Wie in der operativen Medizin geht es auch bei Hüft-Prothesen seit Jahren zum Minimalen. Doch selbstverständlich ist nicht alles, was „in“ ist, besser. Und wenn wie bei der minimal-invasiven Hüft-Prothetik Langzeit-Daten noch fehlen, ist ein Urteil eh verfrüht.
Bevor über den Nutzen der minimal-invasiven Endoprothetik diskutiert werden kann, sollte ohnehin geklärt sein, was darunter zu verstehen ist. Das ist nämlich keineswegs immer klar. Möglich sei zum Beispiel, jene Eingriffe als minimal-invasiv zu bezeichnen, bei denen der Hautschnitt unter zehn Zentimeter lang sei, erklärt Dr. Mel S. Lee („Memorial Hospital“ von Linkou in Taiwan), Autor eines gerade erschienenen Buchbeitrages („Recent Advances in Hip and Knee Arthroplasty“). Als minimal-invasiv können allerdings auch die Eingriffe bezeichnet werden, bei denen das Gewebe so wenig wie möglich verletzt werden. Ein kleiner Hautschnitt bedeute nämlich keineswegs, dass das darunter liegende Gewebe entsprechend gering traumatisiert werde.
Wer „schön“ sein will, könnte „leiden“
Selbstverständlich wird für minimal-invasive Eingriffe oft mit kosmetischen Aspekten geworben. Doch letztendlich seien geringerer Blutverlust und eine Schonung des Gewebes, der Hüftknochen und insbesondere der großen Hüftmuskulatur, viel wichtiger, erklärt unter anderen Professor Dr. Werner Siebert vom Endoprothesenzentrum Kassel. Schließlich geht es darum, dass es dem Patienten subjektiv und objektiv nach der Operation besser geht, er also weniger Schmerzen hat, früher wieder laufen und auch sein Bein voll belasten kann und natürlich, dass die Prothese lange genug „hält“. Nur dann ist die minimal-invasive Technik auch langfristig ökonomisch „interessant“, was angesichts der großen Zahl der Hüft-Prothesen-Implantationen natürlich keine „zu vernachlässigende Größe“ ist.
Kleiner, kürzer, billiger
Außer kosmetischen Aspekten werden demzufolge vor allem medizinische und ökonomische Aspekte als Vorteile für die minimal-invasiven Hüft-Operationen ins Feld geführt, also
Studien der letzten Jahre hätten hier bereits belegt, dass der Blutverlust tatsächlich geringer sei und „die Rehabilitation bei einem minimal-invasiven Eingriff in den ersten postoperativen Monaten schneller von statten“ gehe, berichteten die Orthopäden Dr. Michael Wörner und seine Kollegen (Universität Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach) vor wenigen Monaten. Doch ab der 12. postoperativen Woche gebe es nach der aktuellen Datenlage „keine Überlegenheit im Gangbild der minimal-invasiv operierten Patientengruppe mehr“ („Der Orthopäde“). Als Nachteile gelten in der Regel, dass es bei minimal-invasiven Eingriffen schwieriger sei, das Kunstgelenk in der optimalen Position zu implantieren; das Risiko einer Implantat-Fehllage sei daher größer, sagen Kritiker. Darüber hinaus sei es schwieriger, die exakte Beinlänge exakt zu schätzen. Neu ja, nachhaltig vielleicht
Das größte Manko dürfte jedoch, wie eigentlich bei jedem neuen Verfahren in der Medizin, das Fehlen von Langzeit-Erfahrungen und -Daten sein. Ohnehin bestehe zwischen der Zahl der wissenschaftlichen Publikationen und der Zahl an Beiträgen zum Thema, die eine „Google-Recherche“ zu Tage fördere, eine erhebliche Diskrepanz, kritisiert Siebert. Und jene Publikationen, die über medizinische Suchmaschinen aufgespürt würden, erfüllten nicht immer die Kriterien hochwertiger wissenschaftlicher Arbeiten.
Noch zählt der Operateur - weniger der Zugang
Wie bei allen operativen Verfahren kommt es selbstverständlich auch bei der minimal-invasiven Hüft-Prothetik auf die Erfahrung und die Übung des Operateurs an. Wichtig sei zudem die Verwendung von Spezial-Instrumenten und den speziell konstruierten Implantaten, eventuell einschließlich speziell konstruierter Op-Tische, erklärte kürzlich der US-Orthopäde Dr. Robert J. Zeher („The Zehr Center for Orthopaedics“ in Naples) in einer Fortbildungsveranstaltung .
Weniger relevant sei, welcher operative Zugang gewählt werde, betont Siebert. Allein die Vielzahl der möglichen Zugänge zeigt schon, dass es nicht einen einzigen „Königsweg“ für alle Operateure und Patienten gibt. Das Spektrum der möglichen Zugänge reicht laut Lee vom transtrochantären Zugang über den transglutealen (direkt lateral), den posterolateralen, anterolateralen und vorderen (anterioren) Zugang bis hin zu kombinierten Zugängen über zwei oder sogar drei Inzisionen. Über jeden Zugangswegs könnten erfahrene Operateure gute Ergebnisse erzielen, bemerkt dazu Siebert. Entscheidend sei eben, dass wirklich „schonend“ operiert werde. Die besten Ergebnisse bei minimal-invasiven Verfahren erreiche man durch eine präoperative Patientenschulung, eine effiziente Schmerz-Behandlung während und nach dem Eingriff sowie ein „erfahrenes Team von Physiotherapeuten und Nachbehandlern, die die neuen Möglichkeiten auch zu nutzen wissen und dem Patienten die Fähigkeiten vermitteln, sein rascher und früher zu belastendes Gelenk und seine früher nutzbaren Muskeln auch einzusetzen“, so Siebert, dem Lee hier uneingeschränkt zustimmt.
Ob die Langzeitergebnisse ähnlich gut oder besser seien als bei herkömmlichen Operationsverfahren, werde sich zeigen. Noch, so Siebert, sei dies nicht endgültig entschieden, „obwohl einige Operateure glauben, zeigen zu können, dass weniger Hinken, weniger Langzeitmuskelschädigung und weniger Beeinträchtigung der hüftstabilisierenden Muskeln durch diese Verfahren auch über einen längeren Zeitraum auftreten“. Siebert ist jedoch im Großen und Ganzen optimistisch: „Für das Hüftgelenk könnte die minimal-invasive Technik der neue Standard werden“. Gleichwohl gilt auch bei der minimal-invasiven Hüft-Prothetik der bekannte Spruch des „Kaisers“: „Schau‘n mer mal“.