Wie lässt sich das heutige Medizinstudium erfolgreich meistern? Steht wirklich das Verständnis der Krankheitsbilder im Vordergrund? Oder reicht das stumpfe Pauken von Altfragen für gute Noten? Ein kritischer Kommentar über den ganz normalen Prüfungswahnsinn.
Naivität im ersten Semester
Zu Beginn meines Medizinstudiums war ich hochmotiviert, engagiert und leider auch ziemlich naiv. Ich dachte tatsächlich, dass es möglich wäre, immer vorbereitet in den Vorlesungen zu sitzen und dann abends zahlreiche dicke Lehrbücher konzentriert durchzulesen. Nach wenigen Wochen war ich bereits chronisch übermüdet, kam in einigen Fächern nicht annähernd mit dem Lesen und Lernen hinterher, und erntete schließlich sogar schlechtere Noten. Mit diesem Verlauf war ich lange nicht die einzige Studierende! Besonders ältere Kommilitonen, die schon einige Jahre aus dem Schulalltag heraus waren, taten sich sehr schwer und brauchen bis heute für einige Prüfungen mehrere Versuche. Ich selber war recht schnell unzufrieden mit meinem Studienalltag und versuchte aus Verzweiflung und Zeitnot spontan eine ganz neue Lernstrategie: Anstatt die Inhalte zu verstehen und Sachverhalte auswendig zu lernen, organisierte ich mir ein paar Altklausuren.
„Schwarzmarkt“ für Medizinstudenten
Bis es soweit kommen konnte, musste ich zunächst zum ersten Mal in meinem Leben durch eine wichtige Prüfung rasseln. Es handelte sich dabei um Physik I und ich hatte fast zwei Wochen damit verbracht, die Grundgesetze der Mechanik zu verstehen und teilweise auch noch erklären zu können. Am Abend vor der Klausur war ich mit meiner Vorbereitung hoch zufrieden und fiel aus allen Wolken, als ich am nächsten Tag kaum eine Multiple-Choice-Frage beantworten konnte. Bei meinem zweiten Versuche schenkte ich mir schließlich das Verständnis und lernte die Antworten aus drei Altklausuren auswendig. Richtig verstanden hatte ich die Fakten dabei zwar nicht, bekam aber trotzdem eine gute Zwei als abschließende Physiknote.
Schnell stellte ich fest, dass auch viele andere Studierende ähnliche Erfahrungen gemacht haben mussten. So gibt es an meiner Uniklinik tatsächlich ein eigenes Online-Portal von Studenten für Studenten, auf dem sämtlich Vorlesungsmaterialien, Skripten und Altklausuren jederzeit verfügbar sind. Und das ist nicht noch lange nicht alles! Zwischen den Vorlesungen werden alte Prüfungsmitschriften getauscht, kopiert wie auf einem Schwarzmarkt unter die Leute gebracht. Nicht zu vergessen die zahlreichen Bücher der Schwarzen Reihe, in denen Altfragen der letzten Jahrzehnte inklusive nachzulesen sind. Bei dieser etwas anderen Vorbereitungsstrategie, die mir selbst zum Überleben des Prüfungswahnsinns unverzichtbar scheint, bleibt tiefes Verständnis meist auf der Strecke. Die Zeitersparnis ist hingegen riesengroß.
Mit Strategie zum Prüfungserfolg
Mittlerweile studiere ich im 7. Semester und habe die Physik glücklicherweise unbeschadet hinter mir gelassen. Die zeitsparende Strategie der Prüfungsvorbereitung mit Altklausuren habe ich dagegen bis heute beibehalten. Im letzten Tertial standen beispielsweise knapp zehn Prüfungen von sieben verschiedenen klinischen Fächern auf meinem Stundenplan. Und das in der Regel parallel zum Unterricht im Wochentakt. Wenn man dann bedenkt, dass viele Studierende Familie haben und arbeiten müssen, um sich den Unterricht an einer Uniklinik leisten zu können, wird Eines ganz schnell deutlich: die verbleibende Zeit nach Pflichtveranstaltungen, Nebenjob und Alltagroutine reicht selten aus, um dicke Lehrbücher mit kleiner Schrift und bis zu 1000 Seiten Umfang zu studieren.
Wir Medizinstudierende möchten ja auch hin und wieder etwas essen oder ein paar Stunden schlafen. Schließlich gibt mir auch mein persönlicher Lernerfolg ein Stück weit Recht. Mit super geringem Lernaufwand und so wenig Anwesenheit wie nötig erziele ich relativ oft sehr gute Prüfungserfolge. Ob das Pauken alter Klausuren aus mir später eine gute und kompetente Ärztin werden lässt, steht hingegen auf einem ganz anderen Blatt geschrieben…
Was für ein Lerntyp bist Du? Flotte Nummer oder lange Bahn? Berichte in den Kommentaren von deiner besten Strategie!