Viele Studenten nutzen die Famulatur-Zeit, um sich ein sonniges Plätzchen auf der Weltkarte zu suchen. Etwas Urlaub und nebenbei im örtlichen Krankenhaus arbeiten. Ist es wirklich so, dass sie lieber am Strand liegen statt ein ordentliches Praktikum zu absolvieren?
Daniel Kroneberg ist Student im 9. Semester an der Charité in Berlin und absolvierte vor zwei Jahren seine dritte Famulatur auf den Cook-Inseln im Südpazifik. Eigentlich ein idealer Ort, um mal vom Unistress abzuschalten und die Seele baumeln zu lassen. Doch Daniel hat die Zeit genutzt, um sich wichtige Fertigkeiten anzueignen, die ihm in einer Famulatur in Deutschland wahrscheinlich keiner beigebracht hätte, wie er uns im folgenden Interview erzählt: DocCheck: Hallo Daniel. Vielen Dank, dass Du dir Zeit genommen hast. Warum wolltest Du ursprünglich auf die Cook-Inseln? Daniel: Ich kannte die Cook-Inseln eigentlich gar nicht und wollte auch nicht dorthin, sondern nach Neuseeland. Ich habe dazu anfangs Email-Adressen von neuseeländischen Internetseiten gesammelt und zufällig war da auch eine Adresse vom Gesundheitsministerium der Cook-Inseln dabei, an die ich ebenfalls geschrieben habe. Überraschenderweise haben sie als erstes geantwortet und da habe ich gleich mal geschaut was die Cook-Inseln sind und wo sie überhaupt liegen. Als ich die ersten Fotos bei Google gesehen habe, habe ich schnell zugesagt. Das Bewerbungsverfahren war auch sehr unkompliziert. Lediglich ein Lebenslauf und ein Empfehlungsschreiben der Uni wurden gefordert. DocCheck: Kannst Du die Cook-Inseln etwas beschreiben? Daniel: Im Prinzip bestehen sie aus 15 kleineren Inseln, alle zirka 600 km auseinander. Die größte Insel, Rarotonga, auf der auch das Krankenhaus war, hatte nur einen Umfang von 32 km, d.h. man konnte in 40 min einmal rumfahren. Und wenn man in der Mitte der Insel auf dem Berg steht, kann man alles sehen. Es ist also echt klein. Insgesamt haben die Cook-Inseln 20.000 Einwohner, von denen 9.000 auf der Hauptinsel Rarotonga leben. Die Amtssprache ist Englisch, obwohl dort auch viel Maori gesprochen wird. DocCheck: Wie ist das Klima dort? Daniel: Warm! Es ist auf jeden Fall angenehm. Da die Inseln in der Passatzone liegen, ist es nicht so tropisch heiß, dafür warm aber nicht so feucht. Im Winter liegen die Temperaturen dort bei 22 bis 24 Grad und im Sommer um die 28 Grad. DocCheck: Und wahrscheinlich gibt es dort auch schöne Strände? Daniel: Traumhaft! So wie man es sich vorstellt. Ich war im Rahmen der Famulatur auch noch auf Aitutaki, einer der kleineren Inseln. Und dort befindet sich eine der schönsten Lagunen der Welt, nach Bora Bora und Tahiti. Alles ist voll mit bunten Fischen und Korallen. Und man kann dort super schnorcheln und tauchen. DocCheck: Wo hast Du gewohnt? Daniel: Das war eine schwierige Sache, da das Krankenhaus keine Unterkünfte bereitgestellt hat und man sich selber was suchen musste. Da die Cook-Inseln auf einer Backpacker-Route zwischen Neuseeland und Los Angeles liegen, gibt es ein paar Backpacker Hostels. Ich habe dort aber nicht gewohnt, sondern war in einer Art Guesthouse untergebracht, wo es etwas ruhiger war. Es war auch sehr schön dort, da das Haus direkt an einer Lagune lag. DocCheck: Was kannst Du über das dortige Krankenhaus erzählen? Daniel: Das Krankenhaus hat 80 Betten und ist mit den wichtigsten Sachen ausgestattet. Das modernste Equipment ist ein Röntgengerät (lacht). Aber die Ärzte waren fähige Leute. Es gab dort fünf Chefärzte, von denen jeder eine Station betrieben hat, und dann noch Assistenzärzte aus Birma. DocCheck: Wie hat Dich das Klinikpersonal aufgenommen? Daniel: Ich wurde von allen unglaublich freundlich behandelt. Ich musste nichts machen, was ich nicht machen wollte. Hauptsächlich war ich auf der Chirurgie-Station. Der Chirurg war unglaublich nett und hat mich auch alles machen lassen und mir teilweise auch Sachen übergeben, für die ich mich noch nicht bereit fühlte. Zum Beispiel ist er einmal gegangen, weil er noch Termine hatte, und sagte zu mir, dass ich die Klinik jetzt machen solle. Und dann musste ich mich allein um die Patienten kümmern, die zur Sprechstunde kamen. Ich habe sie ins Röntgen geschickt oder die Verbände gewechselt, was ich davor noch nie gemacht habe. Dabei hat mir die Schwester ein bisschen geholfen und dann ging das auch. DocCheck: Hatten die Ärzte viel Zeit für Dich? Daniel: Ja, generell schon. Es kommt immer auf den Arzt an, aber der Chirurg hat sich sehr viel Zeit für mich genommen. Er hat mir alles genau erklärt, hat Bilder gemalt und war insgesamt sehr nett. Ich glaube aber nicht, dass sich alle so viel Zeit genommen hätten. DocCheck: Wie ist das Klima zwischen dem Personal? Daniel: Man merkt schon, dass alle viel enger zusammenarbeiten als hier in Deutschland. Es ist halt ein kleines Krankenhaus mit 40 bis 60 Mitarbeitern, die sich alle kennen. Es ist viel familiärer. Die Schwestern bringen immer Essen für die Ärzte mit und dann essen alle gemeinsam. DocCheck: Wie sind die Patienten? Daniel: Sie waren nicht so wie in Deutschland, dass sie zu viel vom Arzt erwarten oder böse sind wenn sie nicht die gleichen Tabletten wie ihre Nachbarn kriegen. Dort sind sie einfach nur unglaublich dankbar, schon allein dafür, dass du ihnen versuchst zu helfen, auch wenn es nicht klappt. Dann ist dir auch niemand böse, dass das Antibiotikum zum Beispiel mal nicht angeschlagen hat. DocCheck: Man bekommt dort also schon volle Verantwortung übertragen? Daniel: Wenn du das Angebot annimmst, dann kannst du es machen. Wenn man es jedoch nicht möchte, dann kann man auch immer Nein sagen. Aber man kann auch nicht viel falsch machen, beispielweise bei Leuten mit einem Abszess am Bein, der aufgeschnitten werden muss oder beim Nähen einer Platzwunde. Man muss nur einmal den Mut aufbringen, solche Dinge anzugehen. Wenn man es möchte, dann kann man es auch so oft machen, dass man die Techniken gut erlernt. DocCheck: Wie war Deine Arbeitszeit? Daniel: Morgens um 8:30 Uhr begann der Tag mit der Visite auf Station und dann ging es solange bis keine Patienten mehr gekommen sind. Der Chirurg hat auch nur am Dienstag und Donnerstag operiert, und je nachdem wie viele Patienten noch auf dem OP-Plan standen war entweder um 13 Uhr Schluss oder manchmal auch später. Einmal ging es bis 19 Uhr. Die Leute sind dort auch nicht so arbeitswillig wie hier und kommen nach 14 Uhr generell nicht mehr zum Arzt, sondern schieben das oft auf den nächsten Tag, wo sie eigentlich arbeiten müssten, um sich krankschreiben zu lassen. Ich muss sagen, die Leute dort haben die Arbeit nicht erfunden (lacht). DocCheck: So wie sich das anhört, hattest Du also auch eine Menge Freizeit? Daniel: Ja! Man konnte dort sehr gut wandern und tauchen. Und sonst hat man sich einfach an den Strand gelegt und nichts getan. Man merkt aber auch, dass man dort sehr langsam wird. Als ich angekommen bin, war ich noch sehr "deutsch" und habe in den ersten zwei Tagen alle Aktivitäten gemacht, die mir mein Reiseführer empfohlen hat. Und als ich dann alles erkundet hatte und nichts mehr recht mit mir anzufangen wusste, habe ich geschaut was die Leute dort machen und sie machen halt einfach nichts. Sie entspannen sich einfach nur und essen dabei Kokosnüsse und Papaya. DocCheck: Hast Du viel gelernt in deiner Famulatur? Daniel: Ja, eigentlich schon. Ich habe mir auch ein paar Bücher mitgenommen und habe da immer ein paar Sachen nachgelesen. Aber man hätte bestimmt mehr lernen können, wenn man sich jeden Tag hingesetzt und nicht die ganze Zeit am Strand verbracht hätte. Aber ich habe vor allem praktische Sachen gelernt und insbesondere die Dinge aus dem letzten Semester, wo wir Unfallchirurgie hatten, konnte ich vertiefen. Ich war übrigens sehr erstaunt, wie gut unser Körper bei der Wundheilung auch schlechtere hygienische Bedingungen kompensieren kann. Man hat dort zwar sauber gemacht, aber die höchsten Hygienestandards existieren in der Klinik halt nicht. Es lief auch schon einmal ein Gecko während der OP über die Decke. DocCheck: Was ist der Unterschied zu einer Famulatur in Deutschland? Daniel: In Deutschland kann man natürlich auch Glück haben und bei einem Arzt landen, der einem viel beibringt. Auf jeden Fall bist du in Deutschland nicht so entspannt, du bist viel mehr vom Krankenhaus gestresst, von den Schwestern und den Ärzten, die auch selber wiederrum gestresst sind. Und du hast es auf jeden Fall nicht so persönlich, hast nicht so viel Zeit mit den Patienten zu reden. Die Ärzte auf den Cook-Inseln haben sich z.B. immer noch Zeit genommen, um mit den Leuten auch privat zu sprechen. Man hat sich ein bisschen wie in einer Landarztpraxis gefühlt, da die gleichen Patienten immer wiedergekommen sind. Wenn gerade nichts los ist, dann sitzen auch die Schwestern mit den Ärzten zusammen, reden und essen gemeinsam und freuen sich des Lebens. Was die Lehre betrifft, kann man in Deutschland auf jeden Fall mehr speziellere Sachen lernen. Auf den Cook-Inseln lernt man halt mehr Basics und Grundlagen, auch chirurgische Sachen, die einfach jeder Arzt können muss. DocCheck: Was sagst Du nun zu dem Vorurteil, dass viele Medizinstudenten ins Ausland fahren, um es sich gutgehen zu lassen und dabei das Lernen ganz vergessen? Ich glaube, dass niemand bewusst seine Famulatur im Ausland macht, um nichts zu lernen. Und ich meine, dass man nie wieder die Gelegenheit im Leben bekommt, so leicht und unkompliziert irgendwo hinzureisen, ein Teil seines Studiums abzuleisten und trotzdem etwas Neues für sich zu entdecken. Von daher finde ich, dass man die Möglichkeit, seine Famulatur im Ausland zu machen, schon nutzen sollte. Und auch wenn man mal ein paar Tage am Strand liegt, dann ist es ja nicht so, dass man gar nichts gelernt hätte, denn man war ja jeden Morgen im Krankenhaus. In erster Linie hängt es extrem von den eigenen Ansprüchen ab. Und in meinem Fall kann ich das Vorurteil nicht bestätigen. Wir danken Dir für das Interview, Daniel.