der Geräte, wie der Hersteller betont.
Bestätigung gleich mitgeliefert
ECOST war nicht die einzige Studie zur ICD-Fernabfrage, die in Paris vorgestellt wurde. Die EVATEL-Studie des französischen Gesundheitsministeriums umfasste 1500 Patienten mit telemedizinfähigen ICD-Geräten unterschiedlicher Hersteller. Hinsichtlich der Auslösung inadäquater Schocks kam die EVATEL-Studie praktisch zu einem gleich lautenden Ergebnis wie ECOST: In der Fernabfragegruppe traten bei 4,7 Prozent der Patienten inadäquate Schocks auf, in der Kontrollgruppe bei 7,5 Prozent. Sportlich, wie sich das für eine herstellerunabhängige Studie gehört, wurde hier als primärer Endpunkt „Sterblichkeit und Hospitalisation“ gewählt. Da gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen, ein kleiner Wermutstropfen.