In-vitro-Fertilisation und Kryokonservierung verhelfen heute vielen Paaren zum ersehnten Wunschkind. Selbst Krebspatientinnen haben damit realistische Chancen auf eine Schwangerschaft, sollte rechtzeitig vorgesorgt werden.
Werden Frauen auf natürlichem Wege nicht schwanger, schlägt die Stunde der Reproduktionsmediziner. In den letzten Jahren wurden Techniken zur Lagerung und Befruchtung von Eizellen außerhalb des Körpers weiter professionalisiert. Stellen Onkologen bei Patientinnen mit Kinderwunsch eine Krebserkrankung fest, sollten sie schnell zum Telefon greifen und diese Kollegen mit einbinden. Nur gemeinsam lassen sich Tumortherapie und Schwangerschaft in Einklang bringen.
Eierstock geschützt – Patientin schwanger
Entsprechende Maßnahmen müssen schnell gehen, um Bestrahlung, OP oder Chemotherapie nicht unnötig zu verzögern. Den Reproduktionsmedizinern bleiben als Zeitfenster höchstens zwei Wochen, manchmal auch nur wenige Tage. Gefragt sind individuelle Strategien: Sollte Gamma- oder Röntgenstrahlung zum Einsatz kommen, lassen sich Eierstöcke in vielen Fällen hinreichend abschirmen. Liegt der Tumor jedoch im kleinen Becken, hilft eine ovariale Transposition: Chirurgen schwenken die Eierstöcke zur Seite und verringern gemäß Abstandsquadratgesetz deren Belastung. Ein beispielsweise doppelt so großer Abstand zum bestrahlten Areal reduziert die Dosis auf ein Viertel des Ausgangswerts pro Fläche. Allerdings gibt es hinsichtlich späterer Schwangerschaften kaum belastbare Daten.
Zweigleisig einlagern
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, fährt mit anderen Methoden weitaus besser, gerade vor einer Chemo: Alkylantien wie Cyclophosphamid oder Busulfan weisen dosisabhängig eine hohe Gonadentoxizität auf. Mittlerweile hat die Kryokonservierung von Ovarialgewebe jedoch große Fortschritte gemacht. Sollte genügend Zeit bleiben, empfehlen Kollegen deshalb folgendes Protokoll: Kurz nach der Krebsdiagnose erfolgt eine laparoskopische Entnahme von Ovarialgewebe, das in flüssigem Stickstoff die Zeit bis zur hoffentlich baldigen Heilung überdauert. Parallel dazu beginnt eine ovariale Stimulation mit Gonadotropinen, was unabhängig vom Zykluszeitpunkt nach etwa 14 Tagen die Entnahme von Eizellen ermöglicht. Zusätzlich wird empfohlen, eine Woche vor Beginn der Chemotherapie GnRH-Analoga zu verabreichen, um die Gonaden in einen Ruhezustand zu befördern. Laut Metaanalyse randomisierter, kontrollierter Studien lässt sich der Schaden dadurch deutlich verringern.
Nachwuchs aus dem ewigen Eis
Mit Hilfe der Kryokonservierung gelang es Kollegen in Dresden, vor der Chemotherapie entnommenes Eierstockgewebe einer genesenen Patientin in ihre Beckenwand zu transplantieren. Vorab suchten Histologen aber nach verschleppten Krebszellen, um kein erneutes Aufflammen der bösartigen Erkrankung zu riskieren. Unter onkologischen Aspekten wäre die Entnahme und Lagerung von Eizellen zwar sicherer, unter reproduktionsmedizinischen Aspekten aber weitaus ungünstiger. Nicht auszuschließen ist ebenfalls, dass manche Krebsarten auf hormonelle Stimuli aggressiv reagieren. Nach erfolgreicher Übertragung wurde die Patientin auf natürlichem Wege schwanger und entband später per Kaiserschnitt. Ein Blick auf die verbliebenen Ovarien ließ Gynäkologen nichts Gutes ahnen – durch die Chemotherapie war es zu starken Atrophierungen gekommen. Entsprechende Maßnahmen hatten sich damit als sinnvoll herausgestellt, jedoch müssen Betroffene für die laparoskopische Entnahme und die Kryokonservierung von Ovarialgewege selbst zahlen.
Das liebe Geld
Eine künstliche Befruchtung, die bei Krebspatienten angezeigt sein kann, scheitert oftmals am nötigen Kleingeld, Kassen begleichen nur drei Zyklen zur Hälfte. Zwar konzipierte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) bereits Ende 2011 eine Förderrichtlinie, deren Umsetzung scheiterte aber bislang an der finanziellen Beteiligung mancher Länder. Diese hätten 12,5 Prozent der Kosten berappen müssen, und 12,5 Prozent wären von Berlin finanziert worden. Aus dem Bundedesrat kam ein alternativer Gesetzesentwurf: Förderung ja, aber nur mit 25 Prozent aus Steuermitteln des Bundes. Das hörten CDU/CSU und FDP gar nicht gerne. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz hätten Kassen schließlich die Möglichkeit, „in ihrer Satzung zusätzliche Leistungen auch im Bereich der künstlichen Befruchtung anzubieten“, hieß es dazu aus Regierungskreisen.
Nicht ohne Risiko
Allerdings birgt die künstliche Befruchtung nicht nur finanzielle, sondern auch medizinische Gefahren: Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) werden Samenzellen mit einer Stechkanüle in das das Zytoplasma von Oocyten eingebracht. Australische Wissenschaftler verglichen jetzt die Rate möglicher Fehlbildungen anhand eines Geburtsregisters mit 308.974 Kindern, von denen 6.163 durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wurden. Während Fehlbildungen bei der klassischen In-vitro-Fertilisation nicht signifikant höher waren, fanden die Forscher bei ICSI ein 9,9-prozentiges Risiko. Studienleiter Michael J. Davies führt seine Resultate aber weniger auf die Technik an sich zurück. Er konnte mit Hilfe der großen Kohorte zeigen, dass betroffene Frauen und deren Familien mehrfach mit Unfruchtbarkeit zu kämpfen hatten – damit seien genetische Prädispositionen wahrscheinlich. Als Beleg führt Davies an, dass Patientinnen, die trotz anfänglich diagnostizierter Infertilität dennoch schwanger auf natürlichem Wege wurden, ebenfalls signifikant mehr Kinder mit Fehlbildungen zur Welt brachten. Andere Forscher widmeten sich der Frage, wie riskant eine Chemotherapie für ungeborene Kinder ist.
Fatale Diagnose während der Schwangerschaft
Stellen Kollegen während einer Schwangerschaft Krebs fest, ist das für Patientinnen ein besonders großer Schock. Nicht immer lassen sich notwendige Therapien auf die Zeit nach der Niederkunft verschieben. Zwar ist und bleibt eine Chemo im ersten Trimenon tabu, zu groß wäre die Wahrscheinlichkeit, dass der Embryo Fehlbildungen davonträgt. Anders sieht die Datenlage allerdings für das zweite und dritte Trimenon aus: Belgische und niederländische Forscher untersuchten dazu 70 Kinder, deren Mütter meist aufgrund von Brustkrebs eine Chemo- beziehungsweise Strahlentherapie erhalten hatten. Viele Studienteilnehmer sind mittlerweile im Kleinkind- oder Jugendalter, Hinweise auf eine mögliche Schädigung fanden die Ärzte nicht. Einzig und allein Babys, die frühzeitig entbunden wurden, zeigten leichte Defizite – allerdings vergleichbar mit dem Nachwuchs gesunder Mütter, die ihr Kind ebenfalls vorzeitig auf die Welt brachten. Aus ihren Beobachtungen schlussfolgern die Autoren, eine Chemotherapie sei ab der 14. Schwangerschaftswoche möglich, auf vorzeitige Entbindungen sollte aber verzichtet werden.