Heutzutage werden immer mehr Anforderungen an die Medizinstudenten gestellt. Aber gleichzeitig ist die Zeit, die man für das Erledigen aller Aufgaben bekommt, sehr begrenzt. Durch dieses ungleichmäßige Verhältnis stoßen immer wieder einige Studenten an ihre Grenzen und erkranken sogar in manchen Fällen an dem Burnout-Syndrom.
Die Anforderungen im Studium werden immer höher, zeitaufwendiger und füllen den kompletten Zeitplan eines Studenten aus. Viele halten dem Druck nicht stand, brechen das Studium ab und wenden sich ganz anderen Dingen zu. Andere wiederrum versuchen trotz dem immensen Druck durchzuhalten und geben ihren Traum nicht auf, was sich bei einigen Studenten irgendwann enorm auf die Gesundheit auswirkt. Ich habe mit zwei Studenten gesprochen, für diese hat sich der Traum vom Medizinstudium in einen Alptraum verwandelt.
Den Anschluss verloren
Für Michelle* fing alles ganz harmlos an. Sie bekam nach dem Abitur gleich zum Wintersemester einen Studienplatz für ihr Wunschfach Medizin. Doch schon der Start in das neue Leben als Studentin lief bei ihr schief. Michelle kam zuerst nicht mit dem Lernen nach. „Ich merkte zu Beginn schon, dass das Lernpensum einfach sehr extrem war. Kaum war ich mit dem einen Thema fertig, wartete etwas Neues auf mich. Und jeden Tag wurde der Stapel größer. Dieses Lernpensum war ich einfach nicht gewohnt. Irgendwie hab ich mir alles nicht so schwer vorgestellt.“ Ebenso bestand sie in den ersten vier Semestern mehrere Scheine nicht. Dadurch konnte sie sich nicht wie geplant zum Physikum antreten und musste die Prüfung verschieben. „Als ich die fehlenden Scheine im fünften vorklinischen Semester nachholte, merkte ich, dass mir einfach alles zu viel wurde. Ich fühlte mich überfordert, übermüdet und litt an Schlaflosigkeit“, erzählt Michelle.
Fachwechsel als neue Chance zum Erfolg
Der Stress im Studium wirkte sich auch immer mehr auf ihr Privatleben aus. Nicht nur, dass die Beziehung zu ihren Eltern immer schlechter wurde, auch die Beziehung zu ihrem damaligen Freund litt sehr darunter. „Irgendwie bekam ich weder mein Leben als Medizinstudentin noch mein Privatleben in den Griff, also musste ich einen Ausweg finden. Es hat lange gedauert, bis ich es mir eingestand, dass ich es nicht schaffe.“ So entschloss sie sich nach einer langen Bedenkzeit dazu, sich ihre Scheine von dem zuständigen Prüfungsamt anerkennen zu lassen und auf Zahnmedizin umzusteigen. Dadurch wurde ihr Lernpensum geschmälert und sie konnte sich das Lernen besser einteilen. „Außerdem hab ich mich für eine Therapie entschieden, da sich durch mein Versagen im ersten Studium eine starke Prüfungsangst entwickelt hat. Ich musste auch einfach mal die Probleme, die durch das Studium entstanden sind, aufarbeiten. Meine Beziehung ist aber daran zerbrochen“, erzählt mir Michelle. Doch mit der Zeit wurde es dank dem Fachwechsel und der Therapie besser. Michelle:“ Mittlerweile habe ich glücklicherweise Erfolg in meinem Studium, was sich auch positiv auf mein Leben auswirkt. Ich kann mit Niederlagen auch viel besser umgehen als vorher und setze mich nicht mehr so unter Druck.“
Zu Beginn ein richtiger Überflieger
Anders als Michelle erging es Thomas*. Auch er bekam sofort nach dem Abitur einen Studienplatz für Medizin. Für ihn war das Medizinstudium immer sein größter Traum, den er sich immer erfüllen und dafür kämpfen wollte. Er war von Anfang an der Student, den Kommilitonen wohl als den „absoluten Überflieger“ bezeichnet hätten. Er bestand all seine Prüfungen in der Vorklinik beim ersten Versuch, das Physikum brachte er mit Bravour hinter sich und in der Klinik war kein benoteter Schein schlechter als die Note eins. Er verbrachte die meiste Zeit seines Studiums in der Bibliothek und lernte von morgens bis abends, um stets überall sehr gute Leistungen zu erbringen. „Dadurch ließ ich extrem mein Privatleben schleifen“, erzählt mir Thomas, „ich hatte keine Freunde, keine feste Partnerin und generell keinen, der ein offenes Ohr für mich gehabt hätte. Unipartys hab ich gemieden, weil sie für mich zeitraubend waren. Mit Kommilitonen hatte ich wenig Kontakt. Ich hab noch nicht mal mit ihnen zusammen gelernt, weil ich immer Angst hatte, dass es Zeitverschwendung wäre, mich mit Studenten abzugeben, die schlechter sind als ich.“
Ein schleichender Prozess
Der ganze Prozess war bei Thomas eher schleichend. Es begann mit dem Grübeln vor dem Einschlafen, ob er denn überhaupt gut genug ist für das Studium und wie sich das Ganze noch steigern lassen könnte. Irgendwann setzte bei ihm die Schlaflosigkeit ein, er wurde depressiv, war ständig übermüdet und wurde aggressiv. „Irgendwann merkte ich auch, dass ich mich komplett einsam fühle, dass ich keine Freunde habe, welche mich hätten auffangen können und dass ich generell keinen einzigen sozialen Kontakt habe. Das hat mich zusätzlich fertig gemacht.“ Kurz vor dem zweiten Staatsexamen kam dann der endgültige Zusammenbruch. „Ich konnte nachts kein Auge mehr zumachen, war müde, war sehr depressiv und hatte Suizidgedanken. All diese Symptome haben mich zum Aufhören gezwungen und ich habe eine Pause eingelegt.“ Sein zweites Staatsexamen hat Thomas auf unbestimmte Zeit verschoben und macht momentan eine medikamentöse Therapie sowie eine Gesprächstherapie. „Mir geht es langsam wieder besser dank der Therapie. Ich habe gelernt, dass Lernen und Erfolg im Studium nicht alles bedeuten. Mittlerweile habe ich auch ein paar nette Leute kennengelernt sowie langsam eine neue Beziehung aufgebaut, welche mir viel Kraft spendet“, erzählt Thomas. Bald möchte sich Thomas auch wieder langsam auf das zweite Staatsexamen vorbereiten, er hofft aber, nicht in alte Muster zu verfallen. „Ich stelle mittlerweile mein Wohlergehen und meine sozialen Bindungen in den Vordergrund und ich hoffe, dass ich es mit diesem Rückhalt schaffen kann.“
Das Medizinstudium ist mitunter das begehrteste Studienfach, denn es ist sehr interessant und bringt viele tolle Erfahrungen mit sich. Aber nicht umsonst wird es auch als eines der stressigsten und zeitaufwendigsten Fächer bezeichnet. Viele Ärzte berichten auch, dass der Lernaufwand sehr intensiv ist. Die Anforderungen und der Druck sind daher sehr hoch, daher zerbrechen viele Studenten auch daran. Wichtig ist, dass man sich dies eingesteht und auch nie zu stolz ist, zuzugeben, wenn es nicht mehr geht und sich etwas ändern muss. Wie heißt es so schön: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ *Namen wurden von mir geändert