Der letzte Ausweg ist manchmal nicht Marmor gepflastert, sondern mit Exkrementen beschmiert. Wenn die Darmflora zerstört ist und Keime den Körper angreifen, wenn nichts anderes hilft, soll eine Stuhlspende erstaunliche Erfolge erzielen.
Der Gedanke mag eklig sein, ist jedoch alles andere als abwegig. Denn was sich im Inneren tummelt sind nicht nur Körperzellen. Wir teilen uns den Körper mit Mikroorganismen. Rund ein bis zwei Kilogramm unseres Körpergewichts gehen allein auf Darmbakterien zurück. 100 Billionen Keime, die den vor allem den Dickdarm wie eine zweite Haut auskleiden.
Ausgeklügelten Symbiose mit dem Körper
Fürchten muss man sie normalerweise nicht. Sie leben in einer ausgeklügelten Symbiose mit dem Körper. Während sie sich vom Nahrungsbrei bedienen, der durch den Darm geschleust wird, helfen sie bei der Verdauung, liefern Vitamine, schützen uns vor krankmachenden Erregern und trainieren das Immunsystem. Ohne die Winzlinge wären wir kaum überlebensfähig und vielen Angreifern schutzlos ausgeliefert. Doch hin und wieder wird das friedliche Zusammenleben gestört. Antibiotika etwa, beseitigen nicht nur Krankheitserreger, sie töten auch die nützlichen Bakterien.
Normalerweise erholt sich die Verdauung von der Säuberungsaktion innerhalb der nächsten Wochen. Manchmal nutzen jedoch weniger harmlose Darm-Bakterien wie Clostridium difficile die Chance, breiten sich massenhaft aus und verdrängen die gesunden Mitbewohner des Darms.
Während eine Clostridium-Infektion früher nur selten Probleme gemacht hat, gehört sie heute zu den am häufigsten auftretenden Krankenhausinfektionen in Europa. Die Folge sind schwere Durchfälle und entzündliche Infektionen. Im Extremfall müssen Teile des Darms entfernt werden, in einigen Fällen überleben Patienten eine solche Infektion nicht. In den USA haben Statistiker ausgerechnet, dass jedes Jahr etwa 14.000 Todesfälle auf das Konto des Darmbewohners gehen. Der größte Teil der Patienten ist über 65 Jahre alt und hat sich die Infektion im Krankenhaus oder Pflegeheim eingefangen. Während Clostridium difficile den Darm von höchstens vier Prozent der gesunden Menschen besiedelt, ist es in 20 bis 40 Prozent der Patienten in Krankenhäusern zu finden.
Per Einlauf in den Darm manövriert
Antibiotika könnten zwar auch diesen Keim zum Erliegen bringen, doch im Laufe der Zeit haben einige Vertreter wirksame Resistenzmechanismen entwickelt. Mit den üblichen Behandlungsmethoden tritt in 25 Prozent aller Fälle die Infektion innerhalb von einem Monat erneut auf. Daher versuchen Wissenschaftler überall auf der Welt alternative Behandlungen zu finden. Entwickelt sich der Keim zum Dauer-Querulanten, soll die Bakterien-Therapie Abhilfe schaffen. Die Methode, die einige Ärzte in den USA, Kanada oder Australien bereits erfolgreich anwenden, hat mittlerweile nicht nur in der Wissenschafts-Community für Aufsehen gesorgt.
Dabei handelt es sich nicht um eine gentechnische Methodik, noch um Stammzellen oder es wird aufwändiges Gerät verwendet. Nein, es wird lediglich der Stuhl eines gesunden Spenders mit Kochsalzlösung verrührt und per Einlauf in den Darm manövriert. Auch der Weg in einem Schlauch über die Nase ist möglich. Einmal im Darm angekommen sollen die gespendeten Darmbakterien helfen, wieder eine natürliche und gesunde Darmflora mit einem guten Mix aus verschiedenen Darmbakterien herzustellen.
So einfach die Methode, so groß auch die Erfolge. Ärzte aus den US, Kanada oder Australien berichten, dass sie bis zu 90 Prozent ihrer Patienten helfen konnten. Obwohl sie seit vielen Monaten unter ihrer Erkrankung litten, schlug die Therapie meist innerhalb von Tagen an. Worauf die Wirkung basiert, ob sie sich tatsächlich ansiedeln oder nur über Botenstoffe den Heilungsprozess in Gang setzen ist noch nicht geklärt.
In Deutschland wird das Verfahren nicht angewandt. Zu unsicher erscheint hier vielen die Methode. Noch gibt es keine großen Studien, die unabhängig den Erfolg bewerten und mit anderen Methoden vergleichen. Zudem wird der Stuhl der Spender zwar auf einige Krankheiten getestet, welche Wirkungen die Bakterien jedoch langfristig auf den Empfänger haben, lässt sich nicht voraussagen. Die natürliche Darmflora beeinflusst mit ihren Mikroben nicht nur die Verdauung, sie nimmt Einfluss auf eine Vielzahl von Stoffwechselvorgängen, wird in Zusammenhang mit Krankheiten wie Diabetes oder Multiple Sklerose gebracht. Selbst auf die Psyche hat der Darm Einfluss. Dieses Mikrosystem auf gut Glück zu verändern, wirft zumindest einige medizin-ethische Fragen auf. Viele Mediziner hoffen daher, die Bakterien ausfindig zu machen, die für die heilsame Wirkung verantwortlich sind und sie oder ihre Wirkstoffe gezielt als Medikament einzusetzen.
Derweil gehen die Anhänger der Stuhltransplantation schon einen Schritt weiter. Sie können sich eine solche Therapie auch für Menschen mit Colitis Ulcerosa, schweren Symptomen des Reizdarmsyndroms oder Parkinson vorstellen.