Das findet jedenfalls die Europäische Kommission. Nach einem Vorschlag aus Brüssel soll das Medizinstudium europaweit nur noch mindestens fünf anstatt wie bisher sechs Jahre betragen. Die Summe der Unterrichtsstunden soll dabei aber nicht verringert werden. Ist das realistisch?
Die „Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen des Europäischen Parlamentes“ regelt die Ausgestaltung des Medizinstudiums in den europäischen Mitgliedsländern. Bisher hieß es dort, dass die ärztliche Grundausbildung mindestens sechs Jahre oder 5.500 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht umfassen müsse. Das soll sich jetzt ändern, wie DocCheck bereits berichtete.
Bald 90 anstatt 72 Semesterwochenstunden?
Die ärztliche Grundausbildung muss zukünftig nur noch fünf Jahre, aber trotzdem 5.500 Stunden Unterricht umfassen. So hätten es jedenfalls gerne die Abgeordneten in Brüssel. Würden einige Länder ihr Medizinstudium dementsprechend verkürzen, müssten auch die anderen aus Konkurrenzgründen nachziehen. Bei einem bereits jetzt schon ausgelasteten Stundenplan mit einer Vielzahl von zusätzlichen Praktika und Famulaturen in den Semesterferien, soll also das gleiche Pensum in noch kürzerer Zeit bearbeitet werden. Wenn dabei das Praktische Jahr in seiner derzeitigen Form erhalten bleibt, müssten die 5.500 Stunden auf acht statt den bisher zehn Semester aufgeteilt werden. Daraus resultiert eine Erhöhung von 72 auf 90 Semesterwochenstunden, die auf die Qualität der praktischen Fähigkeiten und Kenntnisse schlagen würde, rechnet der Medizinische Fakultätentag (MFT) vor.
Zeitliche Verschärfung führt zu sozialer Selektion.
Auf Seiten der Studierenden trifft der Vorschlag auf Unverständnis. „Mein Studium ist jetzt schon total überfrachtet. Die Chance meine Doktorarbeit dabei zu machen, hätte ich dann nicht mehr“, sagt Hanna Schröder, PJ-Studentin in Aachen. Eine Verdichtung des Curriculums auf fünf Jahre lässt sich schwer vorstellen. Zum einen würde das schon jetzt sehr anspruchsvolle Studium insbesondere für lernschwächere, ältere und ausländische Studierende erschwert und so zu einer höheren Abbrecherquote führen. Zum anderen fragen sich die Universitäten wie sie die zusätzlichen Lehrangebote bei bereits jetzt ausgeschöpften Personalressourcen gewährleisten sollen. Darüber hinaus würde durch die Verschärfung der zeitlichen Ansprüche des Studiums ein Nebenverdienst zur Studienfinanzierung erschwert und damit die soziale Selektion gefördert, stellt der MFT fest.
Das Studium sollte eher länger werden.
Nicht ohne Grund laufen Vertreter der Ärzteschaft, Medizinischen Fakultäten und Studierendenschaft in Deutschland und Österreich Sturm gegen den Vorstoß. Die Idee einfach ein komplettes Jahr einzusparen ohne beim Inhalt zu kürzen, erscheint bei näherer Betrachtung unlogisch. Durch wissenschaftlichen Fortschritt und steigenden Anspruch an die Mediziner von Morgen, liegt eher eine Verlängerung des Studiums nahe. Auch Aspekte wie Medizinökonomie und Managementprozesse, die im Alltag immer mehr an Bedeutung gewinnen, haben bisher noch überhaupt keinen Stellenwert in der Ausbildung. In Zeiten in denen sich viele medizinische Ausbildungsberufe akademisieren, erscheinen Rückschritte im Medizinstudium schizophren, finden nicht nur Vertreter der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK).
Einfach PJ weglassen?
Auch eine Abgliederung des Praktischen Jahres auf einen Zeitraum nach dem Studium, wie es etwa im angelsächsischen Raum üblich ist, wäre keine gute Idee. Gerade der Status als Studierender bietet einen optimalen Rahmen für das Erlernen von praktischen Fähigkeit und Vertiefen von Wissen in einem geschützten Umfeld ohne Leistungs- und Kostendruck. Einschnitte würden zwangsläufig zu einer verminderten Ausbildungsqualität und einer damit verbunden Gefährdung der Patientensicherheit führen, die wiederum erhöhte Kosten für das Gesundheitssystem nach sich zögen.
Und warum das Ganze?
Das erklärte Ziel des Vorschlags der Europäischen Kommission ist eine verbesserte Mobilität der Medizinstudierenden innerhalb Europas. Im Sinne einer schrittweisen „Bachelorisierung“ sollen die Studiengänge synchronisiert und angeglichen werden um einen reibungslosen Wechsel zwischen den Universitäten zu ermöglichen. Deswegen soll darüber hinaus auch in der Richtlinie das ECTS-Punktesystem integriert werden um die Anrechenbarkeit der Leistungen zwischen den Nationen zu erleichtern. Grundsätzlich eine gut Idee, aber ob das so der richtige Weg ist?
Ja, ist das der richtige Weg? Was meint Ihr? Die Diskussion in den Kommentaren ist eröffnet!