Die Erbkrankheit Mukoviszidose verschleimt die Lungen und führt immer noch zum frühzeitigen Tod der Betroffenen. Forscher haben nun einen präventiven Therapieansatz entwickelt, der Neugeborene zukünftig vor diesem Schicksal bewahren könnte.
Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose genannt, ist eine der häufigsten Erbkrankheiten in den westlichen Industrieländern. Bei den Betroffenen ist das Protein CFTR defekt oder fehlt ganz. Das hat zur Folge, dass alle körpereigenen Sekrete eingedickt produziert werden. Ein zäher Schleim verklebt vor allem die Lunge und beeinträchtigt immer stärker deren Funktion. Bislang kann man die Krankheit nur symptomatisch aber nicht ursächlich behandeln. Die Lebenserwartung der Mukoviszidose-Patienten beträgt zurzeit etwa 40 Jahre.
Da bisher alle Versuche, die Krankheit mit Hilfe der Gentherapie zu heilen, wenig zufriedenstellend verliefen, setzen Forscher ihre Hoffnungen mittlerweile verstärkt auf eine medikamentöse Behandlung, um CFTR pharmakologisch zu reparieren. So zeigte zum Beispiel eine Substanz, die die Funktionsfähigkeit des defekten Proteins verbessert, in mehreren klinischen Studie positive Effekte bei Mukoviszidose-Patienten. Der Wirkstoff hilft jedoch nur rund drei Prozent aller Betroffenen, die eine spezielle Variante des mutierten Gens besitzen. Forscher der Universität Heidelberg um Professor Marcus Mall haben nun einen neuen medikamentösen Therapieansatz entwickelt, von dem auch Mukoviszidose-Patienten mit anderen Mutationen eines Tages profitieren könnten.
Ein Kanalprotein mit mehreren Aufgaben
Die neue Therapie greift direkt in den Salzhaushalt der betroffenen Epithelzellen der Lunge an. Das Kanalprotein CFTR transportiert normalerweise Chlorid-Ionen aus den Zellen heraus – mit der Folge, dass anschließend per Osmose Wasser aus den Zellen in das umliegende Gewebe befördert wird. Unterbleibt dies, ist der Wassergehalt des Bronchialsekrets zu niedrig und es wird zähflüssig. “Ein andere wichtige Aufgabe von CFTR ist die Regulation von Natriumkanälen, die sich ebenfalls in der Oberfläche der Epithelzellen befinden”, sagt Mall, der Leiter des Mukoviszidose-Zentrums an der Klinik für Kinderheilkunde III der Universität Heidelberg ist. Die Natriumkanäle funktionieren genau umgekehrt wie die Chloridkanäle: Durch den Transport von Natrium-Ionen entziehen sie dem Sekret Wasser. Fällt nun CFTR aus, verstärken die Natriumkanäle die Resorption von Wasser in die Zellen und das Bronchialsekret wird noch zäher.
Forscher hatten deshalb schon vor einiger Zeit die Idee, diese Kanäle zu blockieren, um den Wassergehalt des Sekrets zu erhöhen und es dadurch wieder dünnflüssiger zu machen. Dabei kam ihnen zugute, dass es bereits ein zugelassenes Medikament gibt, das die Funktion der Natriumkanäle hemmt. Es handelt sich um den Wirkstoff Amilorid, der als Diuretikum Verwendung findet. Jedoch zeigte Amilorid in klinischen Studien, bei denen Mukoviszidose-Patienten mit chronischer Lungenerkrankung die Substanz inhalieren mussten, keinen Effekt. “Entweder erreicht Amilorid die Epithelzellen nicht mehr, weil die Atemwege schon zu sehr verschleimt sind oder die Veränderungen, die die Erkrankung in der Lunge auslösen, sind irreversibel”, begründet Mall das Versagen dieser klinischen Versuche.
Mäuse haben Mukoviszidose-ähnliche Krankheit
Er und seine Mitarbeiter hatten deswegen die Idee, Amilorid präventiv bei Mukoviszidose einzusetzen, also bereits dann, wenn die Lunge der Betroffenen noch keine Anzeichen der Krankheit aufweist. Um herauszufinden, ob ihre Idee funktioniert, züchteten die Forscher spezielle Mäuse, deren Lungen ähnliche Krankheitssymptome aufweisen wie die von Mukoviszidose-Patienten. Mit Hilfe von gentechnischen Methoden hatte das Team um Mall die Lungenepithelzellen dieser Mäuse so modifiziert, dass die Zellen deutlich mehr Natriumkanäle produzierten und dadurch dem Bronchialsekret der Tiere verstärkt Wasser entzogen wurde.
Die derart veränderten Mäuse sterben deutlich früher als gesunde Mäuse, da die Lungen wegen der starken Verschleimung ihre Aufgabe nicht mehr richtig wahrnehmen können”, berichtet Mall. Um den Ausbruch der Mukoviszidose-ähnlichen Krankheit zu unterbinden, behandelten die Forscher einen Teil der Mäuse von der Geburt an mit dem Natriumkanal-Hemmer. “Amilorid konnte die Sterblichkeit der Mäuse von 50 auf 20 Prozent senken”, sagt Mall. “Auch die Verschleimung der Lunge ging fast auf den Normalwert zurück.”
Für den Wissenschaftler haben die Ergebnisse dieser Studie gezeigt, dass eine vorbeugende Amilorid-Therapie sich günstig auf den Verlauf der Mukoviszidose auswirken könnte. Deshalb sind Mall und seine Mitarbeit im Moment dabei, die Voraussetzungen zu schaffen, um die Substanz bei Neugeborenen auszuprobieren. Das gestaltet sich nicht ganz so einfach, denn momentan wird die Krankheit meist erst im zweiten Lebensjahr bei den Betroffenen diagnostiziert. Zu spät, um eine präventive Behandlung mit Amilorid zu starten, da dann das Lungengewebe bereits erste Zeichen einer Schädigung aufweist.
Klinische Studie in Planung
Um den Zeitpunkt der Diagnose nach vorne zu schieben, hat Mall in Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Neugeborenenscreening-Zentrum vor Kurzem ein Neugeborenen-Screening initiiert, bei dem pro Jahr rund 100.000 Babys aus Südwestdeutschland auf die Erbkrankheit getestet werden können. Das Screening soll den Heidelberger Forschern auch als Grundlage für eine erste kleine klinische Studie dienen. In ihrem Rahmen planen Mall und sein Team zunächst bei einer kleineren Gruppe von positiv getesteten Neugeborenen Amilorid per Inhalation zu verabreichen und die Effekte auf die Lungenerkrankung zu untersuchen. Wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), so Mall, die Studie genehmigen sollte, könnten die ersten Teilnehmer eventuell bereits nächstes Jahr rekrutiert werden. Der Heidelberger Mediziner ist vorsichtig optimistisch,will den Patienten und deren Angehörigen dennoch keine voreiligen Hoffnungen machen, da noch nicht abzuschätzen ist, welche Nebenwirkungen eine lebenslange Therapie mit Amilroid mit sich bringt.