Chronische Wunden sind oft therapieresistent. Forschern ist es nun gelungen, das Wechselspiel von Makrophagen und Eisen aufzuklären, das dafür sorgt, dass sich die Wunden immer stärker entzünden und so eine dauerhafte Wundheilung verhindert wird.
Offene Beine beeinträchtigen massiv die Lebensqualität vieler, meist älterer Menschen. Ursache der schlecht heilenden Wunden ist häufig eine chronisch venöse Insuffizienz. Bei dieser Erkrankung staut sich sich das Blut in den Unterschenkelvenen, da die Venenklappen nicht mehr richtig funktionieren. Durch den erhöhten Druck werden rote Blutkörperchen durch die Wände der Blutgefäße in das umliegenden Gewebe gepresst, das sich immer stärker entzündet. Im schlimmsten Fall entwickeln sich daraus offene, meistens nässende Wunden, die über lange Zeit nicht abheilen und nur schwierig zu behandeln sind.
Ein Forscherteam der Universität Ulm konnte nun wichtige Details des Prozesses identifizieren, der für die chronische Störung der Wundheilung verantwortlich ist. Wie die Mediziner um Anca Sindrilaru und Professorin Karin Scharffetter-Kochanek in der Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation mitteilen, spielen dabei eisenspeichernde Makrophagen eine zentrale Rolle. “Diese auch als Fresszellen des Immunsystems bezeichneten Zellen wandern in das betroffene Gewebe ein und nehmen überschüssiges Eisen auf”, erklärt Scharffetter-Kochanek, die Ärztliche Direktorin der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie in Ulm ist. “Da aufgrund der Insuffizienz der Venenklappen permanent rote Blutkörperchen mitsamt Eisen nachgeliefert werden, überfressen sich die Makrophagen regelrecht daran.”
Fresszellen werden dauerhaft aktiviert
Die Fresszellen schützen den Körper normalerweise vor körperfremden Mikroorganismen wie Bakterien oder Viren, aber auch vor gealterten, bösartigen oder abgestorbenen körpereigenen Zellen. Sie fördern bei einer Verletzung die Wundheilung, indem sie vorübergehend aktiviert werden und Botenstoffe freisetzen, die eine lokale Entzündung auslösen. Der Ablauf der Wundheilung ist jedoch bei offenen Beinen (chronische venöse Ulcera) nachhaltig gestört. Bei Patienten, die an diesem Krankheitsbild litten, untersuchte Scharffetter-Kochaneks Team den Geweberand der therapieresistenten Wunden. “Alle Makrophagen enthielten große Mengen an Eisen und waren dauerhaft aktiviert“, sagt Scharffetter-Kochanek. “Zudem schütten sie eine Vielzahl von entzündungsfördernden Stoffen wie zum Beispiel den Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) aus, was dazu führt, dass weitere Makrophagen angelockt werden.” In einer Art Dauerschleife, so die Medizinerin, verstärke der Prozess sich selbst und halte so die Entzündung aufrecht.
Um herauszufinden, ob das überschüssige Eisen die permanente Aktivierung der Makrophagen verursacht, entwickelten Scharffetter-Kochanek und ihre Mitarbeiter ein Mausmodell, das wesentliche Aspekte der gestörten Wundheilung von Patienten mit chronisch venösen Wunden nachstellt. Die Forscher verabreichten Labormäusen in regelmäßigen Abständen entweder ein Placebo oder ein Eisenpräparat, welches sich in der Haut anreicherte. Anschließend entfernten sie den Mäusen beider Versuchsgruppen sehr kleine Hautareale und beobachteten die einsetzende Wundheilung. Im Vergleich zu den Kontrollmäusen, heilten die Wunden der mit dem Eisenpräparat behandelten Tiere nur sehr langsam. Die Wunden enthielten – ähnlich wie bei den Patienten mit offenen Beinen – auch viele Fresszellen, die mit Eisen überladen waren. Genau wie ihre humanen Pendants waren sie dauerhaft aktiviert und verhinderten so eine rasche Wundheilung.
Normale Wundheilung durch Eisenkomplexbinder
Als Scharffetter-Kochaneks Team die gesamte Prozedur bei Mäusen wiederholte, denen vorher nicht nur das Eisenpräparat verabreicht wurde, sondern auch ein Eisenkomplexbinder, zeigten diese Tiere eine normale Wundheilung. “Der Komplexbinder fängt das überschüssige Eisen ab und macht es unschädlich”, sagt Scharffetter-Kochanek. “Die Aktivierung der Fresszellen wird nach kurzer Zeit aufgehoben und die Wundheilung kann phasengerecht voranschreiten.”
In einem weiteren Experiment gelang den Forschern der Nachweis, dass die permanent aktivierten Makrophagen verschiedenen Arten von Sauerstoffradikalen produzieren. Diese sehr reaktiven Teilchen schädigen die Erbsubstanz und sorgen über eine Reihe von Zwischenschritten dafür, dass die Bindegewebszellen im Wundgebiet der chronischen Wunde vorzeitig altern und sich nicht mehr weiter teilen können. Scharffetter-Kochanek ist zuversichtlich, dass auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse langfristig neue medikamentöse Ansätze zur Therapie chronischer Wunden entwickelt werden.
“Nicht nur eisenbindende Substanzen könnten dann zum Einsatz kommen, sondern auch Wirkstoffe, die TNF-alpha blockieren und dadurch das Fortschreiten der Entzündung unterbrechen”, sagt die Medizinerin. Solange die Chronifizierung der Wunden bei den Patienten noch nicht zu weit fortgeschritten ist, hält sie eine Kompressionstherapie für die beste Wahl: “Sie verkleinert das Gefäßlumen, ermöglicht einen besseren Venenklappenschluss und verhindert, dass die roten Blutkörperchen weiter ins Gewebe übertreten. Ebenso würden operative Verfahren zur Beseitigung der insuffizienten Venenklappen erfolgreich angewendet. Die verhängnisvolle Entzündungskaskade, so Scharffetter-Kochanek, könne entsprechend unterbrochen werden und die Wundheilung komme wieder in Gang.
Eisen beeinflusst Immunantwort bei Atherosklerose
Die Ulmer Forscherin geht davon aus, dass eisenspeichernde Makrophagen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entstehung weiterer entzündlicher Krankheiten wie Multipler Sklerose oder Atherosklerose spielen. Sie wird dabei von anderen Experten unterstützt: “Der Eisenstoffwechsel ist von besonderer Bedeutung für die Immunantwort”, sagt Professor Günter Weiss, Leiter der Abteilung für Klinische Infektiologie und Immunologie an der medizinischen Universität Innsbruck. “Bei Atherosklerose scheint das Fortschreiten der Erkrankung mit dem Eisengehalt in Makrophagen assoziiert zu sein.” Er hält es für denkbar, dass zukünftig Substanzen, welche die Aufnahme von Eisen in die Makrophagen blockieren, dazu beitragen, die Immunbalance bei Infektionen oder Autoimmunerkrankungen zu verbessern.