Das Kabarett der Berliner Charité ist eines der Highlights der Erstsemesterwoche. Jedes Semester begrüßen Studenten ihre neuen Kommilitonen mit Sketchen und Parodien. Da bekommt jeder sein Fett weg: von blutrünstigen Chirurgen bishin zu Macho-Orthopäden.
Das Mediziner-Kabarett der Charité existiert seit fast 30 Jahren und ging ursprünglich auf eine Initiative der FU-Studenten für die Orientierungseinheit der Erstsemester zurück. Da das Medizinstudium sehr streng organisiert war, sollte das Kabarett etwas Auflockerung verschaffen. Was bei den Studenten sehr gut ankam, erzeugte bei einigen Professoren mitunter Ärger, so dass das Kabarett wenig Unterstützung aus der Hochschulleitung erfuhr und sogar verboten werden sollte. Dies hat sich mittlerweile jedoch geändert. Heute ist das Kabarett ein fester Bestandteil der Einführungswoche und ein Termin im Kalender (fast) jedes Professors. Eine typische Veranstaltung dauert drei Stunden und ist eine Mischung aus musikalischen Stücken und selbstgeschriebenen Sketchen. Zum letzten Kabarett kamen 1.300 Studenten. Joanna Fedun studiert im 9. Semester an der Charité und ist Leiterin des OE-Kabaretts.
DocCheck: Wie bist Du zum Kabarett gekommen? Joanna: In meinem ersten Semester an der Charité suchten die Kabarettisten gerade neue Mitspieler und haben ein Auswahltreffen angekündigt. Zu diesem Treffen bin ich gegangen und so seit meinem 2. Semester Mitglied beim Kabarett. Seit 6 Semestern leite ich das Kabarett und übernehme die Organisation. Leider wird das nächste Kabarett aber mein letztes sein, da ich im nächsten Herbst das praktische Jahr beginne.
DocCheck: Wie wählt ihr Eure Sketche aus? Joanna: Alle Sketche sind selbst geschrieben. Wir treffen uns jedes Semester ungefähr zwei Wochen vor dem Auftritt und sammeln Vorschläge. Dabei sind die Themen vielfältig: Das geht vom letzten Kinofilm, über Politik und Wirtschaft bis hin zu Charité-internen Problemen. Dann bilden sich meistens kleinere Gruppen, die zusammen einen Vorschlag zu einem Sketch ausarbeiten. Am Ende wird dieser Sketch allen vorgestellt, dann wird gemeinsam geholfen und verbessert. Allerdings sind die Kabarettisten die mit Abstand strengste Jury, wenn es um darum geht, wie lustig der Sketch ist.
DocCheck: Wie sieht's mit Stereotypen aus? Sind bei Euch Orthopäden Machos und Chirurgen allmächtige Herrscher über den OP-Saal? Joanna: Natürlich sind Stereotypen ein beliebtes Mittel für unsere Sketche. Dazu muss man allerdings sagen, dass man im Krankenhaus-Alltag oft genug Ärzte trifft, die genau diese Klischees bestätigen. Durch unsere Erfahrungen aus Pflegepraktika und Famulaturen gehen uns die Ideen für diese Stereotypen also nie aus.
DocCheck: Welcher Sketch hat dir am meisten Spaß gemacht? Joanna: Meinen absoluten Lieblingssketch haben wir im Sommersemester 2011 aufgeführt. Romeo, ein Chirurg, ist unsterblich in die Anästhesistin Julia verliebt. Allerdings ist eine Liebe zwischen den verfeindeten Chirurgen und Anästhesisten nicht möglich. Während einer Operation gesteht Romeo Julia seine Liebe und beide beschließen nach Brandenburg zu fliehen, um dort eine Landarztpraxis zu eröffnen. Während verzweifelter Liebesschwüre kommt es zum Kammerflimmern des Patienten. Bei dem heldenhaften Versuch, dem Patienten durch Defibrilation das Leben zu retten, erleidet Romeo einen Stromschlag und stirbt. Julia erträgt es nicht, ohne Romeo weiter zu leben und ersticht sich mit dem blutigen Skalpell. Besonders die altertümliche Sprache, die wir beibehalten haben, und die bekannten Passagen aus dem Original machen den Sketch beliebt.
DocCheck: Welche Botschaft wollt ihr unter den Studenten vermitteln? Joanna: Ich denke das Wichtigste, was wir den Studierenden und auch den Dozenten und den Mitarbeitern der Charité vermitteln, ist ein Gefühl von Zusammenhalt. Die Charité ist mit drei Campi über ganz Berlin verstreut. Das Kabarett spricht Themen an, die jeder kennt, über die sich jeder ärgert oder über die auch jeder lachen kann. Seien es nun die Sparpolitik der Charité, die verrückten Öffnungszeiten von Lehrsekretariaten, die Angst und der Schrecken vor dem Physikum oder die Eigenheiten von bestimmten Dozenten. Das alles verbindet und das ist auch das was mir am Kabarett am besten gefällt: jeder kann mitlachen und nach einem solchen Abend verlässt man das Audimax mit dem guten Gefühl, ein Teil davon zu sein.
DocCheck: Wie rekrutiert Ihr neue Kabarettisten? Gibt es ein Auswahlverfahren? Joanna: Wir machen in jedem Semester ein Treffen für Studierende, die bei uns mitmachen möchten. Allerdings fällt die Auswahl immer sehr schwer. Es gibt wirklich viele begabte Studierende an der Charité, aber unsere Kabarett-Gruppe ist relativ klein. Aus diesem Grund können wir leider immer nur wenige Studierende neu aufnehmen. Dabei kommt es besonders darauf an, wie gut jemand in die Gruppe passt und das müssen wir während des kurzen Treffens entscheiden. Außerdem suchen wir oft bestimmte Charaktere, die eine bestimmte Rolle auf der Bühne übernehmen können.