LSD ist out, Cocain und Heroin sind Oldies, SPICE wird durch SPACE verdrängt. Die EU-Drogenbeobachtungsstelle EBDD warnte unlängst vor einer „Rekordzahl neuer Drogen“. Im Vorjahr wurden 41 neue Rauschmittel registriert, doppelt so viel wie sonst üblich.
Wird über neue Trends und Konsumformen berichtet, merken Kritiker mitunter an, man würde dadurch Konsumenten auf die Idee bringen und Neugier wecken. Aber es gilt: Nur wer als Fachmann informiert ist, kann frühzeitig Symptome erkennen, die auf den Konsum der Newcomer hinweisen. Nicht nur die Anzahl neuer Drogen nimmt zu, auch die Risikobereitschaft der Konsumenten tut dies. Häufig diktieren Preis und Verfügbarkeit den Markt, die Sicherheit bleibt dabei auf der Strecke. Drogen werden in drei Klassen eingeteilt: Analeptika, Halluzinogene und Sedativa. In allen Klassen sind Neuzugänge zu verzeichnen.
Das Bundeskriminalamt und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, warnen vor dem Konsum von so genannten "Legal Highs". Die Substanzmischungen werden beispielsweise als "Badesalze", "Lufterfrischer" oder "Kräutermischungen" deklariert und als angeblich legale Alternative zu herkömmlichen illegalen Drogen angepriesen. Die harmlos wirkenden Produkte enthalten jedoch meist auch Betäubungsmittel oder ähnlich wirkende chemische Wirkstoffe, die auf den bunten Verpackungen nicht ausgewiesen werden. Konsumenten rauchen, schlucken oder schniefen die Produkte zu Rauschzwecken. "Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse müssen wir vor der missbräuchlichen Anwendung aller sog. "Legal High"–Produkte dringend warnen. Mit dem Konsum sind unkalkulierbare gesundheitliche Risiken verbunden“, so Mechthild Dyckmans. Nach dem Konsum von "Legal High"-Produkten ist es zu teilweise schweren, mitunter lebensgefährlichen Intoxikationen gekommen. Die meist jugendlichen Konsumenten mussten mit Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen, Muskelzerfall bis hin zu drohendem Nierenversagen in Krankenhäusern notfallmedizinisch behandelt werden, so das BKA.
Badesalz: alles andere als sauber
Auf öffentlich zugänglichen Internetplattformen können Konsumenten „Mojo“ bestellen: Keine spanische Soße, sondern „stimulierendes Badesalz“. Spätestens beim Preis wird man stutzig: 120 € für 5 Gramm. Auch „Ivory Wave“. So eingängig der Handelsname, so komplex die chemische Bezeichnung: 2-β-Carbomethoxy-3-β-(4-fluorophenyl)tropan oder kurz CFT. Dieses Phenyltropanderivat wirkt als Dopaminwiederaufnahmehemmer. Es steigert die Konzentration des Botenstoffes Dopamin, der im Belohnungszentrum aktiv wird. Gleichzeitig macht CFT high und wach. Die Wirkung ist vergleichbar mit Cocain. In „Badesalzen“ anderer Anbieter wurde auch MDPV identifiziert, ein hochaktives Psychostimulanz. Der US-Fernsehsender CNN warnt vor dieser amphetaminähnlichen Substanz in „Badesalzen“ und vergleicht sie mit Crystal Meth. Die Hersteller geben meist keine Konzentrationsangaben an.
„Pflanzendünger“ als Entaktogen
Ebenfalls in die Gruppe der Analeptika gehört das als Pflanzendünger deklarierte Mephedron. Das auch als Methadron bezeichnete Cathinderivat ist ein synthetisches Produkt, das dem Inhaltstoff aus der Kathpflanze ähnelt. Diese muss jedoch frisch konsumiert werden, um ihre aufputschende Wirkung zu entfalten. Methadron wird als weißes Pulver zu 0,5 g in grünen Tütchen verkauft. Es macht wach, ist leistungssteigernd und wirkt als Entaktogen. Der Konsument wird enthemmt, kontaktfreudig, euphorisch. 4-Methylmethcathinon (4-MMC), so die exakte chemische Bezeichnung, wird nasal geschnieft oder geschluckt. Mit seiner Wirkung ist es mit Ecstasy vergleichbar. Die EU-Justitzminister haben beschlossen, Mephedron auf den Index verbotener Substanzen zu setzen und den Vertrieb der Partydroge mit den unkalkulierbaren Risiken zu verhindern. Leider stört das weder die Konsumenten noch die Betreiber der im Ausland ansässigen Internetplattformen. Wer „buy Methadron“ in seine Suchmachine eingibt, wird rasch fündig. Nur zwei Klicks und die Eingabe der Kreditkartennummer und der Postbote mutiert ungewollt zum Drogenkurier.
Ecstasy forte: M-CPP
Metachlorophenyl-Piperazin, auch MM-Cat, oder MEOW, ist auf dem Ecstasymarkt nach wie vor die am weitesten verbreitete synthetische Droge. Die Substanz wird meist Ecstasy-Tabletten als Streckmittel und Verstärker zugesetzt. Dabei handelt es sich um eine Designerdroge, die mit dem nicht-tricyclischen Antidepressivum Trazodin verwandt ist. Der Serotoninagonist kann Angst- und Panikzustände auslösen. Wegen der emetischen Wirkung wird die Substanz auch noch mit Metoclopramid gemischt. Dieser Dopaminagonist kann die Wirkung unkalkulierbar verändern. Wie relevant das Problem der teilweise ungewollten Beimengung ist, zeigt die Marktentwicklung: Verfügbar ist der sogenannte „EZTEST“, der M-CPP und andere Phenylpiperazine einfach in Tabletten identifiziert.
Schnappy will nicht nur spielen
Eine neue Szenedroge kommt aus Russland. Billig, teuflisch, einfach in der Herstellung. Codein, Phosphor aus dem Abrieb von Streichhölzern und Jod, die Zutatenliste ist kurz, die Liste der Nebenwirkungen ist lang. Das Produkt aus dem Waschküchenlabor trägt den chemischen Namen Desomorphin, hat schon eine erfolglose Karriere als Analgetikum hinter sich. Die Wirkung ist mit Heroin vergleichbar, die Risiken sind aber ungleich höher. Die Droge trägt den Szenenamen „Krokodil“ oder „Krok“. Nicht weil sie grün ist, sondern weil sie den Konsumenten von „innen auffrisst“. Die Injektionsstellen verfärben sich grünlich, vermutlich kann auch dies zur Namensbildung beigetragen haben. 100 Rubel, umgerechnet 2,50 € kostet ein Schuss. Das Gefährliche sind die Verunreinigungen: Phosphor und Antimon aus den Reibköpfen von Streichhölzern sind toxischer als das Opioidderivat selber. Beschrieben werden schwerste Haut- und Gewebeschäden, Nekrosen bis zum Gangrän. Desomorphin gehört in Deutschland zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln.
Bei über vierzig neuen Substanzen ist es kaum noch möglich für Juristen, Drogenberatungsstellen und Mediziner den Durchblick zu behalten. Die „User“ derartiger Produkte posten ihre Erfahrungen in diversen Netzwerken. Akribisch werden neue Substanzen gesichtet, gelistet und getestet. Auch die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht ist mit der Erstellung von Drogenprofilen beschäftigt. Sehr ausführlich, wissenschaftlich fundiert, leider nicht immer aktuell. Aber ein guter Ansatz.