Schwangerschaft ist keine Krankheit. Umso mehr erhitzt eine Frage die Gemüter: Wie entbinden? Zu Hause in trauter Umgebung? Oder doch lieber der Wunschkaiserschnitt? Ein Aspekt kommt oft zu kurz: das Beste für Mutter und Kind.
Kein Karnevalsscherz: Bereits Wochen vor dem 11.11. häufen sich in Geburtskliniken Jahr für Jahr Anfragen nach Wunschkaiserschnitten. Für manche Eltern, und sicher nicht nur aus dem Rheinland, wäre der Tag ein allzu schönes Geburtsdatum für ihren Sprössling. Prozentual sicher eine Minderheit, doch stieg über Jahre die Zahl an Kaiserschnitten immer weiter an. Ein gutes Zeichen?
Trendprodukt Kaiserschnitt
Erblickte vor 30 Jahren noch jedes zehnte Kind durch ein Skalpell das Licht der Welt, trifft das heute bereits auf jedes dritte Kind zu, berichtet das Statistische Bundesamt. Patientinnen entscheiden sich aus Angst vor Schmerzen oder langwierigen Geburten für den Eingriff, oftmals ohne medizinische Indikation. Weiterhin befürchten viele werdende Mütter, die Muskulatur des Beckenbodens werde bei Vaginalgeburten geschädigt – Inkontinenz inklusive. Extrem selten, speziell bei tiefen, meist vermeidbaren Dammrissen, können zudem Schließmuskeln des Enddarms betroffen sein. Auch die Angst vor Schmerzen beim Geschlechtsverkehr nach der natürlichen Entbindung ist weit verbreitet. Gründe für einen Kaiserschnitt sind jedoch nicht ausschließlich bei Schwangeren zu suchen. Etliche Patientinnen würden sich laut der GEK-Kaiserschnittstudie eine natürliche, komplikationslose Geburt wünschen, vor allem nach überstandener Sectio.
Sicherheit Schnitt für Schnitt
Auch aus Sicht von Gynäkologen spricht einiges für den planbaren Geburtstermin via Wunschkaiserschnitt: Das ganze Team steht während der normalen Dienstzeit zur Verfügung. Zudem gilt der Eingriff heute als sichere Geburtsmethode für Mutter und Kind. Das trifft aber nicht auf Notfall-Kaiserschnitte bei Komplikationen zu – deren Risiko ist immer noch doppelt so hoch wie bei der natürlichen Variante. Auch ein Punkt: die Sorge vor möglichen Regressen, sollte etwas schief laufen. Es geht um hohe Forderungen, haben die Neugeborenen ja buchstäblich noch das ganze Leben vor sich. Beiträge zur Berufshaftpflicht erhöhten sich dementsprechend auf bis zu 40.000 Euro pro Jahr. Dann doch lieber gleich ein Kaiserschnitt in kontrollierbarer Klinikumgebung, und sei es nur beim geringsten Anhaltspunkt für Schwierigkeiten. Nicht zu vernachlässigen sind ökonomische Aspekte – eine Sectio erbringt etwa das Doppelte einer vaginalen Geburt, und das bei teilweise geringerem Personal- und Zeiteinsatz im Vergleich zu langwierigen Niederkünften.
Kurzer Eingriff – lange Folgen
Aus ärztlicher Sicht spricht dennoch einiges gegen den medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt zum Wunschtermin: Kommen Kinder zu früh auf die Welt, haben sie in ersten Lebensjahr eine deutlich erhöhte Mortalität – auch bei Geburten nach der 32. Schwangerschaftswoche (SSW). Werden Kinder etwa in der 38. statt der 40. SSW auf die Welt geholt, erhöht sich ihr Sterberisiko um 75 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe, und die Kleinen müssen öfter beatmet werden. Italienische Kollegen etwa beobachteten acht Mal häufiger einen Pneumothorax als bei den natürlich Geborenen. Auch sind wichtige Reifungsprozesse im Gehirn noch nicht abgeschlossen. Pädiater diagnostizierten mehr körperliche oder geistige Entwicklungsstörungen, und zwar noch Jahre nach der Geburt bis in die Schulzeit hinein.
Ganz ohne Folgen bleibt der Kaiserschnitt auch für die Patientin nicht. So wird kein Oxytocin ausgeschüttet, dieses wichtige Peptidhormon beeinflusst die Mutter-Kind-Bindung direkt nach der Entbindung. Und bei weiteren Schwangerschaften berichten Kollegen von Komplikationen, sollten Patientinnen nicht den natürlichen Geburtsweg wählen. Dazu gehören lebensbedrohliche Risse der Gebärmutter sowie ein Verschluss des Geburtskanals (Placenta praevia).
Übertriebene Überwachung
Das andere Extrem: Manche Mütter entscheiden sich für Geburten zu Hause, möglichst ohne Technik, ohne Ärzte, ohne Skalpell oder Analgesie. Sind die Gefahren kalkulierbar? Wie Privatdozent Dr. Karl Oliver Kagan von der Uni Düsseldorf auf dem Deutschen Kongress für Perinatalmedizin Anfang Dezember berichtete, stehen Risiken für Mutter und Kind meist schon nach drei Monaten fest. Das betrifft nicht nur erblich bedingte Fehlbildungen, sondern auch eine mögliche Frühgeburt. Vorsorgeuntersuchungen gegen Ende der Schwangerschaft ließen sich damit sogar reduzieren. Gynäkologen um Professor Kypros Nicolaides vom King´s College in London raten deshalb zu einer Umstellung der gängigen Praxis, die momentan umso engmaschigere Kontrollen vorsieht, je weiter die Schwangerschaft voran geschritten ist. Nicolaides empfiehlt gründliche Untersuchungen in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche (SSW), um mögliche Probleme einschätzen zu können. Ohne entsprechende Befunde würden Folgeuntersuchungen in der 22. und 37. SSW ausreichen. Beim letzten Termin ließe sich die Methode der Niederkunft auswählen, also gegebenenfalls auch außerhalb der Klinik.
Horror Hausgeburt
Hausgeburten sind aber dennoch nicht ohne Tücke, das zeigt eine prospektive Kohortenstudie aus Großbritannien. Die Autoren um Professor Peter Brocklehurst von der University of Oxford werteten jetzt Daten von nahezu 65.000 Schwangeren aus. Eigentlich wollten sie zeigen, dass unter heutigen Standards eine Niederkunft außerhalb der Klinik unkritisch ist. Es kam anders: Bei 45 Prozent der Erstgebärenden traten Komplikationen auf, so dass ein Transport in das nächste Krankenhaus erforderlich wurde. Der Wert lag bei Mehrgebärenden immer noch bei zwölf Prozent. Hebammen, so die Studie, sahen sich in diesen Fällen außer Stande, die Niederkunft noch mit konventionellen Methoden unter Kontrolle zu bringen. Auch traten statistisch gesehen bei 9,3 von 1000 Hausgeburten schwere Komplikationen wie Gehirnschäden, Probleme mit der Atmung, Knochenbrüche oder Lähmungen auf – bei stationären Entbindungen waren es nur 5,3 pro 1.000. Die Publikation bestätigt ältere Daten aus den Niederlanden, hier ist die Sterblichkeit bei Geburten außerhalb der Klinik sogar um den Faktor 2,3 höher.
Ganz so drastisch sind die Zahlen für Deutschland zwar nicht, dennoch muss auch bei uns jede zehnte Frau während der Geburt zur stationären Behandlung. Als Gründe werden starke Blutungen, ein Stillstand des Geburtsvorgangs oder Sauerstoffmangel des Kindes genannt. Das zeigt sich auch bei der Sterblichkeit: Pro 1000 Geburten nach der 37. SSW starben außerklinisch 2,1 und im Krankenhaus 1,3 Kinder.
Verantwortung: nicht nur bei Ärzten
Auf entsprechende Daten reagierte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe mit dem Hinweis, die größtmögliche Sicherheit für Mutter und Kind könne während der Entbindung nur in einer Geburtsklinik gewährleistet werden. Unter stationären Bedingungen ist und bleibt eine Vaginalgeburt aber der beste Weg, sollten keine Komplikationen zu erwarten sein. Kaiserschnitte hingegen wären nur bei begründeten medizinischen Indikationen sinnvoll. Haben Schwangere Angst vor Schmerzen oder bereits eine traumatische Geburt hinter sich, sind Kollegen gefragt, um gemeinsam mit ihren Patientinnen den besten Weg finden. Dazu gehören auch Empfehlungen wie beispielsweise die Periduralanästhesie.