Wer mehr Patienten versorgt, soll mehr verdienen – unabhängig von der Versicherung der Patienten. Davon ist Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, überzeugt. Sie erklärt im Interview, wofür Ärzte stimmen, wenn sie bei der Bundestagswahl Die Linke wählen.
Frau Vogler, was sind die Schwerpunkte ihrer Gesundheitspolitik? Die Reformen der letzten Jahrzehnte haben unser Gesundheitswesen mehr und mehr zu einem Markt gemacht. Es geht um höchstmögliche Profite. Das halten wir nicht für einen geeigneten Bereich der Daseinsvorsorge, die die Gesundheit ja sein sollte. Deshalb geht es uns darum, das Gesundheitswesen so zu gestalten, dass es sich an den Interessen der Patienten orientiert. Was bedeutet das für Ärzte? Die Arztpraxis sollte wieder zu dem werden, wozu sie ursprünglich einmal gedacht war, nämlich zu einem Ort der Prävention und Versorgung von Patienten – und dies nach dem besten Stand der wissenschaftlichen Praxis, nicht in erster Linie nach ökonomischen Kriterien. ©Kathrin Vogler Was haben Ärzte in der Gesundheitspolitik von den Linken zu erwarten? Wir setzen uns für mehr Kooperation statt Konkurrenz ein. Das heißt, wir wollen eine gemeinsame Bedarfsplanung für Krankenhäuser und ambulante Versorgung einführen. Im Augenblick wird diese über die Kassenärztliche Vereinigung gemacht, die einen Sicherstellungsauftrag hat. Daneben findet die Krankenhausplanung statt, für die, zusammen mit den Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft, die Länder zuständig sind. Wir wollen, dass dies ein gemeinsamer Bereich wird – gerade im Hinblick auf die schlechte Versorgung im ländlichen Raum. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Man könnte zum Beispiel gemeinsame Planungsausschüsse bilden, so dass auch die Länder und Krankenversicherungen sich besser abstimmen in der Frage, welchen Versorgungsbedarf es gibt. Dazu brauchen wir eine wissenschaftliche Versorgungsforschung zu der Frage, wo es eigentlich hingehen muss in den jeweiligen Regionen. Wenn sie ganz allein regieren könnten, was würde sich für Ärzte ändern? Reden wir erst einmal über Geld. Im Moment haben wir zwei verschiedene Versicherungssysteme, sodass das Einkommen von Ärzten sich danach orientiert, wie viele Privatversicherte in der Kartei sind. Das macht es für Ärzte unattraktiv, dort zu arbeiten, wo die meisten kranken Patienten leben, nämlich in den sozialen Brennpunkten der Großstädte oder im ländlichen Raum. Wir wollen eine gemeinsame solidarische Versicherung für alle, sodass der Arzt bei jedem Patienten mit dem gleichen Honorar rechnen kann. Wer mehr arbeitet und mehr Patienten versorgt, soll auch mehr verdienen. Wir wollen also das Leistungsprinzip in die ärztliche Vergütung einführen. Es soll nicht weniger Geld in den Honorarpool einfließen, es soll aber anders verteilt werden. Das ist ja eigentlich eine durchweg kapitalistische Vorgehensweise. Nein, es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn sich jemand in Gelsenkirchen Nord für seine ohnehin benachteiligten Patienten zehn Stunden am Tag abrackert, dann soll er auch mehr verdienen als derjenige, der am Starnberger See am Nachmittag wohlsituierte Patienten versorgt. Wohin geht die Reise? Wo stehen wir in 20 Jahren? Die Frage ist, wie sich unser Gesundheitssystem entwickelt. Setzen wir weiter auf Wettbewerb und Profitstreben, dann werden wir irgendwo da landen, wo heute die USA stehen mit einer eklatanten Ungleichheit in der Versorgung. Wir können aber auch umsteuern und das Gesundheitssystem solidarisch ausrichten. Dann sehe ich eine Zukunft, in der Ärzte in Teams zusammen mit anderen Gesundheitsberufen für jeden Patienten maßgeschneiderte Therapien entwickeln. Ich sehe ein System, in dem der Staat in die Forschung investiert, damit wir dort, wo es weniger lukrativ ist, neue Medikamente entwickeln. Und ich sehe ein Land, in dem jeder eine vernünftige Krankenversicherung hat, die ihn gesund hält.