Erstklässler erkennt man bekanntlich an der Schultüte, einer kleinen Körpergröße und einer überproportional großen Schultasche. Wie erkennt man einen jedoch einen Studienanfänger, den sogenannten Ersti? Gibt es charakteristische Merkmale bei den Medizin-Erstis?
Genau wie die Einschulung oder der Beginn der weiterführenden Schule ist auch der Studienanfang ein besonderes Ereignis als Einstieg in einen aufregenden neuen Lebensabschnitt. Trotz Abitur, langer Schullaufbahn, Erwachsensein und gefühlt langer Lebenserfahrung, ist man doch fast wieder ein Erstklässler. Man ist aufgeregt die neuen Kommilitonen kennenzulernen, ist gespannt auf die neuen Fächer und ob einem das Studium überhaupt gefallen wird.
Schnell ist man eingewöhnt, fühlt sich auf dem Uni-Campus fast wie zuhause und im zweiten Jahr schon fühlt man sich viel älter und erfahrener. Dann kommen schon die neuen Erstis. So erkennt man sich Jahr für Jahr manchmal kurz wieder in den gespannten und hoffnungsvollen Gesichtern und erinnert sich an diese aufregende Zeit. Doch wie genau erkennt man sie, diese neuen Erstis? Eine Schultüte haben sie nicht und das Alter verrät sie auch nicht unbedingt. Es gibt aber verschiedene Anzeichen, die sie verraten.
In der Vorlesung
Eines ist das noch fehlende Selektionsvermögen. Erstis füllen mit ihrer unerschütterbaren Motivation den Vorlesungssaal bis zum letzten Sitz oder bis auf die Treppe. Auch wenn die Vorlesung um 18h beginnt und überhaupt nichts bringt, weil der Dozent zum Beispiel nur sein Skript vorliest.
Außerdem schreiben viele jedes kleinste Detail mit. Wenn man sich einen Ersti-Block ansieht, könnte es auch ein unordentliches Lehrbuch oder die diktierte Vorlesung sein, mit dem Unterschied, dass der Satz irgendwann plötzlich abbricht, weil man nicht mehr mitgekommen ist.
Auch wenn in der Hora academica erklärt wird, dass 8 Uhr c.t., cum tempore, also die akademische Viertelstunde bedeutet, dass es um 8.15 losgeht, stehen 80 % der Studenten schon um fünf vor acht vor dem Vorlesungssaal.
Die Gespräche
Anderes Merkmal sind auch die Gesprächsthemen in den Ersti-Grüppchen. „Bei mir in der Schule war das so…“, „Bei unserem Abiball haben wir das gemacht…“ oder „Wie weit bist du schon mit Anatomie?“ - entweder geht es um Schule oder um Uni. Was ganz normal ist, denn man kennt sich schließlich noch nicht so gut und das sind nun mal die momentan angesagten Smalltalk-Themen.
Oft entwickeln sich am Anfang auch Kleingruppen mit den Wartezeit-Studenten unter sich, denn bei ihnen ist die Schulzeit nicht mehr so aktuell und sie haben oft keine so große Lern-Panik, da sie meist schon eine Ausbildung und einige praktische Erfahrungen mitbringen. Sehr häufig sind die Erstis noch recht panisch was die Themen Lernen und Klausuren angeht. Die Panik schaukelt sich dadurch hoch, dass verglichen wird, wie viel wer schon gelernt hat und wie wenig wer schläft. Dann kommen die Gerüchte auf, wie schwer und quasi unmöglich dieses und jenes Fach sei und dass man das Medizinstudium an den Nagel hängen könne, wenn man durch das Fach durchfiele und die Durchfallquote zu allem Überfluss seit Jahren bei ca. 95% liege.
Die Bücher
Die neuen Medizinstudenten erkennt man auch am Prometheus, dem dicken Anatomieatlas unter ihrem Arm. Was Bücher angeht, sind die Erstis sowieso noch überaus gierig. Entweder werden in der Bibliothek für jedes Fach mehrere Bücher von verschiedenen Verlagen ausgeliehen oder es werden gleich alle Bücher gekauft. Hielte man dieses extreme Kaufinteresse bis zum Ende des Studiums durch, würde man mit einem Berg Schulden ins Berufsleben starten.
In der Mensa
In der Mensa sieht man nach den ersten Tagen Präpkurs auch viele blasse Gesichter, deren Appetit nach dem morgendlichen Sezieren noch nicht ganz wiedergekehrt ist. Plötzlich erinnern einen Lebensmittel an Dinge, an die man nicht unbedingt am Mittagstisch denken möchte. Die Themen beim Mittagessen sind auch nicht immer die angenehmsten. Aber das wird über die Jahre eher schlimmer. Die Ekel-Schwelle ist nicht mehr so leicht zu übertreten und Unterhaltungen über blutige OPs, Sputum oder Abführmethoden können auch gut beim Essen vertragen werden. Vorsicht ist geboten, wenn Nicht-Mediziner dabei sind, denn deren Appetit kann noch verdorben werden. Zurück zu den Erstis und apropos Mensa: Falls man sich wundert warum jemand sich „dreist“ vordrängelt, könnte das auch nur an der Unkenntnis des Anstell-Systems eines unschuldigen Erstis liegen.
Ersti-Vielfalt
Natürlich sind nicht alle Erstis gleich. Es gibt viele verschiedene Typen. Es gibt den Nesthocker-Ersti, der noch zuhause wohnt und sich abends bei der Familie über die Ungerechtigkeiten des Lernens ausheulen kann. Es gibt den Ersti, der vom Alleine-Wohnen und -Waschen noch überfordert ist und sein Kaffee-beflecktes Hemd zum zweiten Mal trägt. Dann gibt es den Besserwisser-Ersti, der noch überzeugt ist, er sei der Schlauste mit seinem Einser-Abi. Und der coole Ersti, der angeblich gar nicht lernt und nur Party macht und meistens trotzdem alles weiß. Der panisch-ängstliche Ersti, der mit seinem Deutsch und Englisch Leistungskurs von Chemie Strukturformeln Migräne bekommt. Der Rettungsassistenz-Ersti, der den jungen Abiturienten versucht das Geheimnis der Medizin zu erklären. Und, und, und…
Fest steht, dass wir alle schon einmal Erstis waren und auch wenn man über die neuen Erstis lacht, erinnern sich doch die meisten, wie überfordert man am Anfang von der großen weiten Uni-Welt war.