Das Immunsystem schützt den Menschen effizient vor schädlichen Viren. Fast immer vernichtet es mit einem ganzen Arsenal unterschiedlichster Zellen die feindlichen Eindringlinge. Forscher entdecken nun einen Mechanismus, der zu diesem Erfolg beiträgt.
Körperzellen sind Viren nicht schutzlos ausgeliefert: Sie stellen das Protein Interferon her, sobald Viren in sie eindringen. Interferon unterdrückt die Vermehrung der pathogenen Partikel und verhindert so die weitere Ausbreitung der Infektion im Körper. Doch manchmal entschlüpfen Viren diesem Schutzmechanismus und geraten dann ins Visier der adaptiven Immunabwehr, die Virusantigene auf der Oberfläche der infizierten Zellen erkennen kann. Vor allem T- und B-Lymphozyten nehmen die betroffenen Zellen in die Zange und veranlassen, dass spezifische gegen die Viren gerichtete Antikörper gebildet werden.
Nun hat ein Forscherteam der Universität Düsseldorf in der Milz Zellen entdeckt, deren Aufgabe es ist, die Viren zunächst einmal zu vermehren. Wie die Wissenschaftler um Professor Karl Sebastian Lang in der Fachzeitschrift Nature Immunology mitteilten, sorgt dieser auf den ersten Blick paradox wirkende Mechanismus dafür, dass die adaptive Immunabwehr gegen Viren überhaupt in größerem Ausmaß aktiviert wird. Die Milz als ein zentrales Organ des lymphatischen Systems ist unter anderem zuständig dafür, das Blut von Viren zu reinigen. Diese Aufgabe erledigt in der Milz eine bestimmte Klasse von weißen Blutkörperchen – die Makrophagen, auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt, nehmen die Viren auf und verhindern mit Hilfe von Interferon deren Vermehrung.
Protein fördert Vermehrung der Viren
Das scheint jedoch nicht immer der Fall zu sein, wie Lang und seine Mitarbeiter beobachteten, als sie Mäuse mit dem vesikulären Stomatitis-Virus (VSV) infizierten – ein Virus, der besonders stark auf Interferon reagiert. „In der Milz der Tiere konnten wir spezielle Makrophagen identifizieren, in denen sich Viren besonders gut replizieren“, sagt Lang, der mittlerweile Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Duisburg-Essen ist. „Wir konnten zeigen, dass in diesen Zellen das Protein Usp18 produziert wird, welches die interferonabhängige Unterdrückung der Virusvermehrung wieder aufhebt.“
Der neu entdeckte Mechanismus in den CD169-positiven Makrophagen trägt entscheidend dazu bei, dass genug Viruspartikel entstehen. Das ist wichtig, um die antigeninduzierten Differenzierung und Vermehrung der Lymphozyten richtig in Gang zu bringen – ein Vorgang, der ebenfalls in der Milz stattfindet. Tatsächlich wiesen speziell gezüchtete Mäuse, denen entweder die virusvermehrenden Makrophagen fehlen oder die kein Usp18 bilden können, nach einer VSV-Infektion eine wesentlich schwächere adaptive Immunantwort auf als normale Mäuse.
Viren aktivieren Lymphozyten in der Milz
Das Risiko, dass die in den CD169-positiven Makrophagen entstandenen Viren die Milz verlassen und im Körper Schaden anrichten, hält Lang für gering: „Die Milz ist wie eine Zwiebel aus mehreren Schichten aufgebaut. Die CD169-positiven Makrophagen sind vollständig von anderen Makrophagen umgeben, die eventuell nach außen entweichende Viren abfangen und zerstören.“ Im Inneren der Milz, so der Immunologe, befänden sich dagegen T- und B-Lymphozyten, die durch die neu gebildeten Viren stimuliert würden. Zusätzliche Experimente von Lang und seinem Team, bei denen sie das Verhalten weiterer Virusarten in der Milz untersuchten, legen die Vermutung nahe, dass der neu entdeckte Mechanismus wahrscheinlich auch durch die meisten anderen Viren ausgelöst wird.
„Die experimentellen Ergebnisse von Lang und seinem Team unterstreichen die zentrale Funktion der CD169-positiven Makrophagen für die Kontrolle der antiviralen Immunität“, findet Professor Burkhard Ludewig, Leiter des Instituts für Immunologie des Kantonsspitals St. Gallen. „Anscheinend entscheidet sich in der Milz schon früh, wie erfolgreich sich die Immunantwort gegen Viren gestaltet.“ Der neu entdeckte Mechanismus, so Ludewig, könne auch erklären, warum Impfstoffe aus abgeschwächten, noch vermehrungsfähigen Viren einen besseren Schutz lieferten als Impfstoffe, die abgetötete Viren oder Virenbestandteile enthielten.
Lang und seine Mitarbeiter untersuchen momentan, ob CD169-positive Makrophagen eventuell den Verlauf von humanen Autoimmunerkrankungen negativ beeinflussen. Wäre dies der Fall, erklärt der Immunloge, könne man versuchen, die Aktivität dieser Makrophagen zu unterdrücken, um so die unerwünschte Immunaktivierung zu minimieren.