Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle bei der Emotionsregulation. Das Hippocampusvolumen ist Gegenstand vieler Studien, denn Tierversuche weisen darauf hin, dass mütterliche Zuwendung die Entwicklung des Hippocampus beeinflusst.
Dass das Hippocampusvolumen auch beim Menschen von der "Menge" an mütterlicher Zuwendung abhängt, konnten nun die Kinderpsychiaterin Joan L. Luby von der Washington University School of Medicine in Saint Louis, USA, nachweisen.
Die Autoren begleiteten 92 Kinder von der Kindergarten- bzw. Vorschulzeit bis in die Schulzeit hinein, in der sie dann das Hippocampusvolumen mittels Magnetresonanztomografie (MRT) ermittelten. Zu Studienbeginn waren die Kinder zwischen drei und fünf Jahre alt. Vier bis sechs Jahre lang interviewten die Autoren die Eltern einmal jährlich. Sie nutzten das Preschool Age Psychiatric Assessment (PAPA), um psychiatrische Erkrankungen insbesondere Depressionen zu erfassen. Hiernach wurde die Studiengruppe in zwei Kategorien aufgeteilt und zwar in Kinder mit Anzeichen einer Depression (n = 41) und Kinder ohne Depression (n = 51).
Im zweiten Studienjahr führten die Wissenschaftler mit den Hauptbezugspersonen und den Kindern ein Experiment durch. (Die "Bezugspersonen" waren zu 96,7% Mütter, daher ist im Folgenden der Einfachheit halber von "Müttern" die Rede.) Hierzu befanden sich Mutter und Kind in einem Raum, in dem ein aufwendig verpacktes Geschenk stand. Die Kinder sollten 8 Minuten lang warten, bis sie das Geschenk auspacken durften. In dieser Zeit mussten die Mütter Fragebögen ausfüllen. Diese Wartesituation führte also zu moderatem Stress bei Mutter und Kind. Geschulte Rater beobachteten das Geschehen, wobei sie jede Szene, in der die Mutter das Kind emotional unterstützte, als eine unterstützende Einheit erfassten. Im Alter von 7-13 Jahren erhielten dann alle Kinder ein MRT (ohne Sedierung).
Signifikantes Ergebnis nur bei nicht-depressiven Kindern
Das MRT zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Zuwendung in der Wartesituation und der Hippocampusgröße, wobei es zwischen den Hemisphären keinen signifikanten Unterschied gab. Pro Einheit mütterlicher Unterstützung war das Hippocampusvolumen um geschätzte 13,4 mm³ erhöht. Interessant war jedoch: Dieser Zusammenhang war nur bei den nicht-depressiven Kindern signifikant.
Die Autoren stellten fest, dass nicht-depressive Kinder mit hoher mütterlicher Unterstützung ein signifikant höheres Hippocampusvolumen hatten als diese Kinder:
Aus diesen Ergebnissen schließen die Autoren, dass psychosoziale Einflüsse einen bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung des Hippocampus haben.
Studienergebnisse wie diese sind möglicherweise auch für das Forschungsgebiet rund um das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) interessant. Auch in diesem Zusammenhang wird die Hippocampusgröße immer wieder diskutiert, wobei die Befunde teilweise widersprüchlich sind. Eine MRT-Studie aus dem Jahr 2006 mit 51 ADHS-Kindern und 63 gesunden Kindern ergab, dass das Hippocampusvolumen bei ADHS-Kindern beidseits vergrößert war. Hingegen geht der Neurobiologe Gerald Hüther davon aus, dass ADHS die Folge früher Traumatisierungen sein kann, die mit einem geringeren Hippocampusvolumen assoziiert sind.
Aber auch für die Diskussionen rund um die Themen "Bildung und Bindungssicherheit" oder die Unterbringung von Kleinkindern in Ganztageseinrichtungen liefern solche Studienergebnisse sicher wertvolle Anregungen. Auf weitere Forschungsarbeiten in diese Richtung können wir gespannt sein.