Top oder Flop: Krankenhaus-Portale sind groß im Trend, doch halten nicht alle Angebote, was sie versprechen. Mit wichtigen Kriterien lässt sich Gutes von weniger Gutem trennen – standardisierte Daten zur Qualität etwa helfen auch Kollegen, geeignete Häuser zu finden.
Todesfälle auf der Frühchen-Intensivstation oder Narkose-Desaster im OP: Manche Kliniken machen durch negative Schlagzeilen Furore. Umso häufiger fragen sich Patienten, wo sie ihren Bypass legen, ihr neues Hüftgelenk implantieren beziehungsweise ihr Baby zur Welt bringen sollen. Krankenhaus-Bewertungsportale können diese Entscheidung erleichtern, doch sind nicht alle Angebote empfehlenswert.
Frei von Einflüssen?
Im Gespräch mit DocCheck erläutert Dr. Ilona Köster-Steinebach, Referentin Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., das Dilemma: „Prinzipiell befürworten wir alle Initiativen, die es Verbrauchern erleichtern, sich ein Bild über das Angebot, hier das Versorgungsangebot und die Versorgungsqualität von Krankenhäusern zu machen“. Bewertungsportale tragen dazu bei, falls sie grundlegende Anforderungen erfüllen. Köster-Steinebach: „Wichtig ist, dass pro Fachabteilung bewertet wird, weil viele Faktoren von der Freundlichkeit bis zur Behandlungsqualität auch innerhalb der einzelnen Krankenhäuser ganz unterschiedlich zu Tage treten“. Aktualität gilt ebenfalls als besonders wichtig – Einträge sollten nicht älter als zwei Jahre sein. Zu einer guten Einschätzung gehören zudem differenziertere Kriterien, nicht jedoch Allgemeinplätze wie Behandlungsqualität oder Freundlichkeit. „Deshalb sind Portale, die auf umfangreichere, detailreichere und damit präzisere Bewertungen zurückgreifen, letztlich immer aussagekräftiger.“ Und nicht zu vergessen: standardisierte Qualitätsdaten.
Zur Transparenz verpflichtet
Mit dem V. Sozialgesetzbuch verpflichtete der Staat Kliniken, Informationen regelmäßig nach außen zu geben: „Der Bericht hat (…) Art und Anzahl der Leistungen des Krankenhauses auszuweisen und ist in einem für die Abbildung aller Kriterien geeigneten standardisierten Datensatzformat zu erstellen. Er ist über den in dem Beschluss festgelegten Empfängerkreis hinaus auch von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Internet zu veröffentlichen.“ Klingt gut, ist aber kompliziert: Laien sind mit den Informationen oft überfordert – wer Zeit hat, kann sich mit dem über 30 Seiten langen Leitfaden „Die gesetzlichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser lesen und verstehen“ beschäftigen. Das muss aber nicht sein, Online-Tools führen weitaus schneller zum Ziel.
Weiße Liste gegen schwarze Schafe
Als gemeinsames Projekt der Bertelsmann Stiftung und der Dachverbände zahlreicher Patienten- und Verbraucherorganisationen wurde die weiße Liste konzipiert – ohne Werbebanner, ohne Sponsoring und ohne kommerzielle Interessen. Dahinter steckt eine Datenbank mit besagten Qualitätsberichten. Versicherer greifen ebenfalls darauf zu, etwa in Form des AOK-Krankenhausnavigators. Und mit Apps wie dem TK-„Klinikführer“ wird die Recherche zum multimedialen Erlebnis. Über aktuelle Befragungen gesetzlicher Krankenkassen kommt auch das Votum von Versicherten mit ins Spiel, ebenfalls standardisiert, allerdings schwankt hier die Datenbasis stark. Sind es bei der TK 200.000 Zufriedenheitsbewertungen, hat die AOK auf immerhin 24 Millionen Patientendaten verwertet.
Marketing-Magnet Klinikranking
Wer eine gute Bewertung von neutraler Seite bekommt, hat natürlich klare Wettbewerbsvorteile. „Wir sind stolz darauf, dass die Schön Klinik Neustadt von den TK-Versicherten als das zweitbeste Krankenhaus zwischen Nord- und Ostsee bewertet worden ist. Wir nehmen dieses Ergebnis als Bestätigung der Patienten für die Qualität unserer Arbeit und das Engagement jedes Einzelnen. Für die Zukunft ist es uns Ansporn, noch besser zu werden“, so der kaufmännische Leiter Manfred Volmer. Auch im Klinikum Passau knallten Sektkorken, laut AOK-Ranking gehört das Haus bei Gallen-OPs zu den „Top five“. Prof. Dr. Helmut Grimm, der Chefarzt der Chirurgie: „Dadurch spricht sich unsere Qualität hoffentlich unter Ärzten und Patienten herum und das Einzugsgebiet erweitert sich.“ Negativ Bewertete hingegen wollen sich zum Ranking nicht äußern.
Blick ins Impressum
Doch zurück zu Ilona Köster-Steinebach und ihrem Kriterienkatalog: „Krankenhäusern sollte es nicht möglich sein, zum Beispiel durch Mitgliedsbeiträge oder ähnliches besonders hervorgehoben oder gar ausschließlich dargestellt zu werden.“ Das kommt aber durchaus vor: „Präsentieren Sie sich dort, wo Ihre Patienten nach Ihnen suchen“, wendet sich beispielsweise Medmonitor.de an Kliniken. Und hinter Qualitätskliniken.de steckt ein Konsortium aus der Asklepios Kliniken GmbH, der Rhön-Klinikum AG, der Sana Kliniken AG, dem Zweckverband freigemeinnütziger Krankenhäuser Münsterland und Ostwestfalen und dem Zweckverband der Krankenhäuser Südwestfalen e.V. Allerdings betont Dr. Christoph Straub, Vorstand der Rhön-Klinikum AG: „Wir laden ausdrücklich alle deutschen Krankenhäuser ein, unabhängig von ihrer Trägerschaft.“
Meinungsfreiheit bleibt umstritten
Ganz zuletzt der naheliegende Weg: Warum User nicht selbst die Leistung bewerten lassen? Der Schuss ging im Jahr 2008 nach hinten los: Gerichte machten Klinikbewertungen.de dafür verantwortlich, den Beweis zu erbringen, „dass Aussagen genau und im Wortlaut stimmen“ – schlichtweg unmöglich. Ein weiteres Urteil bekennt sich hingegen klar zur Meinungsfreiheit. Zwar ging es hier um die Bewertung von Ärzten, im Kontext ist die Entscheidung aber durchaus übertragbar. Dass Laien medizinische Sachverhalte nicht richtig beurteilen könnten oder Einrichtungen sich selbst in gutem Licht darstellten, sei kein ausreichender Grund für ein Verbot, hieß es in der Begründung. Am Landgericht Nürnberg-Fürth sieht man das wiederum anders: Betreiber von Portalen seien durchaus in die Pflicht, Kritikpunkte konkret zu prüfen.
Zwischen Schwarm-Intelligenz und Shitstorm
Dennoch ein heikles Thema: „Portalbetreiber sollten Initiativen ergreifen, um zu verhindern, dass ein und derselbe Patient, Konkurrent oder ein enttäuschter beziehungsweise mit PR beauftragter Mitarbeiter eines Klinikums mehrere Bewertungen vornimmt, um ein Meinungsbild zu prägen“, gibt Köster-Steinebach zu bedenken. Im Gespräch mit DocCheck ist auch Holger Mages von der Deutschen Krankenhausgesellschaft wenig begeistert: „Kliniken stellten sich gern einem Wettbewerb, der nach fairen und transparenten Regeln ausgetragen werden muss. Die unkritische Wiedergabe von Einzelmeinungen, auch in statistisch kumulierter Form, dient mit Sicherheit nicht dazu“, lautet sein Fazit. Auch verweist er auf die stark unterschiedliche Risikoadjustierung, sprich Besonderheiten regionaler Einzugsgebiete, welche die Wahrnehmung der Qualität entsprechender Gesundheitsdienstleistung bei Laien beeinflussen. Mages: „Portale, die sich auf die reine Meinungswiedergabe fokussieren, werden hier kein faires und der Leistung des Krankenhauses angemessenes Bild darstellen können.“