Der Anteil von Patienten, die aus der Notaufnahme stationär in die Neurologie aufgenommen werden, verdoppelte sich in den letzten zehn Jahren. Der Ansturm bringt Kliniken an logistische Grenzen. Höchste Zeit für bessere Koordination und mehr Budget, fordern Neurologen.
Die neurologische Notfallmedizin hat sich in den vergangenen Jahren zum drittwichtigsten Gebiet in den Krankenhausnotaufnahmen entwickelt – neben Chirurgie und Innerer Medizin, wie eine aktuelle Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zeigt. Danach stellte sich mit etwa 15 Prozent ein nicht unerheblicher Teil der Patienten wegen neurologischer Symptome in den Notaufnahmen vor. Der Anteil von Patienten, die aus der Notaufnahme stationär in die Neurologie aufgenommen werden, hat sich in zehn Jahren sogar von 40 auf 80 Prozent verdoppelt. Dies verursacht massive Personal- und Finanzierungsprobleme für die neurologischen Abteilungen und Kliniken. Mit heute 25 Millionen Patienten pro Jahr sei in den vergangenen zehn Jahren eine deutliche Steigerung der Inanspruchnahme der Notfallversorgungsstrukturen in Deutschland zu verzeichnen, stellte der 120. Deutsche Ärztetag im Mai in einem Leitantrag fest. „Natürlich ist das Problem steigender Patientenzahlen nicht auf die Neurologie beschränkt. Es betrifft die Notfallversorgung als Ganzes – die Neurologie als Fach mit überdurchschnittlichem Zuwachs der Patientenzahlen aber in besonderem Maße“, so Prof. Dr. Helge Topka, Vorsitzender der DGN-Kommission Neurologische Notfallmedizin und verantwortlicher Autor der Studie.
„Die Krankenhausneurologen nehmen die Herausforderung grundsätzlich gerne an“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Vorsitzender der DGN-Kommission Leitende Krankenhausärzte. „Doch jetzt sind auch die gesundheitspolitischen Akteure am Zug.“ Denn die Rahmenbedingungen der Notfallversorgung hinken der zunehmenden Inanspruchnahme der Notfallmedizin hinterher, wie die DGN-Studie feststellt: Bis zu ein Drittel der Notaufnahmevorstellungen erfolgen bei nicht dringlichen Konstellationen. Der hohe Anteil wird unter anderem auf die häufig monatelangen Wartezeiten auf Termine bei niedergelassenen Neurologen zurückgeführt. Es mangelt an einer Koordination der unterschiedlichen Player im Notfallmanagement: Neurologie-Praxis, ärztlicher KV-Bereitschaftsdienst, Terminvergabestellen der KV, Rettungsleitstellen, Portalpraxen und Klinik-Notaufnahmen. Regelhaft ist das ärztliche und pflegerische Notaufnahmepersonal überlastet, und die neurologischen Kliniken stellen in erheblichem Umfang Ressourcen aus ihrem „stationären Kerngeschäft“ für die unterfinanzierte Notaufnahme zur Verfügung.
Der Ansturm auf die Notaufnahmen fordert die Krankenhausneurologen fast täglich fachlich und logistisch heraus. „In manche Kliniken kommen 14.000 Neuro-Notfall-Patienten im Jahr“, sagt Professor Erbguth, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg. Die Bundesärztekammer hat in Positionspapieren Ende April 2017 dringend eine Veränderung angemahnt. Sie fordert unter anderem eine bessere Kooperation der an der Notfallversorgung Beteiligten und ein übergreifendes einheitliches Triage-System zur Einschätzung der medizinischen Dringlichkeit. Der Ärztetag sprach sich für eine extrabudgetäre Finanzierung der Leistungen sowie eine bessere Information der Patienten aus. Die neue Ziffer des einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für die Notfall-Sichtung in Höhe von 4,74 Euro, wirke eher zynisch als Antwort auf die Probleme.
Für die Umfrage hatte die DGN-Kommission Neurologische Notfallmedizin von Juli bis September 2016 alle Einrichtungen mit neurologischen Abteilungen in Deutschland per Onlinefragebögen zur Struktur ihrer Notfallversorgung befragt. Die Antwortquote von 32 Prozent ist zwar nicht repräsentativ. Aber: „Die Zahlen sind valide genug, um die Herausforderungen konkret zu benennen“, sagt Professor Topka, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Bogenhausen in München. Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V.