Tablet-Computer glänzen durch ein niedriges Gewicht und geringe Abmessungen. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass Nutzer eine ergonomisch bedenkliche Kopf- und Nackenhaltung einnehmen. Müssen sich Ärzte also bald auf ein neues „Krankheitsbild“ einstellen?
Tablet-Computer sind der Renner dieser Tage. Gut drei Millionen Geräte wurden mittlerweile in Deutschland verkauft, Tendenz steigend. Und auch in Kliniken und Praxen scheint man den Nutzen für sich entdeckt zu haben. Nach einer aktuellen Umfrage besitzen 26 Prozent aller online-aktiven Ärzte in Europa ein iPad, in Deutschland 28 Prozent. Sie suchen damit vor allem nach Informationen und Fachartikeln im Internet oder nutzen es, um ihre Patienten zu informieren. Die vielfältigen Funktionen, die Mobilität und die langen Akkulaufzeiten der Geräte verleiten zur Nutzung über längere Zeiträume. Doch dafür sind die Tablets offenbar nicht so recht geeignet.
Ergonomische Besonderheiten
In ergonomischer Sicht unterscheiden sich Tablets und konventionelle Computer vor allem darin, dass bei ersteren der Monitor und die Eingabemedien zum Touch-Screen vereint wurden. Anders als etwa bei einem Laptop kann man daher den Winkel zwischen Monitorebene und Eingabemedium nicht verstellen, geschweige denn unabhängig voneinander positionieren, wie dies bei einem Desktop-PC möglich ist. Was das für Folgen haben kann, untersuchten Forscher in einer kürzlich veröffentlichten Studie. Darin wurden 15 Probanden vor die Aufgabe gestellt, zwei verschiedene Tablet-Computer (iPad2 und Motorola Xoom) in vier praxisnahen Situationen zu bedienen. Sie mussten die Geräte mit der Hand im Schoß platzieren (a), dort in einem Zubehörständer („Case“) ablegen (b) und sie in einem flacheren (c) und einem steileren Winkel (d) im Case auf einem Tisch aufstellen. Während die Probanden dann surften, mailten oder Videos anschauten, wurde ihre Kopfhaltung gemessen.
Schlechte Voraussetzungen für entspanntes Arbeiten
Die Messungen ergaben, dass lediglich die steilwinklige Positionierung (d) auf einem Tisch eine annähernd normale Kopfhaltung erlaubte. In allen anderen Fällen und auch im Vergleich zu Desktop-Computern und Laptops waren Kopf und Nacken mehr nach vorne, die Blickachse deutlich mehr nach unten geneigt – keine guten Voraussetzungen für ein entspanntes Arbeiten. Bei den auftretenden Neigungswinkeln wird die Muskulatur im Nackenbereich nämlich verstärkt belastet. Es sei daher mehr als bei anderen Computern mit Nacken- und Schulterschmerzen zu rechnen, so die Autoren der Studie. Ist demnach zu befürchten, dass Ärzte künftig nicht nur Patienten mit Maus-Arm, sondern auch solche mit einem Tablet-Nacken behandeln müssen?
Prävention durch Dynamik
Dr. Ahmet Çakir sieht die Situation entspannt. Der Ingenieur und Geschäftsführer des Ergonomic Instituts für Arbeits- und Sozialforschung in Berlin untersucht Mensch-Computer-Interaktionen seit Jahren und relativiert die Ergebnisse der Studie. „Wer längere Zeit in einer bestimmten Körperhaltung verharrt, wird Beschwerden haben, egal ob das nun an einem Laptop oder an einem Tablet ist. Aber bei einem Tablet kann man so leicht wie bei kaum einem anderen Gerät zwischen verschiedenen Haltungen wechseln.“ Prävention durch Dynamik, so lautet also die Devise. Doch anscheinend warten iPad und Co noch mit weiteren Ergonomieproblemen auf. So beklagen Nutzer beispielsweise, dass beim längeren Lesen die Augen ermüden - eine bekannte Begleiterscheinung von Displays mit Hintergrundbeleuchtung und spiegelnden Oberflächen. Andere stören sich an der virtuellen Tastatur. Schon nach einer Dreiviertelstunde Tipparbeit würden Nacken, Finger und Handgelenke schmerzen.
Çakir bestätigt die Existenz dieser Probleme und rät, Tablets nicht für Aufgaben zu verwenden, für die sie nicht konzipiert wurden. „Die Hochglanz-Displays bringen Fotos und Videos brillant zur Geltung, die virtuelle Tastatur lässt kürzere Eingaben zu; für stundenlanges Lesen und Schreiben sind diese Technologien einfach nicht geeignet.“
Zubehör beugt Problemen vor
Was aber tun, wenn doch einmal längere Texte zu lesen oder zu schreiben sind? Dann lautet die Empfehlung, die Tablets erhöht und möglichst aufrecht zu positionieren. Dies ist etwa mit den als Zubehör erhältlichen Cases oder Ständern möglich. Eine zusätzliche externe Tastatur ermöglicht ergonomisches Schreiben. „Es gibt Ausführungen, die nicht mal 500 Gramm wiegen, in jede Aktentasche passen und kabellos – etwa per Bluetooth - mit dem Tablet verbunden werden“, sagt Çakir.
Bleiben noch die Reflexe. Wen sie stören, der kann ihnen mit Entspiegelungsfolien zu Leibe rücken. Damit leidet zwar die Brillanz etwas, aber die Lesbarkeit wird besser. Allerdings sollte man sich beraten lassen, welche Folien die Tablet-Steuerung durch Gesten und Berührungen nicht beeinträchtigen.
Tablet, Case, externe Tastatur - wer mobil für alle Eventualitäten gerüstet sein will, muss also doch wieder Einiges an Utensilien mit sich führen. Dafür kommen aber neben Surfspaß und Lesevergnügen auch die Arbeitsmöglichkeiten nicht zu kurz. Mit der Gewichts- und der Platzersparnis ist es dann natürlich nicht mehr ganz so weit her.