Patienten gehen während des Eingriffs in Flammen auf – Berichte aus den Anfängen der Äthernarkose? – Auch im modernen OP ist die Brandgefahr nicht zu unterschätzen. Das Gebot der Stunde heißt Prävention, und so haben US-Experten ein ganzes Maßnahmenpaket zusammengestellt.
„Kaiserschnitt wird zu Feuertaufe“ - Was nach schlechtem Kino klingt, ist bittere Realität: Allein in den USA gehen pro Jahr 550 bis 650 Patienten während diverser Eingriffe in Flammen auf, schätzt die Food and Drug Administration (FDA). Das wollte die American Head and Neck Society genauer wissen und befragte im Rahmen einer Fachtagung 349 Kollegen. Rund 25 Prozent hatten schon mindestens einen Brand im OP erlebt, bei über 80 Prozent der Fälle war reiner Sauerstoff im Spiel. Laut Umfrage entpuppten sich 59 Prozent der Brandquellen als Geräte zur Hochfrequenz-Chirurgie, beispielsweise Elektrokauter. In 32 Prozent ließen sich Laser und in sieben Prozent Lichtleiter, wie sie in Endoskopen verwendet werden, identifizieren. Gut dokumentierte Beispiele gibt es genug: So berichtet der US-Anästhesist Dr. Kenneth L. Silverstein, Begründer der FDA-Initiative zur Brandbekämpfung, gleich von zwei Feuern innerhalb weniger Monate: während einer Carotis-Endarteriektomie, der Patient war lediglich sediert, und bei der Implantation eines Herzschrittmachers. Zu spaßen ist damit nicht: Einer der Betroffenen musste aufgrund der Schwere seiner Verletzungen sogar in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. Jetzt hat es sich Silverstein zur Aufgabe gemacht, Kollegen über die Risiken zu informieren.
Drei Dinge braucht das Feuer…
Sein Fazit: Im OP herrschen ideale Bedingungen für den Ausbruch eines Feuers. Es gibt entflammbare Stoffe, Zündquellen und Oxidationsmittel. In den meisten Fällen sind nachweislich alle drei Faktoren beteiligt.
Materialien, die bei normaler Raumluft als inert gelten, etwa OP-Tücher oder Plastikschläuche, brennen heftig in reinem Sauerstoff. Statistisch gesehen traten auch die meisten chirurgischen Feuer auf, wenn dieses Gas im Spiel war. Nur zu knapp 21 Prozent in Luft enthalten, macht es in reiner Form aus dem kleinsten Funken ein Inferno: Sauerstoff beschleunigt alle Verbrennungsprozesse. Es sammelt sich gerne unter Abdeckungen oder Vorhängen, ist seine Dichte doch bedeutend größer als die von Luft. Lachgas (Distickstoffmonoxid) wird ebenfalls als brandfördernd eingestuft, wenn auch deutlich schwächer im Effekt.
Weiterer Zündstoff: Chirurgen desinfizieren teils große Hautflächen mit leicht entflammbaren Antiseptika, als Lösungsmittel dienen meist Ethanol oder Isopropanol. Sollten diese Flüssigkeiten nicht vollständig getrocknet sein, in Wunden oder Hautfalten kann sich leicht etwas gesammelt haben, wird es kritisch: Kommen Zündquellen hinzu, ist der Brand vorprogrammiert.
Gut geplant ist halb gewonnen
Die US-Arzneibehörde hat jetzt angesichts etlicher schwerer Fälle, teilweise wird von Verbrennungen dritten Grades berichtet, eingegriffen. Sie zog Fachleute heran, um Brandschutzrichtlinien zu erarbeiten. Dazu gehören spezifische Empfehlungen für alle Fachbereiche.
Als besonders kritisch bewerten die Experten Zündquellen in der Nähe von Kopf, Hals oder Brust. Sind entsprechende Eingriffe angezeigt, wäre mit der Anästhesie vorab zu klären, ob zusätzlicher Sauerstoff zwingend erforderlich ist oder ob sich zumindest dessen Gehalt verringern lässt. „Jede Erhöhung der Sauerstoffkonzentration im OP-Feld vergrößert die Gefahr eines Feuers“, so das FDA-Team. Erweist sich eine entsprechende Beatmung als unumgänglich, bieten geschlossenen Systeme große Vorteile: Im Vergleich zur Gesichtsmaske dichten Endotrachealtubus oder Larynxmaske die oberen Atemwege deutlich besser ab. Um Sauerstoff aus dem OP-Gebiet zu entfernen, kann das Spülen mit steriler Luft sinnvoll sein, bevor hochfrequente elektrische Instrumente zum Einsatz kommen.
Auch zahlen sich kleine Handgriffe aus: Sollten potenzielle Zündquellen wie Elektrokauter oder Laser nicht in Gebrauch sein, raten Brandschutzexperten, die Geräte abgeschaltet in ihrer Halterung zu verstauen anstatt sie nur auf Tüchern zu legen. „OP-Abdeckungen können sich leicht entzünden und brennen in einer mit Sauerstoff angereicherten Umgebung, auch wenn diese Produkte als schwer entflammbar eingestuft werden“, warnt die FDA.
Bei OPs im Bereich von Kopf oder Hals werden auch Haare schnell gefährlich. Und so bietet es sich aus Brandschutzgesichtspunkten an, Bärte oder dichte Augenbrauen mit einem wasserhaltigen Gel abzudecken, falls eine Rasur nicht notwendig oder erwünscht ist.
Weitere Hinweise betreffen Antiseptika auf Alkoholbasis: Vor Beginn des Eingriffs raten die FDA-Brandschutzbeauftragten, benetzte Tücher vom Tisch zu entfernen. Zudem verdienen die angegebenen Trocknungszeiten mehr Beachtung. Alternativ bieten sich Desinfektionsmittel auf Wasserbasis an.
Feuer in der Luftröhre
Besondere Gefahr besteht während einer Tracheotomie: „Benutzen Sie keine elektrochirurgischen Geräte für Schnitte an der Luftröhre“, so der FDA-Rat. Auch bei bronchoskopischen Eingriffen ist Planung angebracht: Falls der Patient zusätzlichen Sauerstoff erhält, sollte dessen Konzentration unter 30 Prozent liegen. Kommt elektrochirurgisches Instrumentarium zum Einsatz, lautet die Empfehlung: „Aktivieren Sie das Gerät nur, wenn die aktive Spitze sichtbar ist, vor allem bei endoskopischen oder mikroskopischen Eingriffen.“ Zudem müssen feuchte, sterile Tücher oder Schwämme bereit liegen, um damit schlimmstenfalls eingreifen zu können.
Löschübung im OP
Doch was tun, wenn es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen zu einem Feuer am Patienten kommt? Vorbereitung ist die halbe Miete. Und so raten Fachleute zu „Trockenübungen“, wie sie für Brände in Räumen längst üblich sind.
Bricht während des Eingriffs ein Feuer am OP-Tisch aus, muss von der Anästhesie die Sauerstoffzufuhr sofort gestoppt werden. Das heißt, Ventile schließen und Schläuche abziehen. Andere Kollegen sind darauf vorzubereiten, den Brand mit physiologischer Kochsalzlösung zu löschen und gegebenenfalls entflammtes Abdeckmaterial schnell zu entfernen. Hierfür lässt sich auch ein Kohlendioxidlöscher verwenden, der ansonsten aber tabu ist und zu schweren Erfrierungen auf der Haut führen kann. Elektrische Geräte sind auszuschalten, am besten auszustecken, da Stromzuleitungen möglicherweise beschädigt wurden.
In der aufkeimenden Hektik besteht vor allem die Gefahr, Patienten zu vernachlässigen. Wichtig ist die ständige Kontrolle von Atmung, Kreislaufs und möglichen Blutungen. Sind Brandverletzungen zu behandeln? Kann der Eingriff zu Ende gebracht werden oder ist abzubrechen? Oder muss sogar der gesamte OP-Trakt evakuiert werden, sollten größere Mengen an Rauchgasen entstanden sein? Dann helfen nur noch Feuermelder oder Notruf. Doch soweit kommt es bei gründlicher Vorbereitung und Einhaltung der Empfehlungen in der Regel nicht.