Beim Untergang des deutschen Gesundheitssystems wird das Ausland immer beliebter und attraktiver. Aber beruht das auf Gegenseitigkeit? Wie anerkannt ist ein deutscher Hochschulabschluss in Medizin im Ausland?
Das Medizinstudium ist sowohl eine der teuersten, als auch längsten Ausbildungen und erfreut sich - wie die Bewerbungs- und NC-Quoten beweisen - immer wieder höchster Beliebtheit. Aber was kommt nach dem Studium? Zwar haben junge Ärzte keine Probleme einen Job zu finden, doch schimpfen alle auf die Arbeitsverdichtung, veraltete Gebührenordnung, verbesserungswürdige Weiter- und Fortbildungskonzepte, schlechte Vergütung, Bürokratiewahnsinn, Gratifikationskrisen, völlig überholte Bedarfsplanung… die Liste ließe sich noch endlos fortführen.
Aber Hoffnung ist bestimmt in Sicht! Es kann doch nur besser werden? Weit gefehlt: Das Bundesgesundheitsministerium überlegte vor kurzem sogar Ärzte mit zu langen Wartezeiten zu bestrafen. Angesichts der demographischen Entwicklung und dadurch steigender Krankheitslast sind diese jedoch personell und finanziell in vielen Fällen nicht zu vermeiden.
Was macht also der kluge Medizinstudent, wenn alles schlechter wird? Nach seinem Abschluss steht er auf und geht. Und laut einer Studie der Universität Bochum planen weitere 70% seiner Kommilitonen ihm zu folgen. Aber wohin?
Die Voraussetzungen und Zulassungsbedingungen für die ärztliche Weiterbildung sind international nicht einheitlich. Obwohl das deutsche Examen weltweit von hervorragender Qualität ist, so ist doch der Zugang zum jeweiligen Gesundheitssektor nicht immer leicht.
USA
In den Vereinigten Staaten wird das deutsche Examen nicht anerkannt, jedoch kann man trotzdem nach dem Ablegen mehrerer Prüfungen ärztlich tätig werden. Das sogenannte USMLE (United States Medical Licensing Examination) wird in 3 Abschnitten abgelegt: Step 1 umfasst vorklinisches und klinisch-theoretisches Wissen. Danach folgt Step 2, welcher sämtliche klinischen Fächer umfasst und wie Step 1 eine schriftliche Prüfung ist. Mit dem 3. Step folgen die mündlichen Prüfungen und bieten - je nach Punktzahl - einen Zugang zur amerikanischen Weiterbildung. Für alle, die doch wieder in ihre Heimat zurück wollen, ist Vorsicht angesagt: die amerikanische Facharztausbildung wird in Deutschland meist erst nach einem zusätzlichen Assistenzjahr anerkannt.
Spanien
Spanische Medizinstudenten haben den Luxus, dass sie nach ihrem Studium kein Examen haben, sondern mit Vollendung ihrer Kurse auch ihren Abschluss in der Tasche haben. Das deutsche Examen wird hier also vollständig anerkannt. Für alle, die jetzt gleich hoffen, jeden Patienten mit einem "Hola" begrüßen zu können, ein kleiner Dämpfer: Vor Eintritt in die Weiterbildung gibt es eine Zulassungsprüfung (MIR = medico interna residente), bei der die Note darüber entscheidet, ob und wo man arbeiten wird - auch für Spanier.
Schweiz
Man wird es nicht glauben, aber dank bilateraler Verträge mit der Europäischen Union wird das deutsche Examen in der Schweiz vollständig anerkannt. Und das nutzen viele: Knapp 40% aller Weiterbildungsstellen in der Schweiz sind von Nicht-Schweizern belegt. Trotzdem bemängeln viele Auswanderer die immer stärker werdende Ressentiments gegenüber Ausländern, insbesondere gegenüber Deutschen.
Großbritannien
Die europäische Insel hat seit 2005 eine neue Regelung beim Medizinstudium. Einheimische Studenten erhalten ihre Zulassung erst nach sieben Jahren Leiden, davon fünf unter Büchern und weitere zwei unter Oberärzten und bissigen Krankenschwestern - also in der Klinik. Nichtsdestotrotz wird das deutsche Examen nach seinen unglaublich kurzen sechs Jahren anerkannt, jedoch wird eine ähnliche Erfahrung und Kompetenz erwartet.
Österreich
Wer auch immer hier hin möchte, der wird dies wohl nicht aus beruflichen Gründen machen. Auch wenn das Examen anerkannt wird, so ist der Zugang zur Facharztausbildung nur bei Erfüllung zahlreicher "Qualifikationen“ möglich: gute Beziehungen, regionale Herkunft, Wartezeit, Parteizugehörigkeit, Geburtsort, unbezahlte Tätigkeit als Gastarzt sowie das Geschlecht. Außerdem kann die Bezahlung - auch bei einem Arzt, der grundsätzlich dem Wohl des Patienten verpflichtet ist und auch unentgeltlich gerne arbeitet - nicht unbedingt ein Grund für einen Wechsel sein, denn die Löhne sind bei unseren Nachbarn noch geringer als bei uns.
Facharzt in drei Jahren!
Wer es nun geschafft hat, sich durch diese Zeilen zu kämpfen und die eigene Enttäuschung zu unterdrücken, den erwartet nun der ultimative Geheimtrick: Facharzt in drei Jahren!
Der Weg führt auch diesmal ins Ausland, und zwar in die Schweiz. Wer dort einen Assi-Job ergattern konnte und drei Jahre als Assistenzarzt gearbeitet hat, erhält automatisch den Titel "praktischer Arzt". Dieser ist in der Schweiz zwar wenig anerkannt, aber kann in Deutschland zum "Facharzt für Allgemeinmedizin" umgeschrieben werden. Hoffen wir, dass diese Lücke im System noch lange erhalten bleibt. Daher: Nicht weitererzählen!