Sichere Sterilisation medizinischer Geräte ist erforderlich, um Mensch-zu-Mensch-Übertragungen abzuwenden. Aufgrund der rasanten Entwicklungen der Medizinprodukte müssen Sterilisationsverfahren hohen Anforderungen genügen.
Ob die beiden Frühchen, die vor wenigen Tagen im Klinikum Bremen Mitte gestorben sind, auf Grund von Hygienemängeln auf der bereits im letzten Jahr in der Kritik stehenden Frühchenstation starben, ist noch unklar. Bekannt ist jedoch, dass es in vielen Krankenhäusern – nicht nur in Bremen – in regelmäßigen Abständen zu Hygieneskandalen kommt: Oft ist nicht-ordnungsgemäß sterilisiertes OP-Besteck der Auslöser. Neben organisatorischen Abläufen, die höchste Hygienestandards sichern sollten, gibt es auch Schwächen im Sterilisationsprozess selbst.
Mit Gasgemisch den Keimen zu Leibe rücken
Da zunehmend temperaturempfindliche Werkstoffe für die Herstellung von Medizinprodukten verwendet werden, ist es nicht möglich, ein einziges Sterilisationsverfahren für alle Materialien und Anwendungsbereiche einzusetzen. Zugleich fordern komplexe Formen des Sterilisationsguts, also Einbuchtungen, enge Öffnungen u.ä. Methoden, welche an jeder Stelle gleich gut wirken. Ein sanfter und schneller Weg, medizinische Werkstoffe zu sterilisieren, ist die Plasmasterilisation mit niedrigen Drücken (low-pressure inductively coupled plasma ICP). Verwendet werden hierbei Gasmischungen aus dem Hintergrundgas Argon (Ar) und Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2) oder Wasserstoff (H2). In einen Plasmareaktor wird ein Gasgemisch eingeleitet und durch Energiezufuhr elektrisch angeregt. Dabei entstehen Elektronen, Ionen, Atome, Radikale und UV-emittierende Photonen, die mit den biologischen Spezies oder Molekülen auf dem Sterilisationsgut interagieren und sie inaktivieren. Die Vorteile der Methode sind vor allem, dass eine Sterilisation bei niedrigen Temperaturen, also unter 70° oder sogar unter 60°C, möglich ist und gleichzeitig keine oder nur speziell gewünschte Veränderungen des zu sterilisierenden Materials auftreten.
Durch die Art und Weise der Plasmaerzeugung und das ausgewählte Gas können die Forscher Plasmen je nach Verwendungszweck quasi maßschneidern. Prof. Dr. Achim von Keudell, Leiter der Arbeitsgruppe Reaktive Plasmen der Ruhr-Universität Bochum erklärt: „Die Plasmen müssen immer auf das Objekt angepasst werden, das sterilisiert werden muss. Dies ist etwas umständlicher im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren, die ja eher wie eine "Spülmaschine" ablaufen.“ Hier liegt noch ein Nachteil bzw. eine Limitierung der Methode, welche die Anwendung in der täglichen Praxis erschwert. Die Ruhr-Universität Bochum hat in Zusammenarbeit mit einer Firma einen Plasmasterilisator entwickelt, der derzeit in England getestet wird.
Ein weiteres neueres Verfahren ist die Elektronenstrahlbehandlung (E-Beam), bei der ein konzentrierter, hochgeladener Elektronenstrom auf das Sterilisationsgut einwirkt. Es handelt sich daher um eine ionisierende Energieform, die bei einheitlich verpackten Produkten geringer Dichte die besten Erfolge zeigt. Von der Effizienz und Oxidationswirkung auf das zu sterilisierende Material ist sie mit der Gamma-Strahlensterilisation vergleichbar.
Was es sonst noch gibt
Vier verschiedene Sterilisationsverfahren sind im medizinischen Bereich derzeit verbreitet. In Abhängigkeit vom zu sterilisierenden Objekt (Temperaturbeständigkeit, Feuchtigkeitsresistenz, u.a.), der Geometrie (Flachmaterial, Hohlräume, u.a.) und der Effizienz des Verfahrens (Betriebszeit, Gefahr der Methode) wird die jeweils passende ausgewählt. Die Dampfsterilisation bei 121°C und 2 bar in einem Autoklaven eignet sich nur für temperatur- und feuchtigkeitsunempfindliche Materialien, da beispielsweise Weichmacher aus Kunststoffen diffundieren und das Material spröde wird. Bei der Strahlensterilisation mit Gamma-Strahlen aus einer Cobalt-60-Quelle wird beispielsweise Ultrahochmolekulargewichtiges Polyethylen (UHMWPE) in seinen Materialeigenschaften verändert. Bei der Wasserstoffperoxid-Gas-Plasma-Sterilisation handelt es sich im engen Sinne nicht um eine Plasmasterilisation: das Plasma wird nur zur Dissoziation des Wasserstoffperoxids verwendet. Die eigentliche Sterilisation basiert auf der oxidierenden Wirkung des Sauerstoffs, was jedoch auch zu Materialveränderungen führt. Umstritten, aber weit verbreitet, ist die Sterilisation mit Ethylenoxid (ETO). Das Gas ist krebserregend und erbgutverändernd; schon in relativ geringer Konzentration wirkt es in der Atemluft tödlich auf den Menschen. Zwar hat es eine gute mikrobizide Wirkung, doch eine Ethylenoxid-Sterilisation dauert auf Grund der Sicherheitsvorschriften, insbesondere der Ausgaszeiten, bis zu mehreren Tagen.
Prionen den Garaus machen
Die bestehenden Verfahren haben einen weiteren großen Nachteil: Verbleiben nach der mechanischen Reinigung von Operationsbesteck und ähnlichen Geräten, die in direkten Kontakt mit menschlichem Gewebe kommen, winzige für das Auge nicht sichtbare Gewebereste, Bakterien oder andere pathogene Keime auf den Werkzeugen, so werden sie bei der anschließenden Sterilisation nicht automatisch komplett entfernt. Insgesamt betrachtet ist ein Sterilisationsverfahren wünschenswert, das in vergleichbar kurzer Zeit (wenigen Minuten) und mit kontrollierter Materialveränderung flexibel einsetzbar ist, wenig Platz in Anspruch nimmt und sowohl Bakterien und Viren, als auch Pilze, Pyrogene, Endotoxine und Prionen sicher inaktiviert. Möglicherweise entwickelt sich die Plasmasterilisation hier zum Mittel der Wahl. Im Gegensatz zu anderen Sterilisationsverfahren ist es mittels Plasmasterilisation bereits gelungen, auch Prionen zu deaktivieren. Das Prionprotein, Auslöser der Creutzfeld-Jakob-Krankheit, ist resistent gegenüber Proteasen und den herkömmlichen erwähnten Sterilisationsverfahren. Für Bakterien eignet sich eine Kombination aus einem Gasgemisch und UV-Bestrahlung mit Wellenlängen um 200-250nm, selbst hartnäckige Endosporen können mit geeigneten Einstellungen geknackt werden.
Auch, wenn in den nächsten Jahren die Voraussetzungen für einen flächendeckenden Einsatz der Plasmasterilisation noch verbessert bzw. geschaffen werden müssen, so scheint das Verfahren trotz seiner Komplexität eine Möglichkeit darzustellen, Sterilisationsgut verschiedenster Verwendungszwecke und aus unterschiedlichsten Materialien zuverlässig keimfrei zu bekommen.