Der sFlt-1/PlGF-Quotient gilt als vielversprechender Biomarker für die Diagnose der Präeklampsie. Nun wurde gezeigt, dass damit der Verlauf der Krankheit vorhergesagt werden kann. Maßnahmen für Mutter und Kind können so rechtzeitig getroffen werden.
Die Präeklampsie ist eine nur in der Schwangerschaft auftretende Erkrankung, die durch Hypertonie (> 140/90 mmHg bzw. Anstieg um 30 mmHg systolisch und 15 mmHg diastolisch) und Proteinurie (> 0,3 g/d im 24-Stunden-Sammelurin) gekennzeichnet ist. Häufig treten auch Ödeme auf, die jedoch keinen Einfluss auf die Prognose von Mutter und Kind haben. Die Präeklampsie gehört in die Reihe der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen. Für die Klinik sind besonders Erkrankungen vor der 34. Schwangerschaftswoche interessant, weil der Verlauf früher Präeklampsien (zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche) häufig schwerer ist und extreme Frühgeburten drohen. Generell hat aber der Zeitpunkt des Auftretens keinen direkten Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung.
Noch immer gehört die Präeklampsie zu den Hauptursachen für mütterliche und kindliche Morbidität, sie tritt etwa in 5 bis 7% der Schwangerschaften auf. Bis vor einigen Jahren war die Diagnostik nur über die Blutdruckmessung und Urinbestimmung möglich, ergänzend unterstützte eine Doppleruntersuchung die Diagnosestellung. Eine Aussage über den Verlauf der Erkrankung und das damit einhergehende Risiko für Mutter und Kind war jedoch nicht möglich. Doch in den letzten Jahren hat sich viel Neues getan: Inzwischen sind mehrere Biomarker entdeckt worden, mit denen eine Präeklampsie gut erkannt werden kann. Besonders vielversprechend ist der sFlt-1/PlGF-Quotient. Er wird gebildet aus den Werten für die soluble FMS-like Tyrosinkinase-1 (sFlt-1) und dem Placental Growth Factor (PlGF). Der anti-angiogenetische Faktor sFlt-1 bleibt in einer gesunden Schwangerschaft während des ersten und zweiten Trimesters gleich und steigt dann bis zum Ende der Schwangerschaft ständig an. Der pro-angiogenetische Faktor PlGF steigt hingegen während der ersten beiden Trimester an und fällt zum Ende der Schwangerschaft hin ab. Bei Schwangeren, die eine Präeklampsie entwickeln sind die sFlt-1 Konzentrationen höher, die PlGF-Konzentrationen niedriger als bei gesunden Schwangeren.
sFlt-1/PlGF-bringt den Durchblick
Nach einer neuen Studie, die im American Journal of Obstetrics and Gynecology erschienen ist, kann der Quotient als möglicher prognostischer Indikator für Patientinnen mit Präeklampsie bzw. HELLP-Syndrom (Hemolysis, Elevated Liver Enzymes, Low Platelets) dienen. Frauen, die zeitnah aufgrund Präeklampsie bedingter Indikationen entbunden werden mussten, können schnell erkannt und optimal versorgt werden. Dabei geht ein bestimmter Schwellenwert des sFlt-1/PlGF-Quotienten mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine nahe bevorstehende Geburt einher. Es war den Medizinern um Dr. Stefan Verlohren von der Klinik für Geburtsmedizin der Charité Berlin sogar möglich, einen Zusammenhang zwischen dem Quotienten und dem Risiko für eine Geburt innerhalb der nächsten sieben Tagen zu ermitteln: Von Schwangeren (≥34. SSW) mit einem sFlt-1/PIGF-Quotienten über der dritten Quartile waren nach 48 Stunden nur noch 16,7 % schwanger, nach sieben Tagen keine mehr. In einer weiteren gerade veröffentlichten Studie des Beth Israel Deaconess Medical Center & Harvard Medical School in Boston wurde ebenfalls bestätigt, dass ungünstige Folgen und Komplikationen für Mutter und Kind durch den sFlt-1/PlGF-Quotienten vorhergesagt werden können. Besonders bei Schwangeren mit Präeklampsie vor der 34. Schwangerschaftswoche waren die Zusammenhänge sehr deutlich: die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf war bei Schwangeren mit hohen Quotienten deutlich größer, als bei Frauen mit niedrigen Quotienten. Die Geburt trat bei 86% der Schwangeren mit einem sFlt-1/PlGF-Quotienten von ≥85 innerhalb der nächsten zwei Wochen ein, bei einem Wert ≤85 nur bei knapp 16%.
Ein sinnvoller Test für Risikopatientinnen
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich der sFlt-1/PlGF-Quotient auch als Marker für die Prognose einer Präeklampsie eignet. Große Multicenter-Studien werden derzeit durchgeführt, um aussagekräftige und praxisrelevante Daten zu erhalten. Das Ziel muss nach Dr. Verlohren sein, dass „Schwangere mit erhöhtem oder hohem Risiko frühzeitig, also einige Wochen vor dem Auftreten der Präeklampsie, erkannt werden, um prophylaktische Maßnahmen für die Mutter und das Kind zu ergreifen.“ Ein generelles Screening aller Schwangeren im Rahmen der Ersttrimesterscreenings hält er nicht für zielführend, da selbst bei der Feststellung eines erhöhten Risikos für das Auftreten der Präeklampsie keine Intervention möglich ist.
Vielmehr sollten niedergelassene Gynäkologen bei Risikopatientinnen (z.B. Präeklampsie in einer vorigen Schwangerschaft) auf mögliche Anzeichen achten und dann die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen oder schwere Verläufe mittels sFlt-1/PlGF-Quotienten abklären. Bereits jetzt wird die Untersuchung teilweise von niedergelassenen Gynäkologen zu Hilfe genommen, um Patientinnen mit Präeklampsie zu erkennen; zukünftig können nun Patientinnen, bei denen eine Geburt kurz bevor steht erkannt werden. Eine EBM-Ziffer gibt es aber noch nicht, auch ist der Test noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss geprüft. Mittels sFlt-1/PIGF-Quotienten war es den Medizinern um Dr. Stefan Verlohren auch möglich, zwischen Präeklampsie und anderen Hochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft zu unterscheiden. Frauen mit Präeklampsie oder HELLP-Syndrom hatten signifikant höhere sFlt-1/PIGF-Quotienten als Frauen mit Schwangerschaftshypertonie, chronischer Hypertonie oder keiner Hochdruckerkrankung.
Mit ASS der Präeklampsie vorbeugen
Die Ursache für die Ausbildung einer Präeklampsie ist noch immer weitgehend unklar. Diskutiert wird eine gestörte Implantation des Trophoblasten, mit der Fehlentwicklung arterieller Gefäße in der Plazenta als Folge. Eine Vorbeugung ist auch nur in sehr geringem Umfang möglich. Nach den geltenden AWMF-Leitlinien zur „Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen“ besteht „die einzige aktuell verfügbare Methode zur Prävention der Präeklampsie, von der insbesonders Frauen mit schwerer Präeklampsie in der Vorgeschichte profitieren, in einer ab der Frühschwangerschaft beginnenden Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (75-150 mg/Tag). In Deutschland hat sich inzwischen eine ASS-Dosierung von 100 mg/Tag etabliert.“
Frühere Studien zeigten, dass Schwangere mit Präeklampsie Autoantikörper gegen den Angiotensin-II-Rezeptor (AT1-Rezeptor) produzieren, die im Tierversuch die Symptome einer Präeklampsie hervorriefen. Gleichzeitig gibt es verschiedene Assoziationen, die möglicherweise die Entstehung der Erkrankung beeinflussen könnten: Vitamin D-Mangel in der Frühschwangerschaft begünstigt das Auftreten, Erstgebärende und Schwangere über 35 Jahre sind häufiger betroffen, aber Raucherinnen leiden seltener unter Präeklampsie. Das könnte daran liegen, dass Zigarettenrauch die Sekretion von sFlt-1 dosisabhängig verringert, während PlGF unbeeinflusst bleibt. Damit sinkt wiederum der sFlt-1/PlGF-Quotient, was – wie berichtet – direkten Einfluss auf die Entstehung und den Schweregrad einer Präeklampsie hat. Dennoch sollte Schwangeren mit erhöhtem Risiko für eine Präeklampsie wohl besser nicht empfohlen werden, mit dem Rauchen zu beginnen.