Während es laufenden Langzeitstudien nicht an Fragestellungen mangelt, suchen moderne Zentren nach Therapie-Alternativen bei Knorpelschäden. Unter dem Stichwort „Tissue Engineering“ erforschen sie die Entwicklung und Implantation von künstlichem Ersatzknorpel.
Alles begann mit einem klassischen Sportunfall beim Fußball-Training mit 25 Jahren und endet nun auf dem OP-Tisch einer orthopädischen Klinik. Walter K. wurde jahrelang von einer fortschreitenden Arthrose im rechten Kniegelenk geplagt und entschied sich schließend für eine totale Endoprothese (Knie-TEP). Und das mit großem Erfolg: Schon kurze Zeit noch der Operation geht er vorsichtig über die Stationsflure und kann bald schon wieder spazieren gehen. Für ihn ein echtes Kunstwerk moderner Medizin. So wie Walter K. geht es immer mehr Menschen in Deutschland. Und das ist eigentlich auch kein Wunder: Wir werden immer älter und wollen dabei meist immer voll integriert am gesellschaftlichen Leben teilhaben. So sind 70-Jähre Marathon-Läufer keine Seltenheit mehr und auch für andere sportliche Aktivitäten steigt die Nachfrage auf Seiten älterer Menschen. Obgleich dieser Trend vor dem Hintergrund epidemischer Volkskrankheiten wie Adipositas oder Diabetes sicherlich zu begrüßen ist, bleibt leider ein Haken. Unsere Gelenke sind nicht unbegrenzt belastbar und geben schneller nach als gewünscht. Knie-TEPs im jungen Erwachsenenalter dürften eigentlich nicht sein und werfen auch einige Fragen auf.
Tissue Engeneering
Die erste wäre zum Beispiel die Frage nach langfristigen Reaktionen auf das implantierte Material im Körper. Die meisten Langzeitstudien wurden mit älteren Patientenkollektiven gemacht und bezogen sich z.B. auf Zeiträume zwischen 5 und 20 Jahren. Wie sieht es aber aus, wenn ein Vierzigjähriger eine Knie-TEP erhält? Wie oft muss er wieder operiert werden? Können die verwendeten Materialen Krebs auslösen? Wie viele Revisionen mit TEP-Austausch sind aufgrund des Infektionsrisikos zumutbar? Während es laufenden Langzeitstudien an Fragestellungen keinesfalls mangelt, suchen moderne Zentren nach neuen Alternativen zur Therapie von Knorpelschäden.
Unter dem Stichwort „Tissue Engineering“ erforschen Mediziner und Wissenschaftler der Klinik für Unfallchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die Entwicklung und Implantation von künstlichem Ersatzknorpel. Einen Bahn brechenden Erfolg erzielten sie bereits vor knapp 10 Jahren. Damals gelang es Professor Dr. Ulrich Bosch und seinem Team weltweit zum ersten Mal, menschliches Knorpelgewebe am Kniegelenk durch künstlichen Knorpel zu ersetzen. Die derzeit behandelten Patienten konnten bereits Stunden nach der OP wieder aufstehen und nach langer Leidensgeschichte wieder ein aktives Leben führen.
Bald Designer-Knie?
Die Vorteile solch innovativer Alternativen zum klassischen Knie-TEP liegen auf der Hand. Statt es wie früher bis zur TEP-OP kommen zu lassen, kann eine frühzeitige Implantation von künstlichem Knorpelgewebe zum Beispiel nach Sportverletzungen den Leidensweg bis hin zur Arthrose mit all ihren Konsequenzen verhindern. Das perfekte und super belastbare Kniegelenk bleibt dennoch in weiter Ferne. Auch diese Eingriffe bringen Risiken mit sich und verführen vielleicht sogar manchen Sportler, bis zum Knieschaden zu trainieren. Immerhin könnte er sich ja neuen Knorpel mal schnell Spritzen lassen, oder?? Nein, wir wollen sicher kein Katalog-reifes Designer-Knie. Dennoch können neue innovative Ersatztherapien dafür sorgen, dass schwer Betroffene bald wieder laufen können. Und das ohne Endoprothese.