Wenn Ärzte Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa behandeln, wollten sie bislang vor allem eine klinische Remission erreichen. Nun ist jedoch immer öfter von der Mukosaheilung als Behandlungsziel die Rede. Der Weg dorthin weist einige Hindernisse auf.
Bauchschmerzen, Durchfall, extraintestinale Manifestationen, Gewichtsverlust - Menschen mit einer aktiven chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) sind in vielerlei Hinsicht geplagt. Für die behandelnden Ärzte geht es daher zunächst darum, die Symptome zu kontrollieren und eine Teilhabe am Alltagsleben zu ermöglichen. Mittel- und langfristig ist dies aber möglicherweise nicht genug. Bessere Prognose bei geheilter Mukosa Endoskopiert man CED-Patienten, die nach gängigem Verständnis in Remission sind, finden sich nämlich oft noch Schäden an der Darmschleimhaut. Manchmal sind es nur Rötungen oder Aphthen, aber auch Ulzerationen lassen sich in beschwerdefreien Krankheitsphasen nachweisen. Für die Betroffenen heißt das nichts Gutes. Denn sowohl beim Morbus Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa stehen persistierende Schäden an der Mukosa für eine schlechtere Prognose im weiteren Verlauf. Patienten mit Restbefunden haben ein höheres Risiko für Komplikationen, benötigen häufiger eine Immunsuppression, müssen öfter ins Krankenhaus und auch öfter operiert werden als Patienten, deren Schleimhaut in Ordnung ist. Der Zusammenhang gilt mittlerweile als fundiert belegt. Gute Gründe also, um die Mukosaheilung in den Rang eines Behandlungsziels zu erheben. Auf dem Weg dorthin tun sich aber doch ein paar Hürden auf. Das Ziel ist schwammig So ist derzeit nicht sicher, ab welcher Ausprägung Restbefunde prognostisch relevant sind. Ebenso wenig ist klar, wann die Mukosa als geheilt gelten kann. Ein Konsens zu dieser Frage existiert noch nicht, und in den Studien hängt die Latte bislang mal höher und mal tiefer. Ein Umstand, der zum nächsten Kritikpunkt führt. Die unterschiedlichen Definitionen erschweren nämlich die Interpretation der Studiendaten. Dies wird etwa am Beispiel der ASCEND-I- und -II-Studien mit Colitis-ulcerosa-Patienten deutlich: Darin erreichten nach einer sechswöchigen Behandlung mit täglich 2,4 beziehungsweise 4,8 mg Mesalazin 68 beziehungsweise 80 Prozent der Patienten eine Mukosaheilung. Gute Resultate möchte man meinen. Gemäß Protokoll galt die Schleimhaut aber auch dann noch als geheilt, wenn leichte Rötungen oder eine verminderte Gefäßzeichnung erkennbar waren (Mayo endoskopischer Subscore 0 und 1). Bei einer strengeren Auslegung sanken die Raten der Patienten mit geheilter Mukosa auf 24 und 32 Prozent. Mukosale Heilungsraten zwischen 20 und 80 Prozent wurden auch für andere CED-Medikamente ermittelt, seien es nun Steroide, Azathioprin oder Biologika. Diese Angaben sollten aber nur in Kenntnis der zugrundeliegenden Definition interpretiert werden. Und für einen Vergleich der verschiedenen Medikamente im Hinblick auf ihr mukosaheilendes Potenzial sind sie ohnedies kaum geeignet. Offene Fragen zur praktischen Umsetzung Damit geben die Studien auch keine konkreten Antworten auf wichtige Fragen der praktischen Umsetzung. Was etwa ist von einem Therapiewechsel zu erwarten, wenn sich mit der vorherigen Medikation keine Mukosaheilung erreichen lässt? Wie lässt sich eine endoskopische Remission bestmöglich erhalten? Und bei welchen Patienten sollte die Mukosaheilung wie oft kontrolliert werden? Auf konsentierte Antworten zu diesen Fragen wird man wohl noch ein bisschen warten müssen. Wie aber halten es Ärzte in der Zwischenzeit mit der Mukosaheilung? DocCheck hat dazu mit Professor Dr. Axel Dignaß gesprochen. Der Gastroenterologe ist Chefarzt der Medizinischen Klinik I am Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt. DocCheck: Herr Professor Dignaß, wie viele CED-Patienten weisen trotz klinischer Remission noch endoskopische Befunde auf? Dignaß: Je nachdem, was man als Restbefund ansieht, schwanken die Ergebnisse in den Studien sehr stark. Im Durchschnitt kann man davon ausgehen, dass etwa jeder zweite Patient noch Schäden irgendwelcher Art aufweist, seien es Rötungen, Aphthen, Erosionen oder sogar Geschwüre. DocCheck: Ab welchem Schadensausmaß muss man von einer schlechteren Prognose im weiteren Krankheitsverlauf ausgehen? Dignaß: Eine Schleimhautrötung oder Aphthe scheint diesbezüglich noch nicht so relevant zu sein, in jedem Fall aber Ulzerationen. Patienten mit Geschwüren haben ein 70-prozentiges Risiko, innerhalb des nächsten Jahres einen Schub zu erleiden. DocCheck: Hat die Mukosaheilung dann einen höheren Stellenwert als die klinische Remission? Dignaß: Aus pragmatischen Gründen hat zunächst die klinische Remission den höheren Stellenwert. Sie ist leicht zu messen und der Patient fühlt sich wohl. Mittelfristig wird man aber versuchen, auch eine Mukosaheilung zu erreichen. DocCheck: Das hieße dann, gegebenenfalls auch die Therapie zu intensivieren, obwohl der Patient subjektiv keine Beschwerden hat? Dignaß: Theoretisch ja, in der Hoffnung, dem Patienten damit Komplikationen, Krankenhausaufenthalte und Operationen zu ersparen. DocCheck: Und in der Praxis? Dignaß: Das kommt auf die Ausgangstherapie an. Nimmt ein Patient gar keine Medikamente oder niedrigpotente wie Mesalazin, kann man die Therapie vergleichsweise leicht intensivieren. Anders ist das, wenn ein Patient bereits ein Biologikum erhält. Mit einer Dosiserhöhung würden sich zusätzliche Therapierisiken ergeben und die Kosten würden enorm steigen. Ich bespreche daher das Risiko für eine Verschlechterung des Krankheitsverlaufs und die Therapierisiken mit jedem Patienten, und häufig kommt es zu ganz individuellen Entscheidungen. DocCheck: So oder so wird die Endoskopie dann auch verstärkt ein Mittel zur Verlaufskontrolle. Wie oft sollte sie veranlasst werden? Dignaß: Bei Patienten, die operiert wurden, sollte man nach drei bis sechs Monaten eine Endoskopie durchführen. Früher wartete man damit bis zu zwei Jahre lang. Wir wissen aber mittlerweile, dass Patienten, die so kurz nach einer Operation endoskopische Befunde haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rezidiv erleiden und dementsprechend behandelt werden sollten. Patienten, die nach einem Schub in Remission sind, würden wir endoskopieren, wenn sie zuvor einen sehr ausgeprägten Verlauf hatten, oder wenn wir eine Therapie beenden möchten. Dazu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, ein Patient erhält ein Immunsuppressivum kombiniert mit einem Biologikum, und man möchte das Biologikum absetzen. Bei geheilter Mukosa beträgt das Rezidivrisiko für ihn 30 Prozent, bei persistierenden Schleimhautschäden dagegen 80 Prozent. DocCheck: Gibt es nicht-invasive Verfahren, um den Schleimhautzustand abzuschätzen? Dignaß: Surrogatparameter wie fäkales Calprotectin oder das C-reaktive Protein scheinen durchaus mit der Mukosaheilung zu korrelieren. Das wird derzeit auch untersucht. Darüber hinaus laufen Studien, in denen die Eignung der MRT, der Sonografie und der Kolonkapsel zur Beurteilung der Mukosaheilung geprüft wird.