Vor, während und nach dem Studium begegnet uns ein Frage immer wieder: „Warum Medizin?“ Im Grunde wollen wir alle doch einfach nur ein guter Arzt werden. Aber wie dahin kommen? Welchen Weg gehen, wenn das Ziel gar nicht klar definiert ist?
Erstens: Was macht einen guten Arzt aus?
Wenn man an einen Arzt denkt und sich dabei Eigenschaften erwünschen könnte, fiele wohl die Wahl auf Nächstenliebe und Humanität. So die Idee, die einigen sicherlich im Kopf herumspukt. Die Realität, die Ansprüche der heutigen Welt an einen Arzt sehen aber viel komplexer und differenzierter aus! Er braucht zusätzlich zu dem „Heiligen Samariter“-Charakter wirtschaftliches Know-how, soll effizient arbeiten, will Fachexperte sein und noch so einiges mehr. Die Vorstellung des Otto-Normal-Verbrauchers vom Arzt beginnt beim Hippokratischen Eid und endet in der Praxis beim Ärger über den nachlässigen Getränkeservice. Ganz so weit sind wir noch nicht, dennoch ist eines klar: der Patient ist anspruchsvoll!
Doch was macht einen guten Arzt nun aus? Unsere eigenen Vorstellungen kollidieren mit denen unseres Arbeitgebers, der Patienten, der Realität! Beim Berufseinstieg zielt der Assistent ab auf Kompetenz in Diagnostik und Therapie, bringt viele gute Vorsätze von ausführlicher Anamnese und körperlicher Untersuchung mit - doch nicht selten werden gute Skills verlernt, führen mangelnde Wertschätzung und Zeitdruck zum Verlust des feurigen Idealismus. Nicht von der Hand zu weisen ist die höhere Depressionsrate junger Ärzte im Vergleich zur gleichaltrigen Allgemeinbevölkerung. Was bleibt ist oftmals eine Umorientierung des erfahrenen Arztes in Richtung menschlicher Zuwendung und Kommunikation. Außerdem die Erkenntnis über die Wichtigkeit eines Rückgrats. Entscheidungen müssen selbst getroffen werden, Verantwortung übernommen, Grenzen erkannt und Selbstreflektion geübt werden. Doch ist das immer so leicht? Wären dann nicht alle Ärzte der ominöse Halbgott? Ist das denn so? Die Antwort lautet nein. Sie sind und bleiben Menschen. Menschen mit großem Berufsethos, der es hoffentlich erlaubt, jeden Patienten nicht als Belastung, denn als herausfordernde Bereicherung zu sehen.
Zweitens: Wie führen uns unsere Universitäten dahin?
„Ein bißchen Güte von Mensch zu Mensch, ist besser als alle Liebe zur Menschheit", sagte Richard Dehmel. Und er erhält Zustimmung, von Arzt UND Patient. Liebe in Form von Zuwendung, Aufrichtigkeit und Vertrauen. Dies wollen Elemente der Arzt-Patienten-Beziehung sein, dem täglichen Brot im Leben auf Station und in der Praxis. Das ist wichtig für beide Parteien, für Arzt UND Patient. Wie man dies frühzeitig anstreben und erreichen könnte, zeigen viele Universitäten in Deutschland. Die Uni Mainz integriert die individuelle Kompetenzförderung bereits im Rahmen der Vorklinik im Fach „Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie“. Hier werden kommunikative Fähigkeiten im Kleingruppen-Unterricht zum Beispiel mittels Gesprächsübungen, Videoanalyse und Rollenspielen analysiert und ein Ausbau dieser angestrebt. An sechs Stationen probieren sich die Studenten aus. Die beste Leistung fällt bei der Anamnese auf, die schlechteste Kompetenz bei der Diagnosemitteilung. Bei einer Rückfrage gaben die Studenten an, dass sie sich einen unbedingten Beibehalt des Kurses wünschten.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt fand an der Universität Ulm statt. Der Kurs trägt den Namen "Ärztliche Gesprächsführung und Sozialkompetenz". Die Fakultät verfolgt ein interaktives, longitudinal-curriculares Lehrkonzept mit Schwerpunkt im siebten Semester. Die Lernziele beinhalten eine Wissensaneignung und Praxiserprobung zu Themen wie Selbstkompetenz, Patiententypologie, Emotionen erkennen und interpretieren können.
An der Universität Innsbruck wird ein besonders kritisches Thema zur Sprache gebracht: Überbringung schlechter Nachrichten. Nie ist es einfach, eine infauste Prognose zu stellen und diese dem Betroffenen und Angehörigen nahe zu bringen. Doch auch das ist trauriger Bestandteil ärztlichen Alltags. Deshalb will die Universität den mutigen Schritt gehen und auch hierauf eine Augenmerk richten. Mit diesem Thema sollte man niemanden, erst recht keinen Anfänger allein lassen.
Doch nachdem man nun das gesamte Studium der Humanmedizin durchlaufen hat und plötzlich vor dem Patienten steht, ist man dann wirklich vorbereitet? Theorie ist schön und gut, doch wirklich übt die Praxis. Deshalb mit Vollgas an Krankenpflegepraktikum, Famulatur, PJ und Assistenzzeit.