Nach mehreren tragischen Todesfällen durch plötzlichen Herztod propagiert die FIFA jetzt Defibrillatoren auf allen Fußballfeldern dieser Erde. Ob Sportler wirklich häufiger einen plötzlichen Herztod erleiden als andere ist allerdings umstritten.
Der Frühling war keine gute Jahreszeit für Fußballspieler mit Herzproblemen. Am 17. März 2012 schockierte der Mittelfeldspieler Fabrice Muamba von den Bolton Wanderers die fußballinteressierte Öffentlichkeit. Er erlitt während eines Spiels gegen Tottenham Hotspur einen Herzstillstand und wurde angeblich 78 Minuten lang reanimiert. Der Fußballprofi überlebte. Nur vier Wochen später hatte der italienische Fußballprofi Permario Morasini während eines Spiels für seinen Verein Livorno weniger Glück: Er verstarb am plötzlichen Herztod. Ist Fußball ein kardialer Risikofaktor? Der Weltfußballverband FIFA hat diese Ereignisse zu einer Bestandsaufnahme genutzt. Bei der zweiten medizinischen Konferenz der FIFA, die Ende Mai in Budapest stattfand, berichtete der Chairman des FIFA Medical Committee, Dr. Michel D’Hooghe, über das Ergebnis dieser Untersuchung, die per Fragebogen bei den nationalen Fußballverbänden durchgeführt wurde. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es in den letzten fünf Jahren zu 84 Fällen von plötzlichem Herztod auf Fußballfeldern gekommen ist“, so D’Hooghe. Bei weiteren 24 Fußballern trat ein plötzlicher Herzstillstand auf, der unter Reanimation reversibel war. Ob das jetzt viel oder wenig ist, darüber gehen die Meinungen etwas auseinander. Einige teilweise recht öffentlichkeitsaffine Sportmediziner in Deutschland sind der Auffassung, dass das Risiko eines plötzlichen Herztods bei Profisportlern tatsächlich höher ist als in der Durchschnittsbevölkerung. Das soll unter anderem daran liegen, dass Infektionserkrankungen häufiger verschleppt beziehungsweise vor erneuter sportlicher Höchstbelastung nicht richtig auskuriert werden. Andere sehen das etwas anders. Dazu gehört auch der Chief Medical Officer der FIFA, Professor Jiri Dvorak. Bei der Veranstaltung in Budapest rechnete er vor, dass die Inzidenz des plötzlichen Herztods in der Allgemeinbevölkerung bei etwa eins zu 200000 liege. Werde das auf geschätzt 300 Millionen Fußballspieler weltweit hochgerechnet, müssten jährlich 1500 Todesfälle in dieser Population auftreten, also wesentlich mehr als die 84, die die FIFA ermittelt hat. Das ist allerdings eine Milchmädchenrechnung. Selbst Dvorak gibt zu, dass es wohl eine gewisse Dunkelziffer gibt. Vor allem aber unterstellt diese Berechnung, dass Fußballer – und hier geht es nicht nur um Profis – den größten Teil ihrer Lebenszeit auf dem Feld verbrächten, was natürlich nicht der Fall ist. Kein Anpfiff ohne Defi! Wie dem auch sei, die FIFA will dem plötzlichen Herztod auf dem Spielfeld jetzt nicht länger tatenlos zusehen. Zum einen fordert sie, dass Defibrillatoren nicht nur in den großen Fußballstadien, sondern auch auf den Feldern von Amateurvereinen installiert werden. Dieser Forderung liegt die ebenfalls aus der genannten Befragung destillierte Erkenntnis zugrunde, dass nur bei jedem fünften der insgesamt 108 Herzstillstände, die der FIFA gemeldet wurden, ein Defibrillator in der Nähe war. „Wir brauchen deswegen Defibrillatoren auf jedem Fußballfeld. Das ist eine Frage von Leben und Tod“, so D’Hooghe etwas theatralisch. Nun kann die FIFA nicht selbsttätig den Fußballplaneten mit Defibrillatoren überschwemmen. Es bleibt deswegen zunächst bei der Forderung. Zusätzlich investiert der Weltfußballverband allerdings auch in die Erforschung des plötzlichen Herztods bei Sportlern. Hierbei gehe es vor allem um genetische Prädispositionen, so Dvorak in Budapest. Dazu ist bisher noch relativ wenig bekannt, wenn man mal von den Genen für eine hypertrophe Kardiomyopathie absieht, die in den letzten Jahren beschrieben worden sind. Der Hintergrund dieser „FIFA-Forschung“ ist eine Debatte, die schon länger geführt wird, nämlich die Debatte um ein kardiales Screening für (Profi-)Sportler. Bisherige Versuche, solche Screening-Programme zu initiieren, waren nur punktuell erfolgreich. Wären genetische Risikofaktoren bekannt, könnten die Screening-Aktivitäten sehr viel gezielter erfolgen. Dvorak erwähnte in Budapest übrigens auch noch einen ganz anderen Punkt: Die Spieler sollten aufhören, ständig schwere Stürze oder Verletzungen zu simulieren. Dies könne dazu führen, dass ein Spiel bei wirklich ernsten Situationen versehentlich weitergeführt werde, weil der Schiedsrichter von Simulantentum ausgehe.