Experten aus Politik, Industrie und Apothekerschaft fordern, mehr Rx-Präparate aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Dieser OTC-Switch festigt die Rolle des Apothekers als Heilberufler. Für Kunden hat es nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile.
Auf Einladung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) trafen sich Experten aus Politik, Industrie und Apothekerschaft, um über OTC-Switches zu sprechen. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass das Thema, gesundheitsökonomisch betrachtet, viel Potenzial hat.
Zuletzt hat die US-Arzneimittellbehörde Food and Drug Administration (FDA) Levocetirizin aus der Verschreibungspflicht entlassen. Amerikanische Patienten mit allergischer Rhinitis erhalten das Antihistaminikum künftig ohne Rezept. Schätzungsweise 60 Millionen Patienten gehören zur möglichen Zielgruppe. In Deutschland wurden bei ähnlichen Indikationen Mometasonfuroat und Fluticasonpropionat als OTC verfügbar gemacht. Großes Interesse besteht auch hinsichtlich der Kombination von Aciclovir mit Hydrocortison, um Lippenherpes zu behandeln. Hier hatte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein positives Votum ausgesprochen. Manche Triptane oder Analgetika sind längst zu Klassikern des Handverkaufs geworden.
Laut BAH festigen OTC-Switches den „Anspruch von Apothekern in ihrer Rolle als Heilberufler“. Die Beratung in der Selbstmedikation sei die Königsdisziplin der Pharmazie. „Switches mit einer engen Begleitung durch die Apotheker bieten große Chancen für die Versorgung“, sagte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, bei der Konferenz. Dr. Elmar Kroth zufolge, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH, würden sich informierte Patienten wünschen, mehr Verantwortung zu übernehmen. „Switches entsprechen diesem Wunsch nach mehr Selbstmedikation. Der Apotheker unterstützt Patienten dabei mit seiner heilberuflichen Beratung.“
Für Patienten sind OTC-Switches ein zweischneidiges Schwert. Sie freuen sich zwar, so manches Präparat ohne lästigen Arztbesuch zu bekommen. Dafür ist jedoch ein Preis zu zahlen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind OTCs keine verpflichtende Kassenleistung. Der BAH sieht in vermehrten OTC-Switches einen entscheidenden Vorteil. „Die apothekergestützte Selbstmedikation entlastet auch das Gesundheitssystem und schafft damit neue Spielräume für die Patientenversorgung“, schreibt der BAH. „Aus diesem Grund werden Switches in Deutschland auch von den zuständigen Behörden unterstützt.“ Angesichts großer Überschüsse, die Finanz-Reserven gesetzlicher Krankenkassen stiegen zuletzt auf 16,7 Milliarden Euro, beginnt sich das Blatt wieder zu wenden. Seit 2012 erstatten einige Krankenkassen OTCs wieder als freiwillige Satzungsleistung – wenn auch zu unterschiedlichen Konditionen. Schwinden die Reserven, könnte es schnell wieder zu Kürzungen in diesem Bereich kommen.