Das Physikum – die große Hürde des Medizinstudiums, vor der auch noch Ärzte Respekt haben. Über die acht wichtigsten Fächer der Vorklinik werden die Studenten prüft. Wie gut bleiben die gelernten Fakten hängen? Wären Klinik-Studenten noch fit fürs Physikum?
Nachdem man das Physikum hinter sich gebracht hat, kann man stolz sein. Endlich hat man es in die Klinik geschafft, man hat bewiesen, dass man das benötigte Durchhaltemögen für das Medizinstudium besitzt. Aber wie viel brachte das ganze Lernen und wie viel davon wird behalten? Sind Studenten aus den höheren Semestern den Physikumsfragen noch gewachsen? Oder ist das Wissen schon durch wilde Partys und viele neue Lernfakten von der Festplatte gelöscht? Mit dieser Fragestellung und gewappnet mit einigen Altfragen aus den letzten Staatsexamina habe ich mich auf den Campus meiner Uni begeben.
Die „Test-Methodik“
Die Fragen aus den letzten Examina - bunt gemischt aus den Jahren 2005 bis 2009 - bekam ich aus dem DocCheck Ixxer. Kopiert, zusammengefügt, ausgedruckt - los ging es mit dieser gemischten Tüte auf den Uniklinik Campus. Meinem Anliegen wurde zuerst nicht mit großer Freude begegnet. Sehr begeistert schienen meine Kommilitonen beim ersten Anblick der Fragen nicht. Mit dem Physikum verbinden nicht viele sehr freudige Erinnerungen und nachdem man es geschafft hat, will sich kaum einer mehr tiefgehend mit dem Thema befassen. Auch wenn es schon länger her ist, beliebt sind die MC-Fragen wohl immer noch nicht. Jedoch taten einige mir den Gefallen und nach leichten Murren und Knurren legten sie mit dem Kreuzen los.
Damit das Testergebnis meiner kleinen Stichprobe nicht direkt verfälscht würde, musste ich gut aufpassen, dass meine lieben Mitstudenten nicht schummelten. Es entfachte nämlich ein großer Redebedarf sobald die ersten Fragen angesehen wurden.
Aus jedem „Jahrgang“ nach dem Physikum – angefangen mit dem 1. klinischen Semester bis zu den Fast-Ärzten kurz nach ihrem Hammerexamen – nahm ich mir einige Studenten vor und gab ihnen 20 Fragen zu den verschiedensten Physikumsfächern.
Alles wieder vergessen
Als Kontrollgruppe wollte ich das erste klinische Semester (5. Fachsemester) dabei haben, das das Physikum gerade vor zwei Monaten geschrieben hat. Das Resultat konnte sich sehen lassen, die getesteten frischgebackenen Kliniker haben alle bestanden. Die Ergebnisse lagen zwischen 75-95%. Daraus kann man schließen, dass die Halbwertszeit des Physikumswissens jedenfalls länger anhält als von manchen vermutet wird. Diese Gruppe hat sich übrigens auch am wenigsten gegen die Aufgabe gewehrt.
Wie sieht es ein Jahr nach dem Physikum aus? Wesentlich schlechter. Die Probanden aus dem 3. klinischen Semester hatten erstens einen großen Widerwillen, zweitens habe ich zwei Bögen gar nicht erst wiederbekommen und die Ergebnisse, die ich hatte waren eher ernüchternd. Bestanden hätte einer von vieren mit 70% (das würde einer 3 entsprechen), der Rest wäre durchgefallen (bei einer Bestehensgrenze von 60%).
In den gleichen Topf konnte man auch die Studenten aus dem 5. klinischen Semester stecken, abgesehen von einem Ausreißer nach oben mit 75% sind die restlichen vier durchgefallen – einmal waren nur 7 von 20 Fragen richtig. Die Studenten waren doch nicht so uninteressiert an den Ergebnissen, wie sie am Anfang zugeben wollten und waren trotz schlechtem Gefühl enttäuscht, dass nicht mehr hängen geblieben war.
Daraufhin habe ich dann nach Erklärungen gesucht. Die meisten sagten es lege an der Menge, die man in kurzer Zeit für das Physikum lernen müsse und vor allem daran, dass man das Gelernte in der Klinik und in der Praxis gar nicht mehr brauche. Außerdem sei da der ganze neue Stoff, den man seitdem hatte Lernen müssen und das Gehirn müsse logischerweise irgendwo Platz machen und unwichtige Dinge löschen. Und ja, vielleicht würden die Medizinerparty und der Alkohol eine kleine Rolle beim Gedächtnisverlust spielen.
Ein bisschen schade, wenn das erste Staatsexamen der Mediziner gar nichts bringt, da alles verdrängt oder vergessen wird und man später sowieso nichts mehr davon gebrauchen kann.
Doch nicht umsonst gepaukt?
Glücklicherweise gab es da noch die schlauen „Fast-Ärzte“, die gerade das Praktische Jahr hinter sich haben und momentan mitten im zweiten Staatsexamen stehen oder zum Teil schon fertig sind. Das schriftliche Examen ist geschrieben, einige haben die Mündliche schon hinter sich, andere sind noch mitten im Lernfieber. Sie haben mir den Glauben an einen Sinn und Nutzen des Physikums wiedergeben. Alle Probanden haben bestanden, die Ergebnisse lagen zwischen 65-75%. Der Schluss, den ich daraus gezogen habe, ist, dass man im Hammerexamen wohl Fakten wiederholt, die auch im Physikum wichtig waren. Das heißt, dass diese Informationen doch nicht umsonst gelernt wurden und dass das Physikum doch auch sinnvolle Dinge abfragt, die auch im praktischen Alltag als Arzt von Bedeutung sind.
Fazit
Auch wenn es im Laufe der Zeit eine starke Beeinträchtigung des Physikumsgedächtnisses gibt und die Studenten von damalig perfekt auswendig gelernten Fakten nur noch wenig wissen und auf Grund dessen ziemlich frustriert scheinen, gibt es Hoffnung. Am Ende kann man sicher einiges doch noch gebrauchen - Anatomie für Chirurgie, Physiologie für das Verständnis der Pathophysiologie von Erkrankungen, Biochemie für Pharmakologie und vieles mehr. Und im zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung kann man sein altes Wissen wieder auffrischen und vielleicht kommt einem das ein oder andere wieder bekannt vor. Das Pauken hat sich also doch gelohnt und war nicht nur eine gemeine Schikane durch das IMPP!