Zahlreichen Mikronährstoffen werden positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System nachgesagt. Nicht selten äußert sich die Industrie werbelyrisch über mögliche Wirkungen. Einige Substanzen können selbst im Fokus kritischer Studien bestehen, aber eben nicht alle.
Linus Pauling schwärmte von Q10 bereits in den 1950er Jahren. Aber erst in den letzten Jahren erlebt das Coenzym einen Boom. Der chemische Name ist Ubichinon, vom Lateinischen „ubi“, was soviel bedeutet wie überall (in der Natur vorkommend). Es ist verwandt mit Vitamin K und Vitamin E. Bei Herzerkrankungen wie Koronarer Herzkrankheit (KHK), chronischer Herzinsuffizienz und Kardiomyopathie findet man im Herzmuskel deutlich verminderte Q10-Werte. In Japan ist es eines der am häufigsten verordneten Arzneimittel. Bei Patienten mit KHK reduziert die Q10-Substitution die Rate an Angina pectoris-Anfällen und steigert die körperliche Leistungsfähigkeit.
In einer Langzeitstudie von Langsjoen et al. an 424 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz verbesserte sich der Schweregrad gemäß NYHA (New York Heart Association) durch die tägliche Gabe von durchschnittlich 242 mg Coenzym Q10 bei über 80% der Patienten um mindestens einen Grad. Außerdem benötigten die Patienten eine geringe Dosis ihrer anderen Medikamente.
Am Universitätskrankenhaus Kopenhagen führte Prof. Dr. Svend A. Mortensen Gewebeuntersuchungen am Herzmuskel durch. Diese ergaben bei Herzinsuffizienz NYHA III und IV (mittel- bis höhergradige Form) gegenüber NYHA I und II einen deutlich niedrigeren Q10-Gehalt. Nach Q10-Gabe stieg die Konzentration im Herzmuskel deutlich messbar an. Begleitend kam es zu einer deutlichen Verbesserung der für eine Herzinsuffizienz typischen klinischen Parameter.
Q10 und Blutdruck
Eine zentrale Rolle bei der Blutdruckregulation spielt das gasförmige Hormon Stickstoffmonoxid (NO). Ein Abfall kann zu Angina Pectoris, hohem Blutdruck und Impotenz führen. Potenzmittel wie Sildenafil und Nitroglycerin greifen auch in den NO-Spiegel ein. Q10 führt dazu, dass mehr NO gebildet wird. Die peripheren Gefäße erweitern sich und der Blutdruck sinkt.
In verschiedenen Studien konnte diese blutdrucksenkende Wirkung von Coenzym Q10 belegt werden. So auch in einer Metaanalyse von 12 klinischen Studien, die eine Blutdrucksenkung unter 60-120 mg Coenzym Q10 pro Tag von durchschnittlich 16,6/8,8 mmHg zeigten. Auch Patienten, die Statine zur Fettsenkung einnehmen, profitieren von einer Supplementation. Wird das Enzym HMg-CoA-Reduktase gehemmt, kommt es zu einem Ubiquinonmangel, die Folge können Muskelschäden sein. Diese Nebenwirkung lässt sich mit einer zusätzlichen Einnahme verhindern. Ein neu zugelassenes Statin enthält Ubiquinon als Kombipartner. Ubiquinon muss im Körper in die aktive Wirkform Ubiquinol umgewandelt werden. Auf dem Markt ist diese aktive Wirkform ebenfalls verfügbar und erscheint sinnvoll.
Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit Vitamin K wird in seltenen Einzelfällen bei Einnahme hoher Coenzym Q10-Dosierungen über eine negative Beeinflussung der Wirksamkeit oraler Antikoagulantien wie Phenprocoumon und Warfarin berichtet. Über weitere mögliche Nebenwirkungen berichtete bereits im Jahr 2001 das Arzneitelegramm: Magen-Darm-Störungen, Anstieg der Laktatdehydrogenase sowie der GOT. Bei Sportlern im extremen Training wurde vereinzelt über eine gesteigerte Aktivität der Plasma-Kreatinkinase berichtet.
Calcium: das Kolbenfressermineral?
Calcium ist für die Herzkraft unerlässlich, es ist das Ion, das dafür sorgt, dass sich das Herz in jeder Systole zusammenzieht. Calcium steigert die Herzkraft und senkt die Herzfrequenz. Andererseits kann ein zu hoher Calciumspiegel an der Herzmuskelzelle schädlich sein. Es können Rhythmusstörungen auftreten. Ein zu hoher Calciumspiegel im Serum kann dazu führen, dass sich Calcium in den Gefäßen ablagert und eine Arteriosklerose begünstigt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass hoch dosierte Monopräparate auch Nebenwirkungen haben können. In den letzten Jahren haben die Warnungen zugenommen, dass bestimmte Dosierungen die Gefahr steigern können, einen Herzinfarkt zu erleiden.
Eine Studie von Mark Bolland von der Universität Auckland in Neuseeland kam zu dem Ergebnis, dass die Supplemente das Risiko für Herzinfarkte leicht erhöhen. Die Ergebnisse wurden zunächst angezweifelt. Eine weitere Studie sollte Klarheit bringen. Die Arbeitsgruppe führte eine Reanalyse von Daten der Women’s Health Initiative Calcium/Vitamin D Study (WHI CaD Study) durch. Diesmal wurden Frauen ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung schon Calciumsupplemente einnahmen. In der Untersuchung gingen nun die Daten von 16.718 Frauen ein, die bei Studienbeginn noch kein Calcium nahmen. Sie erhielten über sieben Jahre täglich 1 g Calcium und 400 IU Vitamin D beziehungsweise Placebo. Die Risikoerhöhung betrug in der Calciumgruppe:
Im Bericht zur Studie führen die Forscher auch die Ergebnisse einer Metaanalyse von acht placebokontrollierten Studien zu kardiovaskulären Risiken unter Supplementation von Calcium oder Calcium plus Vitamin D mit insgesamt 28.000 Probanden auf. Auch hier war das Risiko in der Calciumgruppe für Herzinfarkt um 24 Prozent und für die Kombination der Endpunkte Herzinfarkt und Schlaganfall um 15 Prozent erhöht. Die Autoren folgern aus ihren Daten, dass Calciumsupplemente sowohl mit als auch ohne Vitamin D das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, vor allem für Herzinfarkt, moderat erhöhen. Eine Neubewertung des Einsatzes der Supplemente in der Osteoporoseprophylaxe sei angebracht, schreiben sie in der Veröffentlichung.
Derzeit kann also keine Aussage getroffen werden, wie groß das Risiko für die Steigerung von Herzinfarkten durch Calcium oder Calcium/Vitamin D-Kombinationen wirklich ist. Die Daten sollen als Risikosignal verstanden werden.Magnesium: theoretisch sinnvoll
Magnesium ist ein Allroundmineral. Es greift in mehr als 300 Stoffwechselvorgänge ein. Leider deckt eine Blutuntersuchung auf Magnesium einen Mangel kaum auf. Dabei wird nur das Serum untersucht, nicht aber die Körperzellen. Über 90% des gesamten Magnesiumbestands befinden sich in den Körperzellen, die damit nicht erfasst werden.
Magnesium ist ein Antistressmineral. Gerade in Lern- oder Prüfungssituationen ist eine Zufuhr empfehlenswert. Es bewirkt, dass das Stresshormon Adrenalin vermindert freigesetzt wird und weniger an seinen Bindungsstellen wirkt. Auch auf den Blutdruck scheint Magnesium als natürlicher Calcium-Antagonist durch gefäßerweiternde und blutdrucksenkende Eigenschaften positive Effekte zu haben. Die Bioverfügbarkeit von Magnesium wird durch einen hohen Anteil an Ballaststoffen in der Nahrung vermindert, da es zur Bildung von schwer resorbierbaren Magnesium-Komplexen kommen kann. Auch Alkohol, Konservierungsstoffe und andere Mineralien wie Calcium und Eisen beeinträchtigen die Aufnahme.
Die Bioverfügbarkeit ist sehr stark von der Verbindung abhängig. Das einfachste und billigste Magnesiumsalz ist das Oxid, welches auch den höchsten Gewichtsanteil an Magnesium besitzt. Wie bei Carbonaten gilt für die Resorption im Magen jedoch, dass zur Resorption ausreichend (Magen-) Säure vorhanden sein muss. Allgemein gilt, dass Magnesium in Verbindung mit schwachen Säuren wie Citrat eher im sauren Magenmilieu gelöst und resorbiert wird, während dies für Basen wie Mg-Oxid überwiegend im alkalischen Darmmilieu erfolgt.
Heterogene Datenlage
„Die regelmäßige Einnahme von Magnesium in Form von geeigneten Magnesiumpräparaten kann den Blutdruck senken, Gefäßverkalkungen verringern und Fettstoffwechselstörungen positiv beeinflussen“, diese Ansicht vertritt Prof. Dr. med. Klaus Kisters auf der Homepage der Deutschen Hochdruckliga.
Kisters zitiert Studien, die den blutdrucksenkenden Effekt (bis zu 20 mm Hg), die Senkung des Pulsdrucks und eine Abnahme des Arteriosklerose-Risikos beschreiben.
Kritischer sieht dies der Internist und Hypertensiologe Dr. Thomas Schramm aus Köln: „Magnesium kann aus meiner Sicht aufgrund der Datenlage noch nicht als etablierte Substanz bei der Behandlung von Hypertonie gesehen werden. Zurzeit sollten Betroffene nur bei Nachweis eines gesicherten Magnesiummangels Magnesium einnehmen.“ An dieser Stelle könnten zahlreiche Studien aufgeführt werden, die die Wirkung belegen, aber auch solche, bei denen der Benefit nicht signifikant war. Vom pharmakologischen Wirkansatz erscheint Magnesium in sinnvoller Verbindung ein hervorragend geeignetes Mineral für Herz und Blutdruck zu sein. Fundierte, groß angelegte Studien müssen den endgültigen Beweis aber noch erbringen.
Selen: Risiko höher als Nutzen?
Selen spielt eine Rolle bei bestimmten Schilddrüsenerkrankungen, immer wieder wird es auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen propagiert. Selenit und Selenat sind anorganisch und sind vergleichsweise stärker bioverfügbar. Selenomethionin kommt in Pflanzen vor, Selenocystein ist tierischen Ursprungs, beide also organisch. Das Selen aus der Methioninverbindung kann erst nach dem kompletten Abbau der Eiweißstruktur verwertet werden. Außerdem kann sich Selen aus organischen Verbindungen im Körper anreichern. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät in einer Stellungnahme klar von Selenhefe oder Selenmethionin ab.
In einer Metaanalyse wurden die Ergebnisse von 13 Studien zusammengefasst, die den Zusammenhang zwischen der Selen-Plasmakonzentration und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten untersuchten. Das Risiko war bei höheren Selen-Plasmakonzentrationen (80 µg/l) geringer als bei niedrigen (um 70 µg). Die Nutritional Prevention of Cancer Studie mit über Tausend Hautkrebspatienten ohne Herz-Kreislauf-Krankheiten zeigte, dass eine ausschließliche Selensupplementation von 200 µg/ Tag über einen Zeitraum von 7,6 Jahren keinen Effekt auf die vorbeugende Wirkung von Herz-Kreislauf-Krankheiten hat.
„Basierend auf den derzeit vorliegenden Studienergebnissen ist eine generelle Selensupplementation zur primären Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten abzulehnen“, so das Resümee der Autoren Navarro-Alarcon und Cabrera-Vique. Die Österreichische Fachzeitschrift „Pharmainformation - Unabhängige Information für Ärzte“ äußert sich wie folgt zur Selensubstitution: "Eine kritische Haltung gegenüber wenig belegten Konzepten, hinter denen natürlich ein großes finanzielles Interesse steht, hat sich wieder einmal bestätigt". Ein Editorial stellt fest: „Personen mit normaler Ernährung sollten Selen Supplementierung vermeiden.“
Folsäure bei Herzerkrankungen und Schlaganfällen
Folsäure muss im Körper erst in seine aktive Wirkform Folat umgewandelt werden. Bei 50 Prozent der Frauen ist die dafür nötige Enzymaktivität aber eingeschränkt. Deshalb ist es sinnvoll, ergänzend zur Folsäure das bioaktive 5-MTHF (Folat) zu supplementieren oder es als Monosubstanz zuzuführen. Angaben zum Folat-Gehalt erfolgen als Folat-Äquivalent [µg], wobei:
1 µg Folat-Äquivalent = 1µg Nahrungsfolat = 0,5 µg synthetische Folsäure.
Folat ist notwendig für den Abbau der Aminosäure Homocystein. Erhöhte Homocysteinkonzentrationen im Blut begünstigen vermutlich die Entstehung von Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Depressionen und Altersdemenz.
Folsäure für's Mehl?!
Epidemiologen analysierten das Nationale Sterberegister in den USA von 1990 bis 2001 auf die Veränderung der Todesraten für kardiovaskuläre Erkrankungen und Schlaganfall bei Personen ab 40 Jahren. Die Auswertung ergab, dass die Folsäurezugabe zum Mehl in der Bevölkerung zu einer Verdopplung der durchschnittlichen Serumfolatkonzentration von 6,6 ng/ml auf ca. 15 ng/ml geführt hat. Parallel fiel der Serumhomocysteinwert von durchschnittlich 9,6 auf 8,3 µmol/L ab. Die Todesrate für Schlaganfall war in den drei Jahren nach Beginn der Anreichungsmaßnahme (1999 bis 2001) im Vergleich 10 bis 15% niedriger als in den drei Jahren (1994-1997) vorher. Vor 1997 betrug die Todesrate pro Jahr ca. 1%, während sie danach pro Jahr um 4,5% abfiel. Diese Tendenz galt sowohl für beide Geschlechter als auch Farbige und Weiße.
In die randomisierte HOPE-2-Studie wurden 5.522 Patienten im Alter von mindestens 55 Jahren eingeschlossen. Bei allen Studienteilnehmern waren entweder koronare Herzerkrankung, Schlaganfälle, periphere arterielle Verschlusskrankheiten oder Diabetes bekannt. Zusätzlich bestand mindestens ein zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktor wie hoher Blutdruck, zu hoher Cholesterinspiegel oder Rauchen. Die Patienten nahmen für fünf Jahre entweder täglich die Kombination aus 2,5 mg Folsäure, 50 mg Vitamin, B6 und 1 mg Vitamin B12 oder ein Placebopräparat ein. Bei der erneuten Analyse der HOPE-2-Daten nahm in der Gruppe der mit dem Kombipräparat Behandelten die Homocysteinkonzentration um 2,2 μmol/l ab, unter Placebo stieg sie um 0,8 μmol/l. Während der Beobachtungszeit ereignete sich bei 258 Personen (4,7%) ein Schlaganfall. Dabei lag die Schlaganfall-Häufigkeit unter Einnahme der Vitamine bei 0,88 pro 100 Personenjahren und in der Placebogruppe bei 1,15 pro 100 Personenjahren. Dies entspricht einer Risikoreduktion von 23.5 Prozent. Auch die Rate der nicht tödlichen Schlaganfälle war unter der Vitaminkombination signifikant reduziert. Die Schwere des Schlaganfalls und die Behinderungen blieben dagegen unbeeinflusst. Ein Nutzen war diesbezüglich nur in einzelnen Subgruppen nachweisbar.
Ein Mikronährstoff soll keinen Betablocker oder AT-Blocker aus der kardial-pharmakologischen Palette verdrängen, wohl können einige Mikronährstoffe die Therapie aber ergänzen. Vorausgesetzt, die gewählte Verbindung ist bioverfügbar und die Dosis erfüllt therapeutische und nicht (nur) präventive Ansprüche. Die Notwendigkeit von Kombipräparaten mit Vitaminen und Mineralstoffen als „Mikronährstoffschrotschußtherapie“ wird kontrovers gesehen. Wenn ein Patient wirklich bei allen Mikronährstoffen einen Mangel entwickelt hat, ist dies erstens pathologisch und zweitens fraglich, ob die in den Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Mengen dann ausreichen. Liegt ein ernährungs- oder krankheitsbedingter Mangel an gezielten Vitaminen oder Mineralstoffen vor, ist eine dosisadaptierte Monotherapie sinnvoller und zielführender.