Forschern gelang es, durch den Einsatz von Zinkfingernukleasen das Gen für den wichtigsten Abstoßungsfaktor des Schweins auszuschalten. Daraus ergeben sich neue Perspektiven für die Xenotransplantation, bei der Organe von Tieren auf den Menschen übertragen werden.
In Deutschland gibt es zu wenig Ersatzorgane. Patienten müssen oft jahrelang warten, bis ein passendes Spenderorgan für eine Transplantation zur Verfügung steht. “Eine äußerst unbefriedigende Situation”, findet Professor Michael Winkler, Oberarzt in der Klinik für Transplantationschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. “Derzeit unternimmt man zwar große Anstrengungen, die Spenderbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, doch das wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um den Mangel an Ersatzorganen dauerhaft zu beheben.”
Ein möglicher Ausweg aus der Misere sieht Winkler in der Verwendung von Schweineorganen. Diese ähneln in Größe und Physiologie menschlichen Organen. Doch heftige Abstoßungsreaktionen machen die Übertragung von Schweineorganen auf den Menschen momentan noch unmöglich. Hauptgrund dafür ist, dass auf der Zelloberfläche aller Gewebearten des Schweins besondere Zuckermoleküle vorkommen, die vom menschlichen Immunsystem rasch erkannt und bekämpft werden.
Genmodifikation vermindert Abstoßungsreaktion
Forscher hatten deswegen schon vor einiger Zeit die Idee, mit Hilfe gentechnischer Methoden Schweine zu züchten, deren Organe diese Zuckermoleküle nicht mehr tragen. Nun ist es einem Forscherteam am Institut für Nutztiergenetik in Mariensee bei Hannover gelungen, mit einer neuen Technologie bei Schweinen das Enzym auszuschalten, das für den Aufbau der Zuckermoleküle verantwortlich ist. Wie die Wissenschaftler um Professor Heiner Niemann in der Zeitschrift PNAS mitteilen, war die Abstoßungsreaktion nur noch sehr schwach, wenn Zellen der modifizierten Schweine mit humanem Serum behandelt wurden.
Bisher war es sehr umständlich und zeitaufwändig, bei Schweinen Gene zu entfernen. Um diesen Prozess zu beschleuningen, setzten Niemann und seine Mitarbeiter nun erstmals so genannte Zinkfingernukleasen ein – künstlich hergestellte Proteine, die zielgerichtet an bestimmte Gensequenzen andocken und sie zerschneiden können. Für ihre Versuche verwendeten die Forscher eine Zinkfingernuklease, die im Erbgut von Schweine-Bindegewebszellen gezielt das Gen für das Enzyms alpha-1,3-Galactosyl-Transferase (GGTA-1) deaktivierte. Dieses Enzym sorgt bei Schweinen normalerweise dafür, dass der Zucker Galactose in Molekülketten eingebaut werden kann. “Diese Molekülketten gehören zu den Antigenen, die uns in der Xenotransplantation am meisten Probleme bereiten und heftigste Abstoßungreaktionen auslösen”, sagt Niemann, der Leiter des Instituts für Nutztiergenetik ist.
Geklonten Schweinen fehlt Zuckermolekül
Die mit der Zinkfingernuklease behandelten Bindegewebszellen vereinzelte das Team um Niemann und verschmolz diese Zellen jeweils mit einer unbefruchteten, gereiften Eizelle, deren Zellkern vorher entfernt worden war. Mehrere geklonte Embryonen übertrugen die Forscher anschließend in die Eileiter von Empfängerschweinen, die die heranwachsenden Embryonen austrugen. Insgesamt neun Ferkel kamen lebend auf die Welt. Bei allen neugeborenen Tieren konnten die Forscher zeigen, dass deren Gewebe auf der Zelloberfläche keine galactosehaltigen Molekülketten mehr aufwiesen.
Um zu überprüfen, ob durch das Ausschalten von GGTA-1 die Abstoßungsreaktion vermindert wird, brachten Niemann und seine Mitarbeiter Bindegewebszellen eines dieser geklonten Schweine im Reagenzglas mit menschlichen Serum zusammen. “Im Vergleich zu Bindegewebszellen von normalen Schweinen widerstanden die veränderten Zellen dem Angriff der humanen Antikörpern deutlich besser und zerfielen weniger schnell”, sagt Niemann. Allerdings verschwanden die Abstoßungsreaktionen nicht ganz: Es existierten, so der Wissenschaftler, eine Reihe verschiedener Abstoßungsreaktionen und mit dem Ausschalten der galactosehaltigen Zuckerketten auf der Gewebeoberfläche lasse sich nur die hyperakute Abstoßung kontrollieren.
Deaktivierung weiterer Gene notwendig
Er und seine Kollegen gehen davon aus, dass noch einige weitere Gene beim Schwein ausgeschaltet werden müssen, bis die Abstoßungsreaktionen so weit vermindert wären, dass man an klinische Studien denken könnte. Niemann schätzt, dass es noch mindestens acht bis zehn Jahre dauert, bis die ersten Schweineorgane auf den Menschen übertragen werden. Auch sein Kollege Winkler ist dieser Ansicht, findet aber, dass die neue Methode, mit Hilfe von Zinkfingernukleasen Gene auszuschalten, einen wichtigen Beitrag leisten könnte, um das Problem der Abstoßungsreaktion in den Griff zu bekommen.
“Da aber in Schweineorganen, vor allem in der Leber, Stoffwechselprodukte entstehen, die beim Menschen nicht vorkommen, müsste man zusätzliche genetische Modifikationen vornehmen, damit die Tierorgane für den Menschen auch in dieser Hinsicht auf längere Zeit verträglich sind”, sagt Winkler. “Aus diesem Grund werden die ersten Tierorgane beim Menschen wohl nicht dauerhaft eingesetzt, sondern würden nur zur Überbrückung dienen, bis ein passendes humanes Spenderorgan bereit steht.”