Fernsehen, Radio, Videospiele und ein Bringdienst für den kleinen Hunger: das Krankenbett soll multimedial und optimal vernetzt werden. Wir werfen einen Blick in das Krankenzimmer der Zukunft.
Die wachsende Transparenz, die Mündigkeit der Patienten, die Gesundheitsreform und Finanzprobleme von Bund und Ländern erhöhen kontinuierlich den Finanzierungs- und Konsolidierungsdruck auf die Krankenhäuser. Sie sind gezwungen, effizient zu arbeiten und einen hohen Patientendurchsatz zu leisten ohne dabei die Qualität zu vernachlässigen und ihren guten Ruf einzubüßen. Der unbarmherzige Druck des Kapitalismus fordert eine maximale Effizienz ein, damit die Großunternehmen der Gesundheitsdienstleister konkurrenzfähig bleiben und auch in Zukunft schwarze Zahlen schreiben.
IT als Kostendämpfer
Einen enormen Beitrag zu diesem effizienten Arbeiten leisten heutzutage IT-gestützte Dienste, die einen Effektivitätsgewinn, Kostendämpfung und Ressourceneinsparung zum Ziel haben. Zahlreiche Kliniken profitieren bereits von sogenannten PACS- (picture archiving and communication system) und RIS- (Radiologie-Informations-System) Lösungen. Diese erleichtern die lokale Informationsbeschaffung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr. Dass IT-gestützte Dienste im Krankenhaus auf dem Vormarsch sind, zeigt deutlich die Erhöhung des gemittelten Investitionsbudgets von bis zu 15% im Jahr 2004 auf 2005. Eine Umfrage im Jahre 2007 ergab, dass 60% der befragten Krankenhäuser vorwiegend in die IT-Infrastruktur investieren wollen. Für Hersteller solcher Multimediadienste eröffnet sich damit ein lukratives Geschäftsfeld.
Vernetzung des Patienten
Neben der Optimierung administrativer Abläufe durch potente EDV-Möglichkeiten rückt seit einigen Jahren immer mehr der Fokus auf die Integration des Patienten in das multimediale Netz. Die Zeiten von Drehscheiben-Telefonen und kollektiven Röhrenbildschirmen an der Zimmerdecke sind längst vorbei, zumindest wenn es nach der Firma „Bewatec Kommunikationstechnik“ geht. Das auf Krankenhaus-Entertainment spezialisierte Unternehmen hat Ende August 2011 mit dem „MediStream 10'' B-Home“ auf sich aufmerksam gemacht, einem multifunktionalen „Bedside“-Terminal mit dem Anspruch einer Home-Entertainment gleichen Ausstattung.
Das an einem mobilen Schwenkarm installierbare 10 Zoll Terminal verfügt über ein integriertes TV Gerät, ein LAN gekoppeltes Radio, Touchscreen, externe Lautsprecher und Stereokopfhörer, PC genormte Anschlüsse (z.B. USB2.0), sowie Leselicht, Kontrolle über das Zimmerlicht und den obligatorischen Schwesternruf. Die integrierte Bedienungsanleitung kann man sich auf 14 Sprachen anzeigen lassen. Wenn man befürchtet, vor dem Durcharbeiten einzuschlafen, hilft der programmierbare Timer, dass das Gerät kurz nach dem Benutzer einschlummern lässt. Längst ist diese Ausstattung in der Branche Standard, Konkurrenzunternehmen integrieren zusätzlich Internetdienste, Emailclients und Videospiele. Alles zum Ziele der höheren Patientenzufriedenheit durch Steigerung des Komforts und damit eine bessere Positionierung im (nationalen) Wettbewerb.
Oma und der Touchscreen
Das alles klingt sehr verlockend, immerhin würde mir ein solcher Krankenhausaufenthalt bessere multimediale Vernetzung ermöglichen als meine derzeitige Studentenwohnung. Diese Konzepte haben aber zum Teil einen bitteren Beigeschmack.
So stellt man sich die Frage wer IT-Dienste dieser Art seitens des Patienten ohne weiteres finanzieren kann. Wer alle bereitgestellten Dienste nutzt, kann mit einer zusätzlichen Gebühr von bis zu 10€/Tag rechnen. Sind Terminals solcher Art auch für Senioren oder geistig-behinderte trotz Gebrauchsanleitung in 14 Sprachen intuitiv nutzbar? Entsprechen die Geräte hygienischen Standards bzw. können sie hygienischen Maßnahmen über lange Zeiträume standhalten? Können einzelne Dienste von extern abgeschaltet werden, so dass ein nüchtern gehaltener Patient nicht an den Schwestern vorbei ein Gebäck aus der Cafeteria bestellen kann? Erhöht der Komfort nicht vielleicht sogar die Einweisungen ins Krankenhaus aus sozialer Indikation?
Patientenzufriedenheit durch Vernetzung?
Und auch wenn es für Streitpunkte wie oben genannt ohne weiteres Lösungen geben kann, eine Sache sollte doch noch angemerkt werden:
In seinem Review „A patient´s look at evaluating dietetic services“ von McClusky (2007) zum Stellenwert von Nahrungsmitteln im Sinne der Zufriedenheit bei Krankenhausaufenthalten von Patienten musste er folgendes feststellen: 1. Good food is better than lousy food 2. Friendliness counts more than good food 3. Communication counts more than friendliness 4. Empathy enhances communication
Das Ganze wurde damit begründet, dass Essen und Getränke primär im Sinne des Komforts eine modifizierende Rolle spielen, aber auf die Gesamtzufriedenheit insgesamt nur wenig Einfluss haben. Etwas forscher formuliert: Vielleicht sollte man im Krankenhaus mehr Zeit und Geld zur Unterstützung einer empathischen und sowohl quantitativen, qualitativen Arzt-Patienten-Beziehung investieren, als die kommunikativen Bedürfnisse des Kranken mit High Tech Terminals ruhig zu stellen. Aber vielleicht erlaubt das Gesundheitssystem ja mal, dass man alles haben kann: Das Wiener Schnitzel, den Super Mario Emulator und den umsorgenden Arzt.