Während Politiker über den Fachkräftemangel jammern und sich Koalition beziehungsweise Opposition die Schuld gegenseitig in die Schuhe schieben, krempelt Thorsten Junk, Apotheker in Marburg, selbst die Ärmel hoch. Zusammen mit Kollegen hat er eine PTA-Schule vor der Schließung bewahrt.
Von der „Apothekenmaus“ zur tragenden Säule in Beratung und Rezeptur: Kaum ein Berufsbild hat sich so gewandelt wie das Tätigkeitsprofil der pharmazeutisch-technischen Assistenten. Mittlerweile zur tragenden Säule vieler Apotheken geworden, sind die Prognosen bundesweit mehr als ernüchternd: Immer mehr Fachschulen schließen für immer ihre Pforten.
Rettung in letzter Minute
Mitte 2001 stand auch die Marburger PTA-Fachschule vor einem Scherbenhaufen. „Die Einrichtung befand sich zwar nicht in wirtschaftlicher Schieflage“, erzählt Thorsten Junk, Inhaber der Lahn-Apotheke. „Vielmehr hat die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA) ihren Standort aus Marburg verlagert.“ Doch anstatt nur zu lamentieren, beschloss Junk, selbst aktiv zu werden. Zusammen mit den Kollegen Dr. Susanne Rück und Bernd Ulrich rief er einen privaten Förderverein ins Leben, mit dem Ziel, in Marburg weiterhin PTA auszubilden. Durch die Unterstützung der Apothekerschaft ließen sich auch DAA-Vertreter überzeugen, den Ausbildungsgang zunächst weiter zu betreiben. Als Förderer konnte Junk auch pharmazeutische Hersteller und Großhändler gewinnen. „Die Sponsoren wollen aber anonym bleiben, da sie sich ansonsten vor Anfragen nicht mehr retten können“, sagt der Apotheker. Generell sieht Junk als größte Herausforderung, dass viele Schülerinnen respektive deren Eltern die monatlichen Gebühren nicht bezahlen können oder wollen: „Wir reden hier von 500 Euro, wobei aus einem europäischen Topf 125 Euro an Subventionen mit einfließen“. Auch in anderen Kammerbezirken müssen angehende PTA mit 200 bis 375 Euro rechnen.
Bundesweites Problem
Doch beschränkt sich Thorsten Junks Engagement nicht auf die Region, vielmehr versucht er, das bundesweite Problem des Fachkräftemangels anzugehen, vor allem bei PTA: „Andere Branchen, etwa Banken oder Firmen des Groß- und Einzelhandels bieten Azubis schon während der Ausbildung eine Vergütung an, bei uns müssen die Schülerinnen jedoch vergleichsweise hohe Summen berappen.“
Ein heikles Thema, unter dem Fachschulen generell leiden, doch kommen speziell bei PTA weitere Probleme mit hinzu: Das Berufsbild entstand 1968, als es durch eine Reform des Pharmaziestudiums plötzlich keine Apothekerassistenten, sprich „Vorexaminierte“, mehr gab. Jetzt erreichen erste PTA-Jahrgänge das Rentenalter, andererseits sinkt die Attraktivität des Berufsbilds für Schulabgänger kontinuierlich. Daran sind laut Junk vor allem niedrige Gehälter und schlechte Aufstiegschancen schuld. „Aber auch der Staat leistet seinen Beitrag, um Berufsanfängerinnen zu vertreiben: Im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung delegieren Krankenkassen einen immer größeren Verwaltungsaufwand an öffentliche Apotheken.“ Für PTA, aber auch für Apotheker bedeute das, „nur noch Kunden abzuwickeln“, Rabattverträge zu prüfen und den Unmut über Substitutionen zu ertragen. Beratungen, auch in der kürzlich vorgelegten Novelle zur Apothekenbetriebsordnung ein Kernthema, werden immer mehr zur Nebensache.
Trotz offensichtlicher Vorteile, die Branche hat eine verschwindend geringe Arbeitslosigkeit und ermöglicht das gesamte Spektrum vom Minijob über Teilzeit bis hin zur vollen Stelle, sinkt das Interesse von Schulabgängern immer stärker. „Und da wundert es nicht, dass immer mehr PTA zu pharmazeutischen Herstellern abwandern“, weiß Junk. Das rächt sich massiv: Laut Institut für Handelsforschung hat derzeit fast jede zweite Apotheke massive Probleme, offene PTA-Stellen neu zu besetzen. Eine mögliche Antwort wäre, neben ökonomischen Verbesserungen auch die Lehrpläne „gründlich zu entstauben“.
Ausbildung von gestern – Anforderungen von morgen?
Der Hintergrund: Laut Junk haben sich die Curricula seit 1968 kaum verändert. Zwar laufen momentan Bestrebungen, die Lehrpläne anzupassen, das reicht dem Apotheker aber nicht aus. „Heute sind Inhalte wie Betriebswirtschaft, Kommunikation, Heimversorgung respektive Verblisterung und Zytostatika-Herstellung gefragt.“ Mit einer „Labortechnik wie aus dem Museum“ könne man keine angehende PTA fit für den Job machen. Trotz erster Erfolge scheitern seine Bemühungen in Marburg an zwei Dingen: Einerseits wären Investitionen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erforderlich, sprich deutlich mehr Sponsorengelder. Andererseits sei der aktuelle Stundenplan derzeit ein „so enges Korsett, dass sich zusätzliche Themen nur schwer einbauen lassen.“
Auf nach Berlin!
Für Thorsten Junk sind regionale Initiativen deshalb auch nur die halbe Miete. Und so beschloss er Mitte Dezember, nach Berlin zu reisen und vor dem Reichstag zu demonstrieren. An Passanten verteilte er Handzettel mit seinen Betriebsergebnissen und erklärte ihnen den Teufelskreislauf: „Höhere Betriebskosten, höhere Abgaben, und ein immer schlechter werdendes Betriebsergebnis sind die Folge der aktuellen Gesundheitspolitik“. Ohne Not zerstöre der Staat damit etablierte Versorgungsstrukturen. Apotheker würden jedoch nicht nur direkt belastet, „sie müssen auch Kosten schultern, die aus anderen Branchen wie dem Großhandel durchgereicht werden“. Tatsache sei, dass die zweite Phase des AMNOG zu drastisch schlechteren Konditionen der Grossisten geführt habe. Und was folgt daraus für Angestellte, allen voran für PTA? Im Vergleich zu anderen Branchen seien die Gehälter „ein Witz“.
Zwar hat Thorsten Junk mit seiner „Ein-Mann-Demonstration“ die Politik noch nicht aufrütteln können, dennoch erregte er Aufmerksamkeit. Beim nächsten heißen Eisen, einer Protestaktion vor dem Bundesrat, es ging um die Novelle zur Apothekenbetriebsordnung, waren immerhin schon rund 20 Kollegen vor Ort. Jetzt hofft der engagierte Apotheker, mittelfristig mehr Kollegen zu motivieren, nicht länger zu schweigen. „Natürlich sind auch die Standesvertreter gefragt, Kollegen zu motivieren und Proteste zu organisieren.“ Jeder muss sich aber auch selbst an der Nase packen.
Handeln statt jammern
An seine Kollegen gerichtet, betont der Apotheker: „Jammern und Klagen allein hilft nichts, wer selber nicht konstruktiv tätig ist, überlässt mittelfristig anderen Akteuren das Feld.“ Viel zu lange habe sich die Branche passiv und destruktiv verhalten, anstatt sich weiterzuentwickeln. Vor allem müssten Apotheker und deren Spitzenverbände selbst Vorschläge für Reformen machen. Das beträfe zwar primär ökonomische und strukturelle Aspekte, diese seien aber eng mit dem Fachkräftemangel verbunden. Doch ist Junks Kampf noch lange nicht gewonnen – weder auf Bundesebene noch in Marburg. Erneut muss er um die Existenz der Schule bangen, es finden sich kaum Jugendliche für die Fachausbildung.