Den typischen Rheumatiker stellt man sich als geriatrischen Patienten vor - eine idiopathische Arthritis befällt jedoch auch Kinder. Diagnose und Therapie unterscheiden sich teilweise erheblich von der bei „großen“ Patienten.
Bei einer Gelenksentzündung im Kindesalter, die länger als sechs Wochen anhält, sollte nach Ausschluss weiterer Ursachen immer auch an Rheuma gedacht werden. Dauern die Beschwerden länger als drei Monate an, ist die Diagnose juvenile idiopathische Arthritis (JIA) fast sicher. Als erste Untersuchung ist ein Differentialblutbild inklusive Blutsenkungsgeschwindigkeit sinnvoll. Leberfunktionsparameter, CRP, LDH, BUN, Kreatinin und die Bestimmung der Harnsäure runden das Ergebnis ab. Wichtig ist auch die Frage, ob das Kind kürzlich an einer Infektionskrankheit litt oder von einer Zecke gebissen wurde. Borrelien verursachen ebenfalls hartnäckige Arthritiden. Auch die Art und Anzahl der betroffenen Gelenke lenken die Therapieentscheidung.
• Systemische Arthritis • Oligoathritis • RF neg. Polyarthritis, • RF pos. Polyarthritis, • Psoriasisarthritis, • Enthesitis assoziierte Arthritis, • andere nicht differenzierte Arthritis
Entzündung ohne Rötung
Calor, Dolor, Tumor, Rubor – das sind die allseits bekannten Anzeichen einer Entzündung. Bei Kindern ist das nicht immer so. Schmerzen werden anders wahrgenommen und eine Rötung der betroffenen Gelenke sieht man bei Kindern mit chronischen Gelenkentzündungen sehr selten. Bei jüngeren Kindern unter acht Jahren sind meist ein bis vier Gelenke betroffen. Große Gelenke wie Knie- und Sprunggelenk sind meist asymmetrisch befallen. Bei mehr als der Hälfte der Kinder lassen sich antinukleäre Antikörper nachweisen. Sind die Kinder älter, tritt eher eine symmetrische Polyarthritis mit fünf und mehr betroffenen, eher kleinen Gelenken auf. Die Bestimmung des Rheumafaktors ist selten zielführend. Dieser Parameter ist nur bei lediglich fünf Prozent aller Patienten mit einer juvenilen idiopathischen Arthrose positiv. Nicht selten liefern auch Infektionen ein falsch-positives Ergebnis. Ein typisches Zeichen für die Juvenile idiopathische Arthritis sind die häufigen Fieberschübe.
Sehkraft im Auge behalten
Jedes vierte Kind mit einer JIA erkrankt an einer Uveitis. Wird diese Entzündung erst entdeckt, wenn eine Fehlsichtigkeit erkannt wird, führt sie zu 80 Prozent zur fast kompletten Erblindung. Bei Verdacht auf eine JIA sollten vor allem Kinder unter sieben Jahren in den ersten zwei Jahren alle sechs Wochen zur Spaltlampenuntersuchung zum Augenfacharzt überwiesen werden. Generell weisen Kinder, die zuerst an einer Uveitis und dann an Arthritis erkranken, eine schlechtere Prognose auf. Besonders betroffen sind Kinder mit einer ANA-positiven Oligoarthritis. Antinukleäre Antikörper (ANA) richten sich gegen verschiedene Bestandteile des Zellkerns und können zu Störungen von Kern- und Zellfunktionen führen. Im August 2008 erfolgte die Zulassungserweiterung für Adalimumab zur Therapie der aktiven polyartikulären juvenilen idiopathischen Arthritis in Kombination mit Methotrexat, in begründeten Fällen auch als Monotherapie. Die Applikation erfolgt alle zwei Wochen als subkutane Injektion. Infliximab und Adalimumab zeigen in Studien gute Erfolge bei der Therapie der Augenentzündung. Kein TNF-a Inhibitor ist jedoch derzeit für die Uveitistherapie zugelassen.
Sonderform: Psoriasis-Arthritis
Eine Sonderform der JIA ist die juvenile Psoriasis-Arthritis. Häufig tritt die Schuppenflechte erst nach der Arthritis auf. Tüpfelnägel oder eine Daktylitis treten häufig als Begleiterkrankungen auf. Gleichgültig um welche Art der Arthritis es sich handelt: die Therapie muss so früh wie möglich erfolgen.
Zur Analgesie und Entzündungshemmung kommen saure Analgetika wie Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac in Frage. Entzündetes Gewebe wird durch Arachidonsäuren sauer und in einem sauren Gewebe kann sich auch nur ein saures Analgetikum anlagern und antiphlogistisch wirken. Nichtsaure Analgetika wie Paracetamol und Metamizol wirken nicht entzündungshemmend. Zusätzlich zur pharmakologischen Analgesie ist die Anwendung von Coolpacks sehr hilfreich.
Methotrexat
Zur Basistherapie werden Methotrexat (MTX) in niedriger Dosis und intraartikuläre Glukokortikoide angewendet. Die Wirkung von Methotrexat setzt häufig verzögert ein. Dieses drei bis vier Wochen dauernde Intervall kann mit gering dosiertem Kortison überbrückt werden. 80 Prozent der Kinder sprechen gut auf Methotrexat an und vertragen die Substanz besser als Erwachsene. Eine Veränderung der Leberparameter und Blutbildveränderungen behören in der Altersgruppe zu den Raritäten. Erwachsene „schlägt“ MTX meist auf den Magen und kann zu Gastritiden führen. Kinder unter zehn Jahren benötigen fast nie einen Protonenpumpenhemmer. Bei über Zehnjährigen kommt es in etwa zehn Prozent der Fälle zu gastrointestinalen Unverträglichkeiten. In einer international angelegten Studie von Föll und Mitarbeitern wurde festgestellt, dass der Zeitpunkt des Absetzens von Methotrexat nach Erreichen einer Remission keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls hat. „Unsere Studie widerlegt damit eindrucksvoll die bisherige Vermutung, dass eine längere Weiterbehandlung mit MTX einen Einfluss auf das Rückfallrisiko hat“, so Prof. Föll. Sechs Monate Behandlung scheinen zu reichen. Für die Patienten bedeutet das einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität, da sie die Medikamente früher als bisher absetzen können.
Zytokine als Target der Biologicals
Wird Methotrexat nicht vertragen oder wirkt es nicht adäquat können Biologicals und Zytokinantagonisten eingesetzt werden. Als besonders wirksam hat sich der TNF-Inhibitor Etanercept erwiesen. Abatacept ist als zweiter Signalübertragungshemmer ab sechs Jahren zugelassen und ab dem Jugendlichenalter der TNF-Antikörper Adalimumab. Für Kinder nicht zugelassen aber wirksam sind IL1-Rezeptorantagonisten wie Anakinra sowie IL6-Antikörper. Der Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab ist für die Behandlung der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) bei Kindern ab zwei Jahren zugelassen. Bei dieser besonders schweren Verlaufsform kommt es zu Organschäden an Herz, Leber und Milz. Wachstumsstörungen sind bei anhaltender Entzündung häufig und werden vor allem durch eine zu lange und zu hoch dosierte Kortisontherapie verstärkt. Die geschätzte Gesamtsterblichkeitsrate liegt bei 2 bis 4 Prozent. Die Zulassung basiert unter anderem auf den Ergebnissen der internationalen, randomisierten, doppelblind durchgeführten TENDER-Studie. 112 Kinder erhielten zusätzlich zu einer Basistherapie Tocilizumab oder Placebo.
Malignom statt Rheuma?
TNF-Inhibitoren und andere Biologika haben die Therapieoptionen bei JIA erheblich erweitert. Die Wirksamkeit von Etanercept und Adalimumab wurde in randomisierten, kontrollierten, klinischen Studien nachgewiesen. Gerade bei der Therapie von Kindern ist jedoch die Langzeitsicherheit von besonderer Bedeutung. Berichte über Leukämien und Tumoren bei mit Etanercept, Infliximab und Adalimumab behandelten Kindern und Jugendlichen werfen Fragen über ein erhöhtes Malignomrisiko auf. Lymphome sind mit 50 Prozent der den Zulassungsbehörden (FDA) gemeldeten Fälle am weitesten verbreitet. Bei der Auswahl sollte auch eine Familienanamnese im Hinblick auf Malignome oder eine Vorbehandlung mit karzinogenen Substanzen wie Cyclophosphamid durchgeführt werden. Dazu ruft die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) in einer Stellungnahme zur FDA-Warnmeldung auf.
Das American College of Rheumatology hat neue Leitlinien für die Behandlungen der juvenilen idiopathischen Arthritis entwickelt:
Die Therapie Rheumatischer Erkrankungen im Kindesalter sollte interdisziplinär Erfolgen. Orthopäden, Rheumatologen, Pädiater und Psychologen sind im günstigsten Fall involviert. In München haben Rheumatologen einen Verein gegründet, um eine frühere Diagnostik zu ermöglichen und die Versorgung betroffener Kinder zu verbessern. Die Kinder-Rheumahilfe München e.V. unterstützt Kinder und Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen, bietet Schulungs- und Beratungsprogramme an und fördert die Forschung auf dem Gebiet.