Unbezahlte Überstunden und viele Nachtdienste sorgen dafür, dass sich Medizinstudenten immer mehr Gedanken um Alternativen zum Arztberuf machen. In dieser Reihe stellen wir verschiedene alternative Tätigkeitsfelder vor.
Dr. med. Nicolas Busch (28) hat im Frühjahr 2011 sein Medizinstudium an der Universität Bonn abgeschlossen und startete danach ein Praktikum als Visiting Associate bei der Boston Consulting Group (BCG). Seit Oktober arbeitet er nun vollberuflich für die Unternehmensberatung, als Junior Consultant in deren Kölner Büro. In diesem Interview wird er erzählen, wie er zur dem Job gekommen ist und warum dieser Beruf für ihn eine wichtige Alternative zur Klinik darstellt.
DocCheck: Wussten Sie schon während des Studiums, dass Sie später in der Unternehmensberatung tätig sein möchten? Dr. med. Nicolas Busch: Neben der reinen ärztlichen Tätigkeit haben mich viele andere Bereiche interessiert. Ich war in der Wissenschaft und in studentischen Organisationen sehr aktiv. Zudem habe ich mich sehr für Wirtschaft interessiert. Ich machte mir aber erst gegen Ende des Studiums Gedanken über mögliche Alternativen zum Klinikeinstieg. In jedem Fall wollte ich noch mal "etwas anderes" ausprobieren. Einblicke in den Beraterberuf konnte ich bei einem Workshop der Boston Consulting Group nehmen. Es faszinierte mich, zu sehen, wie ich mein Fachwissen und meine Fähigkeiten bei wirtschaftlichen Fragestellungen einbringen konnte. Und dann lag es nahe, mich für die Zeit nach dem Studium für ein Praktikum bei BCG zu bewerben.
DocCheck: Ist eine Beratertätigkeit auch ohne große wirtschaftliche Vorkenntnisse möglich? Busch: Ohne Wirtschaftsstudium durchläuft man zu Beginn einen zweiwöchigen BWL-Crashkurs, in dem man lernt, beispielsweise mit Bilanzen, Kostenrechnung und Unternehmensbewertungen umzugehen – "Exotentraining" nennen wir das bei BCG. Als Mediziner bin ich keine Ausnahme. Nur die Hälfte der Berater bei BCG hat einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Das macht die Arbeit so spannend: In den interdisziplinären Teams mit Ingenieuren, Juristen, Soziologen und Betriebswirten lassen sich wirtschaftliche Abläufe aus einer völlig neuen Perspektive betrachten – dadurch entstehen nicht nur kreative Ansätze und Lösungen für unsere Kunden, es ist auch persönlich eine große Bereicherung. Dass ich kein BWLer bin, ist bisher noch nicht aufgefallen und in dem Team sind die Hintergründe der einzelnen Mitglieder oft so gemischt, dass fehlendes Wissen des einen durch das Wissen anderer immer aufgeholt werden kann. Bei speziellen Fragen hat man auch immer einen Ansprechpartner, der einem weiterhilft.
DocCheck: Was war Ihr erstes Projekt? Busch: Es wurde eine Unternehmensbewertung einer Firma aus dem Healthcare-Bereich durchgeführt. Meine Aufgabe war es, eine Analyse mit unterschiedlichen Szenarien zu den Expansionsmöglichkeiten durchzuführen. Das bedeutet, sich anzuschauen, auf welchen Märkten das Unternehmen schon agiert und auf welchen anderen Märkten noch Bedarf für das angebotene Produkt bestehen könnte.
DocCheck: Wie sieht der typische Berateralltag aus? Busch: Die Wochen sind sehr abwechslungsreich. Meist ist man von Montag bis Donnerstag vor Ort beim Kunden: Gespräche und Diskussionen mit dem Kundenteam, Analyse von Studien zur Marktentwicklung, Workshops mit Mitarbeitern des Unternehmens. Feste Arbeitszeiten gibt es nicht. Manchmal ist man abends noch mit einer Analyse oder mit der Vorbereitung eines Kundenmeetings beschäftigt. Am Donnerstag fährt man dann in der Regel wieder nach Hause und verbringt den Freitag, den so genannten Office-Friday, im eigenen Büro. Hier trifft man sich mit Leuten aus anderen Projekten um sich auszutauschen.
DocCheck: Warum sollte man den Arztberuf aufgeben und Unternehmensberater werden? Busch: Ich habe mich nie gegen die Medizin sondern für die Unternehmensberatung entschieden. Mich faszinierte die Möglichkeit, zusammen mit unterschiedlichen Kunden aus fast allen Branchen vielfältige Fragestellungen zu bearbeiten und mit Entscheidern etwas voran zu bringen. Jeden Tag werden meine Neugier und mein Wissensdurst letztendlich neu herausgefordert. Für mich ist das die Möglichkeit, vielfältige Erfahrungen zu sammeln und in einem Umfeld mit flachen Hierarchien zu arbeiten, wo sich jeder mit seinen eigenen Ideen gut einbringen kann. Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Im übertragenen Sinn ist der analytische Lösungsansatz eines Mediziners mit Diagnostik, Diagnose und Therapie auch wesentlicher Bestandteil der Arbeitsweise des Unternehmensberaters. Die starke Kommunikationskomponente macht die zwei Berufe dann ebenfalls recht ähnlich.
DocCheck: Welche Voraussetzungen sollte man als Medizinstudent mitbringen, um sich als Unternehmensberater zu bewerben? Busch: Generell gilt: Analytisches Denkvermögen ist für die Arbeit als Strategieberater bei BCG ebenso wichtig wie eine ausgeprägte Kommunikationsstärke. Man sollte neugierig sein, da sich ein Berater regelmäßig mit einem neuen Projekt, einem neuen Kunden und einer neuen Fragestellung beschäftigt. Als formale Voraussetzung sollte man sein Studium mit guten bis sehr guten Noten abgeschlossen haben, über erste Praxis- und Auslandserfahrung verfügen und sich auch außerhalb des Studiums engagiert haben.
DocCheck: Was passiert, wenn man nicht mehr als Unternehmensberater tätig sein möchte? Busch: Aufgrund der vergleichsweise steilen Lernkurve hat man hervorragende Möglichkeiten, in höhere Positionen in anderen Branchen, etwa in eine leitende Position im Gesundheitswesen, zu wechseln. Der Wiedereinstieg in den Arztberuf hängt natürlich stark davon ab, wie lange man als Berater gearbeitet hat.
DocCheck: Welche Ratschläge können Sie Medizinstudenten geben, die sich vorstellen können, als Unternehmensberater arbeiten zu können? Busch: Wer sich für den Beraterjob interessiert, sollte ihn am besten einmal ausprobieren. Eine gute Möglichkeit dafür sind Workshops, bei denen man die Arbeitsweise eines Beraters kennenlernen kann. Man bekommt gute Einblicke in die Fragestellungen und Methoden und erfährt, wie man sein Wissen in der Strategieberatung einsetzen kann. Einen noch besseren Eindruck bekommt man bei einem Praktikum.
Hier einige Unternehmensberatungen für die medizinische Branche: Boston Consulting Group McKinsey Deloitte Ernest & Young ADMED Hering Schuppner